neuentdeckte Hirn-Nervenzelle
© Allen Institute for Brain ScienceDigitale Rekonstruktion der neuentdeckten Hirn-Nervenzelle, die das gesamte Mäusehirn umschließt und verbindet.
Washington (USA) - Neurologen des Allen Institute for Brain Science haben erstmals eine riesige Nervenzelle entdeckt, die das gesamte Hirn von Mäusen umgibt und derart dicht über beide Hirnhälften vernetzt ist, dass sie den Ursprung des Bewusstsein erklären könnte.

Wie das Team um Christof Koch aktuell auf dem Jahrskongress der „Brain Research through Advancing Innovative Neurotechnologies“ berichtete, nutzten sie ein neues bildgebendes Verfahren und entdeckten dabei, dass die einer „Dornenkrone“ gleichende, ungewöhnlich große Nervenzelle einer der am meist verknüpften Hirnregionen entspringt. Die Forscher vermuten, dass die Nervenzelle Signalen aus jenen Hirnarealen koordiniert, um bewusste Gedanken zu erzeugen.

Die entdeckte Nervenzelle gehört zu insgesamt drei mit der neuen Methode erstmals entdeckten Neuronen, von der sich die Neurowissenschaftler auch zukünftig weitere Entdeckungen bislang unbekannter Hirnstrukturen erhoffen.

Wie Koch gegenüber „Nature.com“ berichtet, habe man noch nie zuvor Nervenzellen entdeckt, die sich derart vernetzt über beide Hirnhälften hinwegziehen.

Zugleich entsprängen die drei neuentdeckten Nervenzellen dem sogenannten Claustrum und damit der am intensivsten verknüpften Schicht grauer Gehirnzellen im Hirn, die im menschlichen Gehirn bislang mit der Entstehung unseres Bewusstseins assoziiert wurde.

Diese vergleichsweise kleine Hirnregion liegt unter dem Neokortex im Mittelpunkt des Gehirns verborgen und kommuniziert mit fast allen Regionen der Hirnrinde, um so zahlreiche hohe kognitive Funktionen wie Sprache, Vorausplanung und komplexe sensorische Aufgaben wie das Sehen und Hören zu koordinieren.

Schon 2005 bezeichnete der Mitentdecker der DNA, Sir Francis Crick, derart dicht verknüpfte Hirnregionen in einem gemeinsam mit Koch verfassten Fachartikel als „Dirigent des Bewusstseins“ und führte darin weiter aus, dass derartige Strukturen wahrscheinlich alle unsere äußeren und inneren Wahrnehmungen zu einer gemeinsamen Erfahrung zusammenführen - ähnlich dem besagten Dirigenten eines Orchesters.

Wie „ScienceAlert.com“ berichtet, wird diese Schlussfolgerung durch zahlreiche ungewöhnliche medizinische Fälle der vergangenen Jahre und sich daraus ergebender Beobachtungen gestützt:

So wurde 2014 eine Frau an der George Washington University wegen Epilepsie behandelt und dabei auch zahlreiche Hirnregionen mittels Elektroden untersucht. Als die Forscher dabei das beschriebene Claustrum stimulierten, stellten sie fest, dass sie das Bewusstsein der Patientin regelrecht ein- und ausschalten konnten.

- 2015 untersuchten Mediziner unabhängig davon die Auswirkungen von Schäden an besagtem Claustrum bei 171 Kriegsverletzten mit traumatischen Hirnverletzungen. Dabei zeigt sich, dass Schäden an dieser Hirnstruktur zu Bewusstseinseinschränkungen und -verlusten führten.

Während einige Forscher in den nun neu beschriebenen Hirnstrukturen Belege für die Vorstellung sehen, dass das Claustrum und die mit ihm in Verbindung stehenden Neuronen die Quelle, der Ursprung unseres Bewusstseins darstellen, zeigen sich andere noch vorsichtig und verweisen darauf, dass man von einem Beweis für diese Theorie noch weit entfernt sein.

Zudem wurde die große, das Hirn umgebende Nervenzelle, bislang erst am Mäusehirn - und noch nicht am Menschen nachgewiesen und die für April vorgesehene Fachpublikation der Entdeckung im Journal of Comparative Neurology (DOI: 10.1002/cne.24047) steht bislang noch aus.