Fast genau ein Jahr nach dem Erdbeben in Mittelitalien, bei dem 300 Menschen ums Leben kamen, hat ein Beben der Stärke 4 auf der Urlauberinsel Ischia schwere Schäden angerichtet. Zwei Frauen starben, 42 Menschen wurden verletzt. Eine der beiden Frauen wurde von herabstürzenden Teilen einer Kirche erschlagen, die andere tot aus den Trümmern ihrer Wohnung geborgen. 2.600 Menschen sind obdachlos.
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Ein sieben Monate altes Baby wurde in der Nacht aus einem zerstörten Haus geholt, zwei Brüder des Buben im Alter von acht und elf Jahren wurden nach 14 bzw. 16 Stunden geborgen. "Ciro hat seinem jüngeren Bruder das Leben gerettet. Nach dem schweren Erdstoß hat er den Bruder unter das Bett geschoben. Mit einem Besenstock hat er so lange geklopft, bis ihn die Einsatzkräfte gehört haben", berichtete ein Mitglied des Rettungsteams.

Die drei aus den Trümmern geretteten Kinder sind wohlauf. Lediglich der älteste Bub, der elfjährige Ciro, habe einen gebrochenen Fuß. "Es ist ein Wunder, sie sind alle drei gesund", berichteten die Ärzte des Krankenhauses von Ischia, in dem die drei Kinder behandelt wurden.

Sie könnten wahrscheinlich schon Mittwoch aus der Klinik entlassen werden, sagten die Ärzte. 16 Stunden lang musste Ciro unter den Trümmern verbringen, bis er befreit wurde. An der Rettungsaktion beteiligt war eine Feuerwehrfrau, die schon im Jänner an der Bergung von Kindern unter den Trümmern des Hotels Rigopiano in der Region Abruzzen teilgenommen hatte. "Wenn man die Kinder lebend rettet, ist die Freunde immens", berichtete die Feuerwehrfrau.

Zum Zeitpunkt des Beben befanden sich 250.000 Touristen und 60.000 Einheimische auf der Insel. Touristen und Bewohner seien in Panik auf die Straße gelaufen, berichteten italienische Medien. Viele Menschen verbrachten die Nacht im Freien. Zahlreiche Urlauber verließen aus Angst vor Nachbeben die Insel. Vor den Fähren bildeten sich lange Schlangen. Österreicher waren von dem Beben nicht unmittelbar betroffen. Auf der Insel leben zwei Landsleute, die sich nach Angaben des Außenministeriums am Montag in Österreich befanden. Ihre Wohnungen wurde nicht beschädigt.

Seit dem Erdstoß am Montagabend wurden 20 stärkere Nachbeben registriert. Hunderte Soldaten und Rettungsteams waren am Dienstag im Einsatz, um der Bevölkerung und den Touristen Hilfe zu leisten. Premier Paolo Gentiloni kondolierte den Familien der Opfer. "Wir stehen auf der Seite der Rettungseinheiten", twitterte Gentiloni.

Unterdessen ist eine Diskussion über die Missachtung von Bauvorschriften oder überhaupt illegal errichtete Häuser auf der Insel entbrannt. "Es ist nicht normal, dass ein Erdbeben der Stärke 4 derartige Zerstörungen verursacht", sagte Egidio Grasso, Präsident der Geologen der Region Kampanien, zu der Ischia gehört.


Kommentar: Die Stärke muss nicht unbedingt ein Faktor sein, wie viele Schäden angerichtet werden.


Grasso schließt nicht aus, dass viele Immobilien in den vergangenen Jahren ohne Berücksichtigung erdbebensicherer Standards errichtet wurden. "Es ist nicht akzeptabel, dass Wohnhäuser bei einem nicht allzu starken Erdstoß einstürzen", erklärte der Koordinator der Grünen, Angelo Bonelli.

Der Konsumentenschutzverband Codacons will die Bürgermeister der Insel-Gemeinden wegen fahrlässiger Tötung klagen. Die Bürgermeister wiesen die Vorwürfe umgehend zurück. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen Bausünden und Erdbebenschäden. Eingestürzt seien vor allem sehr alte Gebäude, darunter eine Kirche, die nach einem Erdbeben im Jahr 1883 errichtet worden war.

Die Insel sei in den vergangen Jahrzehnten ohne Respekt für die Umwelt wild bebaut worden, kritisierte der Umweltschutzverband Legambiente. "Ischia ist ein Sinnbild für unbestrafte Bausünden", sagte Präsidentin Rossella Muroni. 600 Immobilien müssen eigentlich abgerissen werden, weil sie als Landschaftsverschandelung eingestuft wurden.

Die Regierung bekräftigte ihr Vorhaben, in Italien den Bau erdbebensicherer Gebäuden zu fördern. Das Kabinett hatte schon nach dem Erdbeben im Mittelitalien vor einem Jahr einen entsprechenden Plan präsentiert. Dieser müsse zügiger umgesetzt werden, hieß es jetzt in Rom.

Die Insel Ischia im Golf von Neapel liegt in der Nähe der Phlegräischen Felder, die zu den weltweit wenigen Dutzend sogenannten Supervulkanen zählen. Im Jahr 1883 kamen bei einem Beben auf Ischia rund 2.300 Menschen ums Leben.

APA/dpa