Fettleibigkeit breitet sich weltweit wie eine Epidemie aus - davor warnen Wissenschaftler schon länger. Neue Zahlen zeichnen aber ein immer dramatischeres Bild. Nun sollen die Vereinten Nationen eingreifen.
Übergewichtige Frau mit Hund
© dpaNeue Zahlen: Über 1,5 Milliarden erwachsene Menschen auf der Welt sind übergewichtig.

Regierungen weltweit müssen der Ausbreitung von Übergewicht und Fettleibigkeit mit radikalen Schritten entgegentreten. Das fordern Wissenschaftler der renommierten britischen Medizinzeitschrift The Lancet. Die Vereinten Nationen müssten ähnlich wie im Fall des Tabakkonsums eine Rahmenkonvention zur Kontrolle von Fettleibigkeit verabschieden. Ohne die Führung von Regierungen sei die Epidemie des Übergewichts nicht mehr rückgängig zu machen, heißt es im Leitartikel des Journals.

Anstoß für die drastischen Forderungen liefern unter anderem neue Zahlen: Einer Studie der Universität im australischen Melbourne zufolge sind mittlerweile mehr als 1,5 Milliarden erwachsene Menschen auf der Welt übergewichtig. Hinzu kommen 500 Millionen Fettleibige sowie 170 Millionen Kinder, die entweder übergewichtig oder fettleibig sind. Während in Japan und China beispielsweise nur eine von 20 erwachsenen Frauen fettsüchtig sei, fiele in den USA eine von dreien in diese Kategorie.

Zusatzsteuern auf ungesundes Essen

In manchen Regionen wie etwa den USA oder dem Westen Australiens habe Fettleibigkeit mittlerweile das Rauchen als größte zu verhindernde Gesundheitsgefahr überholt, heißt es in dem Artikel. Mittlerweile seien auch Länder mit niedrigen oder mittleren Einkommen betroffen. Als fettleibig gilt, wer einen Body-Mass-Index über 30 erreicht.

Um der Ausbreitung von Fettleibigkeit Einhalt zu gebieten, müssten Regierungen unter anderem Zusatzsteuern auf ungesundes Essen und Trinken erheben, fordern Forscher der Harvard School of Public Health im US-amerikanischen Boston. Außerdem müsse ähnlich wie beim Rauchen die Werbung für ungesundes Essen kontrolliert werden, vor allem, um Kinder zu schützen, schreiben die Wissenschaftler in The Lancet. Bei einem Treffen der Vereinten Nationen im September müsse das Thema dringend behandelt werden.


Kommentar: Wie gewöhnlich wird dem Rauchen die Schuld an allem gegeben, während es tatsächlich darum geht, dass der massive Kohlenhydrat-, Zucker-, Gluten- und Milchproduktkonsum sowie das Verzehren von Transfetten und Pflanzenölen für unsere Zivilisationskrankheiten verantwortlich sind.

Steuern auf ungesundes Essen zu erheben bereichert nur weiterhin die Kräfte an der Macht und wird nicht dabei helfen, Krankheiten wie Übergewicht zu heilen. Aber das wissen die Kräfte an der Macht gewiss schon.


Kann der Mensch fett schmecken?

Unterdessen haben deutsche Wissenschaftler in den Geschmacksknospen der menschlichen Zunge erstmals einen Fettrezeptor nachgewiesen. Bis jetzt war bekannt, dass Menschen süß, sauer, bitter, salzig und umami (herzhaft-fleischig) schmecken können. Die Geschmackswahrnehmung spiele eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, welche Nahrung dem Körper Energie liefert und welche eher gemieden werden sollte, schreiben die Forscher um Maria Mercedes Galindo und Maik Behrens vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE). Ihre Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Chemical Senses veröffentlicht.

Rezeptoren sitzen wie Antennen auf den Geschmackszellen. Dockt eine Substanz an einen oder mehrere der Rezeptoren an, wird ein Signal ans Gehirn geschickt, zum Beispiel "das schmeckt bitter". Bisher ist unklar, ob auch Signale gesendet werden, die den Geschmack "fettig" identifizieren.

Fettrezeptor auf der Zunge gefunden

Das Team vom DIfE wies nun den Rezeptor GPR120 in menschlichen Geschmacksknospen nach. Dieser war bereits bei vorherigen Studien an Nagern als womöglicher "Fett-Wahrnehmer" ausgemacht worden. Zudem konnten die Forscher mithilfe einer Art künstlichen Zunge zeigen, dass langkettige Fettsäuren, die beim Essen einen typischen Fettgeschmack hervorrufen, GPR120 aktivieren.

"Dies als Beweis für die Existenz einer sechsten Grundgeschmacksqualität fettig zu sehen, wäre aber sicher vorschnell", sagte Wolfgang Meyerhof, Leiter der Abteilung Molekulare Genetik am DIfE. "Hierfür müsste man nachweisen, dass das durch den Fettrezeptor ausgelöste Signal über spezialisierte Geschmackszellen und nachgeschaltete Nervenbahnen als Geschmackssignal ans Gehirn weitergeleitet wird", erklärte Behrens. Dennoch sei erstmals gezeigt worden, dass auch der Mensch in seinen Geschmacksknospen über einen Fettrezeptor verfügt.

lea/dpa