Der vom US-Präsidenten Donald Trump angekündigte Truppenabzug aus Syrien hat bei den globalen und regionalen Akteuren kontroverse Reaktionen hervorgerufen, schreibt die Nesawissimaja Gaseta am Freitag.
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© AP Photo / Ariel Schalit
Besonders große Sorgen macht sich Israel, das jetzt offenbar im Alleingang dem Iran im Nachbarland widerstehen muss.

Der russische Präsident, Wladimir Putin, sagte gestern auf einer großen Pressekonferenz, dass er vorerst keine Anzeichen für den Abzug der US-Truppen aus Syrien sehe. "Ich räume jedoch ein, dass dies möglich ist", ergänzte der Kreml-Chef. Dabei führte er den Konflikt in Afghanistan als Beispiel an, wo die USA seit Ende 2001 präsent sind, jedoch ab und an ihren baldigen Rückzug verkünden.

Was Israel angeht, so zeigte es einen Tag nach der Erklärung Trumps seine Entschlossenheit. "Wir werden uns weiterhin um die Vorbeugung der gegen uns gerichteten militärischen Stärkung des Irans bemühen", sagte Premier Benjamin Netanjahu. "Wir werden noch intensiver vorgehen."

Auch der frühere Verteidigungsminister Avigdor Lieberman äußerte sich dazu: "Der Rückzug der USA aus Syrien erhöht die Wahrscheinlichkeit eines umfassenden Konflikts im Norden - sowohl im Libanon als auch in Syrien."

Frankreich, dessen Truppen ebenfalls in Syrien präsent sind, werde dem Beispiel der USA nicht folgen. Paris werde den Kampf gegen die Islamisten fortsetzen, versicherte die Verteidigungsministerin, Florence Parly. Sie stellte fest, dass der IS aktuell "so schwach wie noch nie" sei und mehr als 90 Prozent des Territoriums, das er einst kontrollierte, verloren habe. Allerdings sei das so genannte Kalifat "immer noch nicht von der Landkarte ausradiert worden", warnte Parly. "Wir brauchen den militärischen Sieg, der endgültig wäre."

Die französische Ministerin für europäische Angelegenheiten, Nathalie Loiseau, unterstrich ihrerseits, dass Trumps Entscheidung ein weiterer Beweis dafür sei, dass Paris "Möglichkeiten für eine eigenständige Beschlussfassung braucht, wenn seitens der Terroristen weiterhin Gefahren bestehen". Zugleich sagte Loiseau, dass Trump nicht im Voraus mit den Partnern im Rahmen der Anti-Terror-Koalition seine Entscheidung abgesprochen habe.

Trumps Vorgehen wurde übrigens auch von vielen Mitgliedern des US-Senats scharf kritisiert. Der Republikaner Lindsey Graham schrieb beispielsweise auf Twitter: "Der Abzug der ohnehin geringen US-Kräfte aus Syrien wäre ein Riesenfehler im Obama-Stil." Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, Bob Corker, sagte seinerseits, er habe "nicht verstanden, was passiert ist", und erwarte deshalb Erläuterungen seitens des Außenministers, Mike Pompeo, und des Pentagon-Chefs, James Mattis. Der Senator Jim Inhofe zeigte sich überzeugt, dass Trump "wenn nicht den ganzen Senat, dann wenigstens den Ausschuss für Streitkräfte" über seinen Plan zum Truppenabzug aus Syrien im Voraus informieren hätte müssen.

"Wenn wir einmal über Israel und manche Golf-Monarchien sprechen, dann wird sich die Situation für sie nicht besonders verändern", findet der russische Militärexperte Juri Ljamin. "Sie würden es natürlich vorziehen, dass das US-Kontingent weiter auf dem Teil des syrischen Territoriums bleibt - als Druckfaktor für die Regierung Syriens und den Iran. Aber der Abzug des Truppenkontingents wird die Situation nicht kardinal verändern. Den größten Teil des Landes kontrolliert jetzt Damaskus. Das gilt auch für die an Israel grenzenden Gebiete. Auch die Güterlieferungen aus dem Iran nach Syrien könnten die US-Kräfte nicht behindern, weil sie unter Umgehung ihres Einflussraums befördert werden", so der Experte.

Nach seinen Worten ist es aber auch unwahrscheinlich, dass der Iran den Rückzug des US-Militärs aus Syrien als eine Art "Carte Blanche" wahrnehmen würde. "Man sollte nicht vergessen, dass die Türkei gerade mit einem neuen Militäreinsatz gegen die syrischen Kurden droht", warnte Ljamin. "Dieser Einsatz könnte zur faktischen türkischen Kontrolle über einen großen Teil Nordsyriens führen. Eine solche Entwicklung der Situation wäre natürlich für die syrischen Behörden und ihre iranischen Verbündeten unerfreulich. Außerdem agieren die Überreste des 'Islamischen Staates' weiterhin im Osten Syriens. Zwar sind sie nicht mehr so gefährlich wie früher, aber der Kampf gegen sie könnte noch lange dauern."