Hamburg - Der Rücken schmerzt, der Nacken tut weh, die Gelenke machen nicht mit: Jeder elfte Europäer hat täglich Schmerzen. Chronischer Schmerz kann sogar zu Veränderungen im Hirn führen, wie Experten berichten.

Jeder elfte Europäer hat täglich Schmerzen. Die meisten Patienten wechselten jahrelang von Arzt zu Arzt, bevor sie sich von einem spezialisierten Therapeuten behandeln ließen, sagte der Präsident des Dachverbandes der europäischen Schmerzgesellschaften (EFIC), Professor Hans Georg Kress, am Donnerstag (22. September) auf einem Kongress in Hamburg.

So hätten im vergangenen Jahr in Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien und Deutschland insgesamt 52,7 Millionen Menschen regelmäßig an Schmerzen gelitten. Von chronischen Schmerzen sprechen Mediziner, wenn die Beschwerden länger als drei bis sechs Monate andauernd oder wiederkehrend auftreten. Die Menschen in den fünf Ländern litten vor allem an Rücken- (63 Prozent), Gelenk- (48) und Nackenschmerzen (29,6). Auch Rheuma oder Tumoren verursachten oft Schmerzen.

Nach dem «Survey of chronic pain in Europe» (Erhebung zu chronischen Schmerzen in Europa) verloren 19 Prozent der Menschen mit mäßigen oder starken chronischen Schmerzen ihre Arbeit. 60 Prozent der Betroffenen gingen wegen ihrer Beschwerden zwei- bis neunmal zum Arzt innerhalb eines halben Jahres. Der Verband EFIC fordert die Anerkennung chronischer Schmerzen als eigenständiges Krankheitsbild.

Chronischer Schmerz führe zu Veränderungen im Gehirn, die von ihrer ursprünglichen Ursache unabhängig seien, sagte der niederländische Professor Kris Vissers aus Nijmegen. Diese Veränderungen zögen den gesamten Organismus in Mitleidenschaft. Chronischer Schmerz könne also nicht nur als ein Symptom einer Grunderkrankung angesehen werden.

Vissers plädierte auch für mehr Forschung zu Nutzen und Risiken von Schmerzmedikamenten bei älteren Menschen. So leide die Hälfte der Menschen über 65 Jahren, die noch selbstständig leben, an chronischen Schmerzen. Viele Ältere litten an mehreren Krankheiten, etwa Lungen- und Herzkreislauferkrankungen, was sie gebrechlicher und anfälliger für Leiden mit Schmerzen mache. Zudem verändere sich der Stoffwechsel im Laufe des Lebens; dies könne die Wirkung von Medikamenten ändern. Auch führe die Einnahme von verschiedenen Arzneien - wie bei älteren Menschen oft üblich - möglicherweise zu noch nicht ausreichend untersuchten Wechselwirkungen.

Auf der Suche nach Hilfen und der Vorbeugung von chronischen Schmerzen ziehen die Experten auch psychologische Faktoren in Betracht, die Widerstandskräfte geben könnten. Dazu gehört unter anderem Optimismus, sagte Professor Martin Koltzenburg aus London.

Bis zum Samstag wollen mehr als 4000 Spezialisten in Hamburg neueste Erkenntnisse erörtern. Themen sind auch elektrische Stimulationsverfahren bei Migräne und der Einsatz von Cannabinoiden.

n-tv.de / dpa