Vom Protest an der Wall Street zur nationalen Bewegung: Nun erreichen die Demonstrationen auch Baden-Württemberg.

Zwei Freundinnen genießen in der warmen Sonne ihren Kaffee auf dem Freiburger Augustinerplatz. Aufmerksam beobachten sie eine Gruppe Jugendlicher, die gerade zwei riesige Plakate über einer Steinwand aufhängen.


„Democracy?“ steht in gelben Buchstaben auf schwarzem Hintergrund. Aus einem Lautsprecher ertönt eine männliche Stimme mit spanischem Akzent. Alberto ist Mitglied bei der Organisation „Freie Demokratie Jetzt“. Mit leiser Stimme sagt er zu den Neugierigen: „Wir leben nicht in einer Demokratie, weil das Volk über wichtige Entscheidungen nicht selbst abstimmen kann.“

Nach dem Vorbild der „Besetzt die Wallstreet“-Bewegung in den USA haben am Samstag in Freiburg hunderte Demonstranten gegen die Geschäftspolitik der Banken protestiert. Darunter auch die Mitglieder der Globalisierungsgegner „Attac“, „Freie Demokratie Jetzt“, „Wem gehört die Stadt“ und „Wir zahlen nicht für eure Krise“. Gemeinsam nutzen sie den internationalen Aktionstag, um möglichst viele Menschen über die größer werdende Spanne zwischen Arm und Reich aufzuklären. Doch nicht immer geht es heute um die große Weltpolitik. Manche fordern, die Mieten in Freiburg zu senken. Doch alle Demonstranten eint eines. Sie wollen nicht gleichgültig sein. Sie wollen ihre Stimme erheben: Gegen die Gier der Banken, die Zocker an den Börsen. Sie wollen das Zinssystem abgeschafft sehen und wenden sich gegen soziale Ungerechtigkeit.

Auf einem riesigen weißen Zettel schreiben Protestler auf dem Augustinerplatz während der Reden auf, zu welcher Gruppierung sie gehören und welches Interesse sie verfolgen. Denn nur gemeinsam sei man stark. Dieser Satz ist während der Veranstaltung von allen Seiten her zu hören. Und um auch nach dem Aktionstag weiter in Kontakt zu bleiben, werden eifrig E-Mail-Adressen ausgetauscht. Man ist neugierig aufeinander, in jeder Ecke sind leise Gespräche zu hören: Sollen Krisenstaaten gerettet werden? Und vor allem: Wie soll es weitergehen?

„Wir haben in Deutschland die Chance, dass immer mehr Menschen auf die Straße gehen, denn die Krise ist ja noch lange nicht vorbei. Auch in Deutschland ist die Armut auf mittlerweile 20 Prozent angestiegen. Jetzt finden wir endlich eine Bewegung, die die Kluft zwischen Arm und Reich kritisiert und deshalb auf die Straße geht “, sagt Niko Volmer von Attac. Zustimmung aus der Masse. Auch Rüdiger Rowold applaudiert. Der Freiburger Student nimmt an der Protestbewegung teil und meldet sich als Redner zu Wort. Doch er kritisiert nicht nur, sondern lobt, dass deutschlandweit Tausende in den Großstädten zusammen gekommen seien und gemeinsam gegen die Ungerechtigkeit des gesellschaftlichen System zu protestieren. Allerdings hat sich der 29-jährige Student mehr Teilnehmer in Freibug gewünscht. „Leider wurde diese Veranstaltung vorab nicht richtig publiziert“, meint er. Interessierte mussten schon genau im Internet nachsehen, um Treffpunkt und Uhrzeit in Erfahrung zu bringen. Die meisten sind auf Facebook fündig geworden.

Dort hatte David Fuhr aus Freiburg am Donnerstag die Gruppe „Occupy Freiburg“ gegründet. „Wir müssen die Menschen aufwecken und brauchen den Widerstand aus der Gesellschaft, um gegen das korrupte System der Banken zu kämpfen“, sagt der erst 17-Jährige.

Mittlerweile ist es fast 17 Uhr. Die bunte Schar folgt dem Aufruf von Niko Volmer. Der will, dass sich alle vor der Filiale der Deutschen Bank am Martinstor treffen. „Wie müssen der skrupellosen Geschäftspolitik des Unternehmens ein Zeichen setzen“, sagt er. Das will Attac mit einem kurzen Theaterstück. Es geht um die Deutsche Bank, die die Regierung erpressen und Kriege finanzieren würde.

Zwischenzeitlich haben sich so viele Menschen versammelt, dass die Straßenbahn nicht mehr durch das Martinstor fahren kann. Doch alles bleibt friedlich. Die Demonstranten hoffen, dass immer mehr Menschen an den Protestbewegungen in Deutschland teilnehmen werden. „Doch das hängt allein von den Leuten ab. Wir haben heute einen weiteren Schritt dafür getan“, sagt Christoph Lienkamp, Vertreter der Attac Gruppe Freiburg.