Auch drei Tage nach seinem Tod ist der libysche Ex-Diktator Gaddafi noch nicht beigesetzt. Der Militärrat räumt allerdings nach zunächst widersprüchlichen Informationen ein, dass Gaddafis Leiche gerichtsmedizinisch untersucht wurde, um Klarheit in die Todesumstände zu bringen. Anschließend soll sie der Gaddafi-Familie übergeben werden.

Entgegen früheren Ankündigungen ist der Leichnam des libyschen Ex-Machthabers Muammar al-Gaddafi doch obduziert worden. Ein Sprecher des Militärrats von Misrata teilte mit, die Autopsie sei am Morgen vorgenommen worden. Ursprünglich sei das nicht vorgesehen gewesen, sagte Fathi Baschaga der Nachrichtenagentur AFP. "Aber Tripolis hat uns darum gebeten und wir wollen die Dinge korrekt machen", fügte er hinzu.

Die Klärung der genauen Todesumstände Gaddafis war international gefordert worden. Zuvor hatten widersprüchliche Äußerungen für Verwirrung gesorgt. Die neue Führung des Landes hatte mehrfach betont, Gaddafis Leiche solle nicht näher auf seine Todesumstände hin untersucht werden, gleichzeitig wurden Ergebnisse einer Autopsie kolportiert.

"Tödliche Schussverletzung"

Es werde keine Autopsie geben, sagte ein Vertreter des Militärrats in der Küstenstadt Misrata der Nachrichtenagentur AFP. "Niemand wird den Körper öffnen", betonte der namentlich nicht genannte Vertreter. Zwei weitere Verantwortliche in der Stadt bestätigten diese Angaben. Am Freitag hatte ein Vertreter des Militärrats zunächst DNA-Tests an der Leiche angekündigt, für die allerdings auch Haare Gaddafis ausgereicht hätten.

Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte allerdings einen an der Autopsie beteiligten Arzt mit der Aussage, Gaddafi sei einer Schussverletzung erlegen. Die Todesursache sei ziemlich eindeutig, habe der Arzt gesagt. Ob es sich bei der tödlichen Schussverletzung um die offensichtliche Kopfwunde an Gaddafis Leichnam handelt, ließ der Mediziner offen. Die Autopsie sei noch nicht ganz abgeschlossen. Einige Punkte müssten noch geklärt werden, bevor der Bericht der Staatsanwaltschaft übergeben werden könne, fügte der Arzt hinzu. "Aber alles wird veröffentlicht. Nichts wird verheimlicht."

Im Islam ist die Leichenöffnung nicht vorgesehen, da der Körper unversehrt bestattet werden soll. Die Beisetzung soll möglichst rasch erfolgen, meist geschieht dies innerhalb von 24 Stunden. Nach wie vor ist unklar, wie Gaddafi ums Leben kam. Es gibt auch den Verdacht, dass er gelyncht wurde.

Stamm darf Gaddafi beerdigen

Die neue libysche Führung will Gaddafis Leiche und die seines Sohnes Muttasim aber nun doch an dessen Angehörige übergeben, statt sie wie ursprünglich geplant, an einem unbekannten Ort beizusetzen. So sollte verhindert werden, dass Gaddafis Grab zum Wallfahrtsort wird. Ahmed Dschibril, ein Mitglied des Nationalen Übergangsrats, sagte AFP, es sei beschlossen worden, die Leiche der Gaddafi-Großfamilie auszuhändigen, weil von seinen nahen Verwandten derzeit niemand greifbar sei.

Gaddafis zweite Ehefrau Safija sowie Tochter Aischa und weitere Familienangehörige befinden sich zwar im Nachbarland Algerien, werden aber demnächst ausgewiesen. Nach Medienberichten würden letzte Einzelheiten noch mit einem nicht näher bezeichneten Golfstaat geklärt.

Lange Schlangen

Die halbnackte Leiche Gaddafis mit Einschusswunde am Kopf wurde auch noch am Samstag in einem Kühlraum in der Stadt Misrata zur Schau gestellt. Hunderte Menschen standen Schlange, um die sterblichen Überreste des Diktators zu sehen.

Gaddafi war am Donnerstag in seiner Heimatstadt Sirte offenbar nach einem NATO-Angriff auf seinen Konvoi lebend gefangen genommen, dann jedoch unter bislang ungeklärten Umständen getötet worden. Vertreter der UNO, der USA und anderer Länder ebenso wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verlangten eine Untersuchung der genauen Todesumstände.

Für Verwirrung sorgte ein im Internet veröffentlichtes Video, in dem ein junger Kämpfer des Übergangsrats behauptet, Gaddafi getötet zu haben. Der junge Mann sagt in dem Video, er habe Gaddafi trotz eines Huts auf der Straße in Sirte erkannt. Da Kämpfer aus Misrata ihn hätten mitnehmen wollen, habe er Gaddafi in den Kopf geschossen, doch sei er erst eine halbe Stunde später gestorben. In dem Video wird unter anderem ein goldener Ring gezeigt, der das Datum der Hochzeit Gaddafis mit seiner zweiten Frau Safia tragen soll.

sba/dpa/AFP