Einzelne Atome halten die Erdplatten zusammen

Der Frage, warum die Spannung an Gesteinsschichten plötzlich bei Erdbeben entlädt, sind Wissenschaftler einen Schritt näher gekommen. Fündig sind sie auf der atomaren Ebene geworden.

Obwohl die Erdbebengebiete unseres Planeten sehr genau bekannt sind, ist es nach wie vor nicht möglich, den Zeitpunkt der ruckartigen Plattenbewegungen und ihre Ausmaße vorauszusagen. Klar ist seit vielen Jahren, dass beispielsweise horizontal verschiebende Erdplatten wie die San-Andreas-Verwerfung in den USA die Gesteinsschichten ineinander verhaken. Durch die Verschiebung der Erdplatten entsteht Spannung, die immer weiter wächst und sich schließlich durch Erdbeben ruckartig entlädt.

Bereits seit ein paar Jahrzehnten vermuten Geologen, dass hierbei Kräfte im Nanobereich eine Rolle spielen. Diese Kräfte scheinen sich zu verstärken, je länger die Gesteinsschichten miteinander in Kontakt sind. Ob die Kontaktstellen mit der Zeit an Fläche zunehmen oder ob sich die Reibung an den einzelnen Punkten immer weiter verstärkt, war bislang nicht geklärt.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Der Zusammenschluss von Geologen und Physikern hat nun einen Durchbruch erbracht: Eine Forschergruppe um Qunyang Li von der University of Pennsylvania in Philadelphia untersuchten mithilfe eines Rasterkraftmikroskops, wie sich die Anziehungskräfte einzelner Atome über die Zeit entwickeln. „Wir wollten das Ganze vereinfachen und haben uns deshalb auf genau einen Kontaktpunkt konzentriert“, erklärt Li.

Zunächst beobachteten die Forscher das Verhalten von Silikaten, die ein Hauptbestandteil vieler Gesteinsarten sind. „Dabei konnten wir eine starke Zunahme der Anziehungskräfte feststellen“, berichtet Li. „Sehr viel schwächer war dieser Effekt zwischen Silikat und Diamant beziehungsweise Silikat und Graphit.“ Das spricht für die Verstärkung einzelner Kontaktpunkte und nicht für deren Ausdehnung, vermutet der Ingenieur. „Wäre es anders, müsste aufgrund der hohen Dichte von Diamant und Graphit die Anziehungskraft zwischen diesen Materialien viel stärker sein.“

Die Wissenschaftler hoffen mit ihren Erkenntnissen die bestehenden Modelle zu Erdbeben weiterentwickeln und Erdbeben besser voraussagen zu können. „Das ist nur möglich, wenn wir die grundlegende Physik hinter diesen Prozessen verstehen“, sagt Studienleiter Robert Carpick. Als nächstes will das Forscherteam die Auswirkungen der Temperatur auf die Anziehungskräfte einzelner Kontaktpunkte unter dem Rasterelektronenmikroskop beobachten, da die Temperatur bei geologischen Prozessen stets eine wichtige Rolle spielt.

Qunyang Li (University of Pennsylvania, Philadelphia) et al.: Nature, doi: 10.1038/nature10589

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