Er war schon als Teenager rechtsextrem und machte Karriere bei der NPD. Nun wurde Ralf Wohlleben, ein typischer Vertreter des rechten Sumpfes, festgenommen - als Helfer des Zwickauer Terrortrios.
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© Uli Deck/DPAWohlleben (m.) bei der seiner Festnahme: schon als Teenager rechtsextrem gewesen

Vor ein paar Tagen gab sich Ralf Wohlleben noch unbeeindruckt vom Besuch der Polizei: "Ich glaube nicht, dass der Vorwurf des Bundeskriminalamtes so weit geht, dass es zu meiner Verhaftung reicht", sagte er kurz nach dem die Ermittler am 24. November seine Wohnung in Jena durchsucht hatten. Er sollte sich irren. Jetzt rückte erneut ein Spezialkommando an und nahm den notorischen Neonazi fest. Der Vorwurf der Bundesanwaltschaft: Beihilfe zu sechs Morden und einem versuchten Mord.

Konkret soll Wohlleben der Neonazi-Gruppe Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe eine Schusswaffe plus Munition besorgt haben. Außerdem habe er ihnen 1998 geholfen, erst abzutauchen sowie anschließend ihr Leben im Untergrund zu finanzieren. Seine Aktivitäten, so heißt es in einem Verfassungsschutzbericht, seien ein Beleg "für die Vernetzung von NPD und Neonazi-Szene in Thüringen". Die vielen Enden, die im Fall der Zwickauer Zelle lose herumhängen, bekommen nun konkrete Anknüpfungspunkte. Und immer häufiger führen sie in Richtung NPD.

Das ist nicht überraschend, denn die Partei hat schon seit vielen Jahren mehr oder weniger intensive Verbindungen zu Neonazis, Kameradschaften und anderen rechtsextremen Gruppen. Ralf Wohlleben ist ein typischer Vertreter dieses braunen Sumpfes, der zwischen Parlamentarismus und Terrorismus wabert: Schon Anfang der 90er kommt er, damals noch ein Teenager, in Kontakt mit den Rechten. Und findet schnell Gefallen an ihrer Ideologie. Wenige Jahre später wird er bei der "Anti-Antifa Ostthüringen" aktiv, ebenso wie beim "Thüringer Heimatschutz". Die Neonazi-Organisation hatte rund 170 Mitglieder. Unter anderem auch die späteren Terroristen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe. Die vier, der ebenfalls festgenommene Holger G. sowie André K., gründen später die, inzwischen verbotene, militante "Kameradschaft Jena".

Wohlleben gründet das "Braune Haus" in Jena

André K. spielt in Wohlebens Leben eine besondere Rolle: Im Jahr 2000 wurden beide verurteilt, weil sie zwei Frauen mit Gewalt dazu bringen wollten, ihnen die Adressen von linken Jugendlichen zu geben. Über K. heißt es, dass er enge Beziehungen zum Jenaer NPD-Büro unterhielt. Und es war K., mit dem Wohlleben zwei Jahre später in Jena eine Gaststätte pachtet, die schnell als "Braunes Haus" bekannt wird. In dem Lokal, das mittlerweile wegen ungenehmigter Bauarbeiten geschlossen ist, treffen sich regelmäßig die örtlichen NPD-Mitglieder, hier gehen bekannte Neonazis ein und aus, hier finden Schulungen statt und es dient als Anlaufstelle für den Nachwuchs der Nationaldemokraten.

Zu diesem Zeitpunkt ist Wohlleben bereits vier Jahre NPD-Mitglied. In der Partei macht er Karriere und kandidiert unter anderem für die Landtags- und Bundestagswahlen. Nach seinem Parteibeitritt gründet er zunächst den Jenaer Kreisverband, rückt kurz darauf in den Landesverband Thüringen auf und wird 2002 stellvertretender Landeschef sowie Pressesprecher. Im Verfassungsschutzbericht 2004 heißt es über ihn: "Wohlleben gehört nicht nur der NPD an, sondern zählt auch zu den führenden Neonazis in Thüringen. Er hat weitreichende Kontakte zum neonazistischen Spektrum und organisierte zahlreiche Veranstaltungen." Mit dem Organisieren von rechten Aufmärschen macht sich der 36-Jährige schnell einen Namen. Unter anderem geht die verbotene Kundgebung "Fest der Völker" 2005 in Jena auf sein Konto. Laut Verfassungsschutz wurden bei der Veranstaltung zwischen "500 bis 1000 Teilnehmer erwartet, sowie der Auftritt von 13 Rednern und fünf Skinheadbands."

Auch seinen offiziellen Beruf "Fachinformatiker für Systemintegration" nutzt er ausgiebig für die politische Arbeit: Im Internet betreibt und betreut er einschlägig bekannte rechte Seiten wie unter anderem "Netzspeicher24", auf der er Speicherplatz für "parteigebundene und freie Nationalisten" zum Selbstkostenpreis anbietet. "Nachdem die Server im Sommer vorübergehend durch eine Hacking-Attacke lahmgelegt worden war, konnte zeitweise knapp ein Drittel der Websites von Thüringer Rechtsextremisten nicht abgerufen werden", notierten die Staatsschützer.

Aufmerksamkeit erregt der von ihm betreute Jenaer NPD-Verband auch, als der 2005 auf seiner Homepage einen "Service für Immobilienbesitzer" anbietet. Das Angebot der Partei: Gegen "Spenden" tritt sie als Interessent für Immobilien auf, die zum Verkauf stehen. Das Kalkül dahinter: Weil die meisten Gemeinden kein Interesse an rechten Anlaufstellen haben, zahlen sie hohe Summen, um die Gebäude selbst zu kaufen. Wie etwa 2005, als der bekannte Rechtsextremist und Anwalt Jürgen Rieger, bekanntgab, ein leerstehendes Hotel in Delmenhorst übernehmen zu wollen. Die Stadt kaufte das Haus später zum Preis von drei Millionen Euro - und zahlte damit 1,7 Millionen Euro mehr als es tatsächlich Wert war.

Insgesamt ist Wohlleben knapp elf Jahre lang NPD-Mitglied: Kurz bevor er 1999 eintritt, tauchte das Neonazi-Trio unter. Erst 2010 kehrt er der Partei den Rücken, aus privaten Gründen, wie es heißt. Was genau er darunter versteht, ist unklar. Laut Spiegel Online soll Wohlleben verheiratet sein, eine Tochter aus der Beziehung heiße Leni - ihr Name soll eine "Hommage" an Hitlers Filmemacherin Leni Riefenstahl sein. Die Nachbarn der Wohllebens berichten, dass das Paar mit den zwei Kindern eine "nette Familie" sei. Ein Kamerad des bekennenden Neonazis sagt über Wohlleben: "Er ist absoluter Rassist mit hohem Gewaltpotenzial, dessen Ton sich in den vergangenen Jahren verschärft hat."