Garching/ Deutschland - Mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) haben deutsche Astronomen eine Gaswolke entdeckt, die ein Vielfaches der Masse der Erde enthält und in Richtung des Schwarzen Loches im Zentrum der Milchstraße hin beschleunigt wird. Damit ist es erstmals gelungen, eine solche Wolke, deren Schicksal durch das Schwarze Loch bereits besiegelt ist, zu beobachten.
gaswolke
© ESO/MPE/Marc SchartmannSimulation der beobachteten Gaswolke auf ihrem Weg in Richtung des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße.

Wie das Team um Reinhard Genzel und Stefan Gillessen vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik (MPE) in der Fachzeitschrift Nature berichtet, gelang die Beobachtung im Rahmen eines 20-jährigen Programms zur Untersuchung der Bewegung von Sternen in der Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße, mit Teleskopen der ESO.

In den vergangenen sieben Jahren habe sich die Geschwindigkeit des Objekts, die derzeit bei 8 Millionen Kilometern pro Stunde liegt, nahezu verdoppelt, während die Umlaufbahn des Objekts um das Schwarze Loch stark langgestreckt verläuft.

Für Mitte 2013, so haben es die Forscher vorherberechnet, wird die Wolke den Ereignishorizont des Schwarzen Lochs (Event Horizon), ab dem Materie vom Schwarzen Loch unwiederbringlich angezogen wird, in einem Abstand von nur 40 Milliarden Kilometern passieren. Nach kosmischen Maßstäben gemessen wird dies für die Wolke eine extrem enge Begegnung mit einem Schwarzen Loch.

Das Objekt ist mit rund 280°C deutlich kühler als die Sterne in der Umgebung und besteht zum überwiegenden Teil aus Wasserstoff und Helium. Es handelt sich um eine staubhaltige ionisierte Gaswolke mit einer Masse die in etwa der dreifachen Erdmasse entspricht. Die starke Ultraviolettstrahlung der heißen Sterne im dichtbevölkerten Zentrum der Milchstraße bringt die Wolke zum Glühen.

Die Wolke, so erläutert die Pressemitteilung der ESO, sei bereits viel dichter als das heiße Gas, welches das Schwarze Loch selbst umgibt. Sobald die Wolke näher an das gefräßige Ungetüm herankomme, werde sie unter dem herrschenden Druck weiter komprimiert. Gleichzeitig beschleunige die enorme Anziehungskraft des Schwarzen Lochs, das eine Masse von vier Millionen Sonnen aufweist, die Wolke weiter und dehne sie entlang ihrer Umlaufbahn.
gaswolke
© ESO/MPETeleskop-Beobachtungen des Weges der Gaswolke von 2002 bis 2011.

"Ein Astronaut, der sich in der Nähe eines Schwarzen Lochs befindet, würde ganz ähnlich 'spaghettifiziert' werden, denn wenn sich seine Füße näher am Schwarzen Loch befinden als sein Kopf, werden sie auch viel stärker angezogen. Bei dieser Wolke können wir genau verfolgen, wie dieser Prozess tatsächlich abläuft. Sie wird die Begegnung mit dem Schwarzen Loch nicht überstehen", erläutert Gillessen, der Erstautor des Artikels.

Im Zeitraum von 2008 bis 2011 konnten die Astronomen bereits deutliche Anzeichen für die Zerstörung der Wolke feststellen. "Die Ränder der Wolke sind schon dabei, auseinanderzureißen. Man kann davon ausgehen, dass sie sich innerhalb der nächsten Jahre komplett auflösen wird.

Die Wolkenmaterie wird sich voraussichtlich stark aufheizen und Röntgenstrahlung abgeben, wenn sie sich im Jahre 2013 dem Schwarzen Loch annähert. Zurzeit befindet sich in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs nur sehr wenig Material, so dass die Wolke in den nächsten Jahren zur Hauptmahlzeit des Schwarzen Loches werden wird."


Auch für die Herkunft der Gaswolke selbst, glauben die Wissenschaftler eine mögliche Erklärung gefunden zu haben: "Wahrscheinlich handelt es sich um Materie, die von den jungen, massereichen Sternen in der Umgebung stammt. Diese Sterne verlieren viel Masse in Form von starken Teilchenwinden. Demnach könnte sich die Wolke bei der Kollision der Winde zweier bestimmter Sterne gebildet haben, die ein Doppelsystem bilden und ebenfalls das Schwarze Loch umlaufen."

Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / eso.org