Ein Kilo Bananen für einen Euro: Mit Schnäppchen locken Aldi und Co. die Verbraucher. Dafür zahlen Plantagenarbeiter mit ihrer Gesundheit, in Ecuador etwa. Eine neue Studie zeigt, wie brutal die Erntehelfer ausgebeutet werden - und erhebt schwere Vorwürfe gegen deutsche Supermarktketten.
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© dpaBananen im Großhandel: Oxfam kritisiert Bedingungen auf Plantagen in Ecuador

Hamburg - Die Flugzeuge kommen ohne Vorwarnung. Sie versprühen eine Flüssigkeit, die "wie verrückt stinkt", wie eine Plantagenarbeiterin erzählt. Man rieche sie aus 500 Metern Entfernung. Die Arbeiter auf den Bananenplantagen ziehen sich dann ihre Hemden über den Kopf und bedecken Nase und Mund. Schutzkleidung gegen die Chemikalien aus der Luft hat kaum jemand.

Die Schilderungen stammen von Plantagenarbeitern in Ecuador. Die Hilfsorganisation Oxfam hat die Arbeitsbedingungen der wichtigsten Produzenten des Landes untersuchen lassen. Der Bericht knöpft an die Oxfam-Studie "Endstation Ladentheke" von 2008 an. Die Entwicklungshelfer haben geprüft, ob sich die Arbeitsbedingungen in Ecuador verbessert haben und welche Rolle deutsche Supermarktketten übernehmen.

Das wichtigste Ergebnis: Immer noch gefährden Plantagenbesitzer die Gesundheit ihrer Arbeiter. "Obwohl das ecuadorianische Gesetz dies verbietet, werden gefährliche Pestizide von Flugzeugen aus auf die Felder gesprüht", kritisiert die Autorin der Studie, Franziska Humbert. Meistens geschehe dies, während die Arbeiter auf den Plantagen seien. Eingesetzt werden laut Oxfam die Chemikalien Calixin, Bravo, Mancozeb und Tilt - alle vier sind in Deutschland als gesundheitsgefährdend eingestuft und stehen unter Verdacht, krebserzeugend zu sein. Calixin ist in der Europäischen Union sogar verboten.

Die Bezahlung der Erntehelfer nennt Humbert "untragbar und ausbeuterisch". Der monatliche Nettolohn liege bei den befragten Arbeitern im Schnitt bei rund 237 Dollar, weniger als zehn Dollar pro Tag. Zu wenig, um eine Familie zu versorgen, sagt Humbert, und auf jeden Fall weniger als das staatlich definierte Existenzminimum für eine Familie. Diese sogenannte Überlebensgrenze beträgt in Ecuador 390 Dollar. 83 Prozent der befragten Plantagenarbeiter gaben an, dass ihr Familieneinkommen unter dieser Grenze liegt.

Oxfam hat für den Bericht das ecuadorianische Institut SIPAE beauftragt, eine unabhängige Einrichtung, die regelmäßig Gesetzesverstöße in der Agrarwirtschaft des Landes aufdeckt. Die Forscher sprachen mit mehr als hundert Arbeitern auf Plantagen der wichtigsten drei Produzenten sowie deren Zulieferbetrieben.

Auch die Exporteure selbst kommen in der Studie zu Wort. Und diese schieben die Schuld an den Bedingungen für die Arbeiter den Handelspartnern zu - unter anderem den deutschen Supermarktketten Aldi, Edeka, Rewe, Lidl und Real.

"Verkauf mir Bananen zum Aldi-Preis"

"Das Einkaufsvolumen der Ketten ist inzwischen so groß geworden, dass sie den Preis bestimmen können", sagt ein Exporteur. Die Mehrheit der deutschen Importeure sage ihm: "Verkauf mir Bananen zum Aldi-Preis minus oder plus ein Prozent." Aldi mache den Preis, "er unterliegt nicht den Gesetzen des Marktes".

Ein Vertreter des Verbandes kleiner Bananenproduzenten sagt in dem Oxfam-Bericht: "Die Macht in Deutschland haben die Supermärkte, die immer das Billigste kaufen wollen, wie Aldi und Lidl, zu Preisen, die so niedrig sind, dass kleine Produzenten nicht mithalten können." Die Ketten würden morgens per Fax sehen, welches Angebot das niedrigste sei, und das nähmen sie dann. "Sie kümmern sich um nichts anderes."

Spiegel Online hat alle Unternehmen mit den Vorwürfen konfrontiert. Die Antworten sind ausweichend, der Discounter Aldi Nord zum Beispiel teilt mit, ihm liege die Studie noch nicht vor. "Grundsätzlich setzen wir beim Bananeneinkauf auf faire Einkaufspraktiken, in denen der finale Einkaufspreis ausschließlich durch unsere Verhandlungen festgelegt wird." "Boni oder sonstige Vergünstigungen" erhalte man dabei nicht. Grundlage für die Verhandlungen sei der von der ecuadorianischen Regierung definierte "Mindestpreis in Höhe von 5,50 Dollar pro 18,14 Kilo Frucht". Das heißt: Die Verhandlungen beginnen bei einem Preis von rund 0,20 Euro pro Kilo.
Insgesamt fordere Aldi seine Geschäftspartner auf, "sich an unserem Leitbild einer sozial und ökologisch verantwortungsvollen Unternehmensführung zu orientieren". Oxfam kritisiert allerdings, zwischen solchen Allgemeinplätzen und der Wirklichkeit klaffe eine große Lücke. Wenn sich wirklich etwas an den ausbeuterischen Arbeitsbedingungen ändern solle, müssten die Supermarktketten "ihre Einkaufspraktiken gegenüber Lieferanten und Importeuren ändern und diesen angemessene Preise zahlen".

Außerdem müssten sie echte soziale Verpflichtungen eingehen und Gewerkschaften sowie Nichtregierungsorganisationen einbinden. Bislang seien Unternehmen in diesen Initiativen meist unter sich - was zur Folge habe, dass sich an den katastrophalen Zuständen kaum etwas ändere.