Gefährliche Avancen: Mit populistischen Parolen gegen Ausländer, Arbeitslose und Homosexuelle umwirbt Frankreichs Präsident Sarkozy das konservative Lager - und versucht, Sympathisanten des rechtsextremen Front National auf seine Seite zu ziehen.
merkel und sarkozy, rechts
© APGleich und Gleich gesellt sich gern?

Kanzlerin Merkel war etwas vorschnell: Als sie Anfang der Woche Seite an Seite mit Sarkozy versprach, sie werde den französischen Präsidenten im Wahlkampf unterstützen, hatte der sich noch gar nicht als Kandidat geoutet. Jetzt, sechs Tage nach dem Doppel-Interview von ZDF und France2, lässt Frankreichs Staatschef kaum noch Zweifel, dass er zur Wiederwahl antritt. "Ich habe gesagt, dass das Rendezvous näherkommt", orakelte Sarkozy im Wochenend-Magazin des Figaro, "es rückt heran".

Dabei wird es Zeit für den Präsidenten, in den Angriffsmodus umzuschalten. Seit Monaten liegt er in den Umfragen deutlich hinter François Hollande, dem Konkurrenten der Sozialistischen Partei (PS). "Wenn sich die Dynamik binnen des Februar erst einmal verfestigt", so Polit-Experte Brice Teinturier vom Forschungsinstitut Ipsos, "wird es schwer, den Vorsprung noch aufzuholen."

Zwar waren die Unterschiede zwischen dem staatsmännisch agierenden Führer der Nation und dem kämpferischen Wadenbeißer in den vergangenen Wochen kaum noch wahrnehmbar. Sarkozys wöchentliche Abstecher in die Provinz - jedes Mal einem bestimmten Thema gewidmet - sind nichts anderes als Werbeauftritte in eigener Sache. Und auch während seiner Ansprache an die Nation Ende Januar, für die der Elysée gleich acht Fernsehstationen verpflichten konnte, gebärdete sich Sarkozy bereits offen als Kandidat.

Es fehlte nur noch das Coming-out als offizieller Wahlkämpfer. Die Entscheidung so lange wie möglich hinauszuziehen, war ein Fehler. "Ich bin gewählt und bis zum letzten Tag meiner Amtszeit arbeite ich für Frankreich", hatte Sarkozy immer wieder betont. Doch was wie selbstloser Einsatz für die krisengeschüttelte Nation klingen sollte, wirkte eher wie ein PR-Manöver. Schlimmer noch: In den Erhebungen der Meinungsforscher litt die Glaubwürdigkeit des Staatschefs.

Anleihen beim rechtsnationalen Lager

Jetzt endlich hat Sarkozy Vorschläge für ein Wahlprogramm präsentiert - mit deutlichen Anleihen beim rechtsnationalen Lager. Was da im Figaro-Magazin ausgebreitet wird, markiert einen deutlichen Ruck nach rechts: Sarkozy wettert gegen die Homo-Ehen, gegen die Adoption durch gleichgeschlechtliche Partnerschaften und gegen Sterbehilfe. Ein lokales Wahlrecht für Ausländer lehnt er ab, die Abschiebung illegaler Immigranten soll indes erleichtert werden.

Den ideologischen Überbau zu den hinlänglich bekannten Anleihen aus dem Fundus des Front National bildet Sarkozys Motto: "Meine Werte für Frankreich." "Autorität", "Arbeit", "Verantwortung", zieren das "persönliche und kollektive Projekt" des Präsidenten für die nächsten fünf Jahre, hinzu kommt das Loblied auf Familie, Laizismus und die "christlichen Wurzeln Frankreichs". Mit den Entlehnungen aus dem Wörterbuch der Rechten gelang Sarkozy 2007 der Einzug in den Elysée. Jetzt sollen die aufgewärmten Parolen offenbar von den wirtschaftlichen Misserfolgen seiner Amtszeit ablenken - Kaufkraftverlust, Arbeitslosigkeit, Schuldenberg.

Dasselbe Motiv dürfte auch hinter dem Vorschlag stecken, per Volksabstimmung den Problemen der Republik zu Leibe zu rücken. Nach dem Willen des Präsidenten würden seine Landsleute darüber entscheiden, wie Auflagen für Immigranten verschärft werden; ein Referendum könnte aber auch festlegen, ob die Bezieher von Stützen künftig ein Job-Angebot oder eine Weiterbildung ablehnen dürfen. "Die Entschädigung wäre nicht länger eine Zuwendung, die man passiv bekommt, sondern eine Belohnung der öffentlichen Arbeitsämter im Gegenzug für eine Ausbildung, die der Arbeitsuchende erbringen müsste", erklärt Sarkozy seine Überraschungsidee, die umgehend auf Widerspruch stieß - sogar in der eigenen Regierung.

"Damit werden wieder einmal Arbeitslose und Ausländer stigmatisiert", rügte die Zeitung Libération und brandmarkte den Präsidenten auf der Titelseite als "Reaktionär". Eva Joly, Kandidatin der Grünen, sieht eine ganze Tranche von Mitbürgern an den Pranger gestellt und Jean-Christophe Lagarde vom Koalitionspartner "Neues Zentrum" konstatiert: "Das Referendum ist eine Technik zur Durchsetzung politischer Ziele - Probleme wie die Arbeitslosigkeit bekommt man damit nicht in den Griff." "Vulgäre Fälschung" nennt Wallerand Saint-Just, Vizechef des Front National, die abgekupferten Vorschläge Sarkozys und erinnert daran, dass der Präsident eine Volksabstimmung über die Rettungsaktionen für den Euro immer rundweg abgelehnt hatte.

Der attackierte Staatschef bleibt freilich bei seinem strammen Rechtskurs - in der Hoffnung, die wankenden Sympathisanten der Wertkonservativen hinter sich zu bringen. Deswegen soll auf den ersten Akt des Wahlkampfs schon Mitte der kommenden Woche die öffentliche Einsegnung des Kandidaten folgen: In Paris sind bereits Säle reserviert, am 19. Februar folgt eine Großveranstaltung in Marseille. Nach dem Auftakt erscheint auch ein neues Buch des Präsidenten, der bis zum ersten Wahlgang am 22. April mit einem Dutzend Auftritten den Stimmungswechsel herbeiführen will.

"Volksabstimmung? Warum hat er daran denn nicht früher gedacht", mokiert sich indes PS-Kandidat Hollande über den populistischen Vorstoß Sarkozys. Bei den Steuererleichterungen für die Reichen etwa, bei den Renten oder der Erhöhung der Mehrwertsteuer: "Ich bin sicher, welche Antwort ihm das französische Volk erteilt hätte." Und der Sozialist legt spöttisch nach: "Das nächste Referendum ist die Präsidentschaftswahl."