Nordeuropa war während der Eiszeiten von einem gigantischen Eisschild bedeckt, der alles Leben unmöglich machte. So weit die lange unstrittige Schulweisheit. Die moderne Genforschung hat nun allerdings Zweifel an dieser Überzeugung geweckt.

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Finnland, Norwegen und Deutschland konnte ein Forschungsteam des Kopenhagener Instituts für GeoGenetics beweisen, dass es Inseln des Lebens auch in den kältesten Zeiten gab (Science, Bd. 335, S. 1083).

Entlang von Küsten, auf Inseln sowie im Schutze von Bergrücken, die aus dem Eis ragten (Nunataks) gab es klimatisch günstige Refugien, an denen Nadelgewächse die harschen Zeiten überdauern konnten. Im Gegensatz zu den skandinavischen sind die heutigen grönländischen Nunataks allerdings ohne höheres Leben.

Die Kopenhagener Wissenschaftler untersuchten Sedimentkerne und Makrofossilien aus verschiedenen Gegenden Skandinaviens, die bis zu 22 000 Jahre alt sind, auf Reste von Erbgut. Dabei stellte sich heraus, dass Fichten und Kiefern auch zu diesem Zeitpunkt dort heimisch waren. Eine der untersuchten Stellen war die Insel Andøya in Nordwestnorwegen, die während des Pleistozäns dank der Nähe zum Atlantik eisfrei war. Ein anderer Fund stammt aus Trøndelag in Zentralnorwegen. »Damit ist bewiesen, dass die heute heimischen Arten nicht alle erst nach Ende der Eiszeit von Süden her nach Skandinavien einwanderten, sondern auch unter günstigen Bedingungen überleben konnten«, erläuterte der Institutsleiter, Eske Willerslev, die Bedeutung dieses Nachweises. Die Existenz solcher Oasen des Lebens stellt auch das bisherige Wissen zur Verbreitung und Anpassungsfähigkeit der Arten an den Klimawandel in Frage.

Weitere Untersuchungen sollen klären, ob es mit Hilfe einfacher DNA-Tests möglich ist, die skandinavischen Ur-Nadelbaumarten von den nach dem Ende der Eiszeit eingewanderten Arten unterscheiden zu können. Vermutet wird, dass sie verschiedene Eigenschaften durch die Klimaerfahrungen unter extremen Eiszeitbedingungen und in gemäßigteren Breiten haben. Bisher war beispielsweise angenommen worden, dass die verschiedene Härte bei Kiefern- oder Fichtenholz auf einfache individuelle Unterschiede zurückzuführen sind. Die neuen Ergebnisse deuten jedoch genetische Unterschiede an, die sich unter dem Zwang klimatischer Anpassung entwickelten. Falls weitere Forschungen dies bestätigen können, wird dieses Wissen wichtig sein bei Wiederaufforstungen.