Obama und Medwedew
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Es geschieht am Rande des Nukleargipfels in Südkorea. US-Präsident Barack Obama und Russlands Staatschef Dmitrij Medwedew sitzen sich am Montag gegenüber, zwecks Presse-Statement. Da beugt sich der Amerikaner nochmal vertraulich hinüber zum Russen, die Ellbogen auf die Knie gestützt.

Was er nicht weiß: Die Mikrofone sind angeschaltet, der Ton läuft. Plötzlich bekommt die Weltöffentlichkeit für ein paar Sekunden eine Kostprobe davon, was sonst hinter der so undurchdringlichen diplomatischen Kulisse passiert. Der US-Fernsehkanal CBS hat eine Mitschrift samt Video veröffentlicht.

Es geht um das umstrittene Raketenabwehr-Projekt der Nato in Europa, das Russland als Bedrohung auffasst. Nun versichert Obama seinem Gesprächspartner, dass die Frage der Raketenabwehr gelöst werden könne, “aber es ist wichtig, dass er mir Raum gibt”. “Er” - damit ist Wladimir Putin gemeint, der künftige Präsident Russlands und Medwedews Nachfolger.

“Ich verstehe”, sagt Medwedew, ebenfalls nach vorn gebeugt und auf die Ellbogen gestützt. Darauf Obama mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahl im November und auf eine offenbar schon sicher geglaubte zweite und damit letzte Amtszeit: “Das ist meine letzte Wahl. Nach meiner Wahl habe ich mehr Flexibilität.” Wieder sagt Medwedew: “Ich verstehe”. Obama klopft dem Gegenüber zwei Mal aufs Knie. “Ich werde diese Information an Wladimir weitergeben”, versichert Russlands Noch-Präsident. Obama nickt, beide lehnen sich zurück.

Als die Ton-Panne öffentlich wird, übt sich das Weiße Haus in Vorwärtsverteidigung. Das Wahljahr in den USA und Russland mache es eben schwer, die Differenzen über die Raketenabwehr zwischen den beiden Staaten gegenwärtig zu beseitigen, heißt es. Wenn Obama wiedergewählt werde, müsse er nicht noch einmal vor die Wähler treten. Heißt im Klartext: In einer möglichen zweiten Amtszeit müsste Obama weniger Rücksichten nehmen, könnte befreiter aufspielen - und so den Gegensatz zu Russland lösen. “Natürlich ist 2012 nicht das Jahr, in dem man den Durchbruch schaffen kann”, sagt Ben Rhodes, Obamas stellvertretender Sicherheitsberater.


Quelle: AFP/Der Spiegel/CBS vom 26.03.2012