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© Cleveland MNH/ Yohannes Haile-SelassieFußfragment der bisher unbekannten Vormenschen: Forscher um Yohannes Haile-Selassie vom Cleveland Museum of Natural History sind sich sicher, dass sie es bei dem Fund aus Äthiopien mit einer bisher unbekannten Vormenschenart zu tun haben. Dabei kennen sie nur acht Knochenfragmente.
Es sind gerade einmal acht Knochen. Doch der neue Fund lässt vermuten, dass vor rund 3,4 Millionen Jahren eine bisher unbekannte Vormenschenart in Afrika lebte. Im Gegensatz zu ihren bereits dokumentierten Verwandten hatten diese Vertreter ziemlich archaische Gehwerkzeuge.

London - Die Menge der Fundstücke ist überschaubar. Da sind der erste, der zweite und der vierte Mittelfußknochen und auch ein Teil des dritten Mittelfußknochens. Dazu kommen noch drei Zehenspitzen und ein mittlerer Knochen eines Zehs. Und das war es auch schon. Doch Forscher um Yohannes Haile-Selassie vom Cleveland Museum of Natural History sind sich sicher, dass sie es bei dem Fund aus Äthiopien mit einer bisher unbekannten Vormenschenart zu tun haben.

Die 3,4 Millionen Jahre alten Knochen unterscheiden sich deutlich von denen der bisher in der Region bekannten Vormenschenart, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin "Nature". Der nun gefundene Fuß sei affenähnlicher und weniger stark an den aufrechten Gang angepasst.

Bisher galt Australopithecus afarensis als einzige Vormenschenart, die in der Zeit vor drei bis vier Millionen Jahren in Afrika existierte. Bekannt wurde sie durch ein 1974 in Hadar in Äthiopien entdecktes Skelett, das "Lucy" genannt wird. Es gehörte einem etwa 1,05 Meter großen, aufrecht gehenden Vormenschen, der vor 3,2 Millionen Jahren lebte. Ob es sich - wie der Name nahelegt - tatsächlich um eine Frau handelte, ist nicht ganz klar.

Nun scheint klar, dass "Lucy" und ihre Familie Gesellschaft hatten: "Dieses Fußfossil ist der erste starke Beweis dafür, dass vor drei bis vier Millionen Jahren in Afrika mehrere verschiedene Typen von Vormenschen nebeneinander existierten", schreiben die Forscher.

Der Fuß der Australopithecinen war dem des modernen Menschen schon sehr ähnlich: Er hatte einen langen, parallel zu den anderen Zehen stehenden großen Zeh und ein stark ausgeprägtes Fußgewölbe. Beide Merkmale erleichtern das aufrechte Gehen und stabilisieren den Fuß. Die jetzt bei Ausgrabungen in der Afar-Region in Äthiopien entdeckten acht Knochen eines rechten Fußes zeigen diese modernen Merkmale noch nicht - obwohl sie mit 3,4 Millionen Jahren aus nahezu der gleichen Zeit stammen wie "Lucy".

Anderer Knochenbau, andere Art der Fortbewegung

Dem Fußskelett fehle die für Australopithecus typische Wölbung im hinteren Mittelfuß, berichten die Forscher. Außerdem sei der große Zeh kleiner, abgespreizt und könne wie ein Daumen den anderen Zehen gegenübergestellt werden. Wissenschaftler bezeichnen diese anatomische Konstruktion mit dem Begriff Opposition.

Insgesamt ähnele der nun beschriebene Fuß dem eines Gorillas oder des vor 4,4 Millionen Jahren lebenden, primitiveren Vormenschen Ardipithecus ramidus. "Die Fußknochen gehören zu einem anderen Vormenschen als Australopithecus afarensis. Er hatte einen anderen Knochenbau und daher wahrscheinlich auch eine andere Art der Fortbewegung", schreiben die Forscher.

"Lucy" und ihre Artgenossen seien bereits ebenso konsequent aufrecht gegangen wie wir. Demgegenüber habe sich der noch unbekannte Vormensch die Fähigkeit zum Greifen erhalten, obwohl auch er wahrscheinlich bereits aufrecht gehen konnte. "Dadurch konnte er sich im Wald besser kletternd fortbewegen", erklären Haile-Selassie und seine Kollegen.

"Wir benötigen jetzt noch mehr Fossilien, um herauszufinden, welcher Körper zu diesem Fuß gehört", schreibt Daniel Lieberman von der Harvard University in Cambridge in einem begleitenden Kommentar. Dann könne man besser verstehen, wie sich die Vormenschen damals bewegten und wie gut sie gehen, rennen und klettern konnten.

Entdeckt wurden die Fußknochen in Burtele, einem erst vor einigen Jahren neu erschlossenen Gebiet der Afar-Region in Äthiopien. In den zwischen 3,2 und 3,8 Millionen Jahre alten Gesteinsschichten seien in den letzten fünf Jahren neben zahlreichen Tierfossilien bereits mehrere Vormenschenrelikte gefunden worden, berichten die Forscher. Darunter waren ein Teilskelett eines Australopithecus sowie das jetzt untersuchte Fußskelett unbekannter Herkunft.

chs/dapd