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© dpaIm Internet ist der Mordaufruf eines Islamisten zu sehen. Nach dem Mordaufruf eines Islamisten an deutschen Rechtsextremisten hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen. Gegen den Islamisten Yassin Chouka alias Abu Ibrahim, der in einer Video-Botschaft zur Ermordung von Mitgliedern der rechtsextremen Partei Pro NRW aufruft, werde bereits seit längerem ermittelt.
Islamist rief via Internet zur Tötung von Mitgliedern der Splitterpartei Pro NRW auf. Behörden fürchten, dass auch konkrete Taten folgen könnten.

Berlin. Der Verfassungsschutz befürchtet nach dem jüngsten Drohvideo eines Islamisten Anschläge in Deutschland. „Es kann durchaus sein, dass dieses Video zum Anlass für Anschläge genommen wird“, sagte Präsident Heinz Fromm der Bild-Zeitung (Dienstag). Aus Berliner Sicherheitskreisen hieß es, junge Islamisten könnten sich aufgerufen fühlen, in Deutschland Gewalttaten zu verüben. Es gebe aber derzeit keine Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen.


Kommentar: Sie wissen noch nichts, aber zur Angsterzeugung ist es ausreichend. Diese Nachricht hat den Beigeschmack einer Inszenierung.


Schwarzes Kopftuch, gestutzter Bart, weites Gewand - nur ein Standbild ist von dem Bonner Islamisten Yassin Chouka zu sehen, als er untermalt von kriegerischen Gesängen seinen Mordaufruf formuliert. „Ihr sollt die Mitglieder der ’Pro NRW’ alle töten“, appelliert der Extremist mit dem Kampfnamen Abu Ibrahim im Internet an seine „Geschwister in Deutschland“. Der Mordaufruf gilt den Mitgliedern der rechtsextremen Partei „Pro NRW“, die mit Mohammed-Karikaturen demonstriert hatte, sowie Journalisten unter anderem des Spiegel, weil sie Demonstranten mit den Karikaturen gezeigt hatten. Die sieben Minuten lange Botschaft Choukas bereitet den Sicherheitsbehörden große Sorgen: Sie fürchten Anschläge in Deutschland, wenn radikale Islamisten dem Mordaufruf folgen.

Als besonders gefährdet gelten „Pro-NRW“-Mitglieder, Journalisten und Polizisten, die die Islamisten namentlich oder im Bild identifizieren können. Auch einen Anschlag auf weiche Ziele wie große Veranstaltungen halten die Ermittler jedoch für möglich. In seiner Video-Botschaft gibt Chouka potentiellen Attentätern gezielte Tips, wie sie ihre Opfer ausspähen und wann sie zuschlagen sollen. Er bedient sich damit Methoden, die den deutschen Ermittlern sonst nur im Bereich des Linksextremismus begegnen. „Das kannten wir bisher aus dem Dschihadismus nicht“, sagt ein hochrangiger Vertreter der Sicherheitsbehörden.

Chouka selbst dagegen ist ein alter Bekannter: Er stammt aus Bonn und hat sich nach Angaben aus Sicherheitskreisen 2007 der Islamischen Bewegung Usbekistans (IBU) angeschlossen, einer Extremistenorganisation mit engen Verbindungen zu Al-Kaida. In der Szene ist er hoch angesehen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Chouka soll sich mit seinem Bruder Mounir, gegen den ebenfalls ermittelt wird, in einem Terror-Camp der IBU im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet aufhalten.


In Sicherheitskreisen wird Choukas Mordaufruf als besonders gefährlich eingestuft, weil er sehr allgemein gehalten ist. Der Anlass war zwar der Konflikt zwischen reaktionären Salafisten und der rechtsextremen Partei „Pro NRW“. Doch jeder gewaltbereite Islamist kann sich angesprochen fühlen - vom Profi, der im Terror-Camp den Umgang mit Waffen und Sprengstoff gelernt hat, bis hin zu Amateuren und Einzeltätern, die sich im Internet radikalisieren und dann zur Tat schreiten. Zu letzterer Gruppe zählte etwa Arid Uka, der im März 2011 zwei US-Soldaten am Frankfurter Flughafen erschoss und damit den ersten erfolgreichen islamistischen Anschlag in Deutschland verübte.

Der Salafismus ist eine islamisch-fundamentalistische Strömung. Ihr Vorbild sind die „Vorfahren", arabisch „salaf", der ersten drei Generationen von Muslimen.

Solche Einzeltäter können eine größere Gefahr darstellen als die Profis, weil sie vor der Tat bei den Sicherheitsbehörden schlicht nicht auffällig werden. „Wir wissen nicht, wo ein Einzeltäter oder eine Kleinstgruppe bereitsteht, den Aufruf als Katalysator für einen ohnehin schon geplanten Anschlag zu nehmen“, sagt ein hochrangiger Sicherheitsexperte. Die Stimmung in der Islamisten-Szene sei momentan ohnehin sehr aufheizt. Eine Mehrheit der Salafisten betrachte es als gerechtfertigt, sich mit Gewalt gegen die Mohammed-Karikaturen zur Wehr zu setzen. Was Demonstrationen und die Berichterstattung in den Medien angehe, so sei bereits „bei geringfügigem Anlass mit einem Gewaltexzess zu rechnen“.

Im Gegensatz zu Einzeltätern, die sich zuhause im Internet radikalisieren, haben Polizei und Verfassungsschutz die Rückkehrer aus den Terror-Camps recht gut im Blick. „Die kennen wir, und auf die achten wir sehr“, sagt ein hoher Beamter. 130 Gefährder haben die Sicherheitsbehörden in Deutschland auf ihrer Liste stehen. Ein Gefährder ist jemand, dem die Experten einen Anschlag zutrauen, weil er in einem Ausbildungslager war oder selbst schon im Dschihad gekämpft hat. Unter den 130 Gefährdern sind 24 Salafisten, die den Gottesstaat mit Gewalt durchsetzen wollen. „Wir kennen ein paar, um die kümmern wir uns“, sagt ein Sicherheitsexperte. „Unsere große Sorge aber ist jemand wie Arid Uka“.

Den Druck auf die Salafisten-Szene haben die Behörden zuletzt erhöht: Erst vor ein paar Tagen durchsuchte die Polizei nach Angaben aus Sicherheitskreisen die Berliner Wohnung von Denis C., der früher unter seinem Künstlernamen Deso Dogg rappte. In letzter Zeit sorgte C. mehr mit islamistischen Kampfliedern für Aufruhr. Zudem warb er nach Angaben aus Sicherheitskreisen für ein gewaltsames Vorgehen der Salafisten auf den Straße.
(Reuters/dpa)