Noch ruhen die Hoffnungen auf dem Friedensplan von Kofi Annan. Nach dem Massaker von Hula denkt der US-Generalstabschef Martin Dempsey erstmals über ein militärisches Eingreifen in Syrien nach.
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© Shaam News/ReutersDie Toten des Massakers werden in Hula in einem Massengrab beerdigt
US-Generalstabschef Martin Dempsey erwägt erstmals ein militärisches Vorgehen gegen Syrien. "Wir sind bereit (militärische) Optionen vorzulegen, wenn wir danach gefragt werden", sagte der General in einem Interview des TV-Senders CBS. Allerdings fügte er ausdrücklich hinzu, dass es vor einer Diskussion über militärische Möglichkeiten diplomatischen Druck geben sollte.

Dempsey betonte, sein Job sei es nicht, Politik zu machen. Sache der Armee sei es, militärische Pläne zu liefern. Bislang haben US-Militärs sowie die US-Regierung es stets vermieden, in der Öffentlichkeit über militärische Aktionen gegen Syrien zu sprechen. Dempsey äußerte sich nach dem jüngsten Massaker mit mehr als 110 Toten in Syrien. "Die Ereignisse in Syrien über das Wochenende sind schlichtweg entsetzlich. Wirklich grauenhaft."

Zuvor hatte bereits US-Außenministerin Hillary Clinton die internationale Gemeinschaft aufgerufen, den Druck auf den syrischen Herrscher Baschar al Assad und "seine Spießgesellen" zu erhöhen. "Deren Herrschaft durch Mord und Angst muss ein Ende haben", forderte sie.


Obama will Putin ins Boot holen

Präsident Barack Obama strebt nach einem Bericht der "New York Times" in Syrien einen politischen Übergang wie im Jemen an. Sein Plan sehe vor, dass zumindest zeitweise "Überreste" des Regimes von Präsident Baschar al Assad an der Macht bleiben könnten, schreibt die Zeitung unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsbeamte. Einzelheiten wurden jedoch nicht genannt.

Obama wolle seinen Plan mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin beraten. Er habe das Thema bereits beim jüngsten G8-Gipfel mit dem russischen Regierungschef Dmitri Medwedew angesprochen. Dieser habe sich empfänglich für eine solche Lösung gezeigt, aber keinerlei Zusagen gemacht, berichtet das Blatt am Sonntag. Die russische Zustimmung sei aber entscheidend für eine Verwirklichung des Plans, heißt es.

Im Jemen hatte Langzeitpräsident Ali Abdullah Salih nach monatelangen Protesten die Macht Ende 2011 an seinen Stellvertreter Abed Rabbo Manur Hadi zunächst übergangsweise abgegeben. Später gewann Hadi die Wahlen. Bisher hat Russland schärfere Maßnahmen gegen das Assad-Regime stets abgelehnt.

Frankreich und Großbritannien drängen auf Konferenz

Frankreich und Großbritannien wollen eine Syrien-Konferenz einberufen. Das gab der Élyséepalast am Montag nach einem Telefonat zwischen dem britischen Premierminister David Cameron und dem neuen französischen Präsidenten François Hollande bekannt. Ein konkretes Datum für die "Konferenz der Freunde des syrischen Volkes" gab es zunächst nicht. Cameron und Hollande betonten, sie wollten den Druck der internationalen Gemeinschaft auf Syriens Präsident Baschar al Assad verstärken.

Beide Politiker hätten den Wunsch geäußert, gemeinsam mit Russland an einer Lösung der Krise zu arbeiten. Hollande werde am 1. Juni in Paris den russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen und mit ihm bei dieser Gelegenheit die Lage in Syrien besprechen.

Die übereinstimmende Meinung sei, dass der UN-Friedensplan "derzeit die einzige Hoffnung für Syrien ist, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen", sagte der britische Außenminister William Hague nach einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow. Es sei erschreckend, dass der Annan-Plan in einer derart "unbefriedigenden Weise umgesetzt" werde, sagte Lawrow nach dem Treffen mit Hague. Hague appellierte an seinen russischen Kollegen, mehr Einfluss auf Assad zu nehmen. Russland unterhält enge Beziehungen zu Syrien. Beide Minister kündigten an, die Bemühungen zur Umsetzung des Sechs-Punkte-Friedensplans auszuweiten. Dieser sieht neben einer Waffenruhe unter anderem die Entsendung von UN-Beobachtern und die Aufnahme eines politischen Dialogs vor. Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, es müsse mit Nachdruck auf eine politische Lösung hingearbeitet werden.

Russland sieht Schuld bei Regierung und Rebellen

Der UN-Sicherheitsrat erklärte nach einer dreistündigen Dringlichkeitssitzung, Teil der Angriffe in Hula seien Beschüsse durch Artillerie und Panzer der Regierung gewesen. Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant sagte, syrische Artillerie und Panzer seien zweifelsfrei für das Massaker verantwortlich. Nun sei es im Sicherheitsrat an der Zeit, "weitere Schritte" zu erörtern - ein verklausulierter Ausdruck für Sanktionen. Auch die anderen westlichen Staaten im Rat sowie die arabischen Länder sahen die syrische Führung hinter dem Massaker, nach dem UN-Beobachter vor Ort 108 Leichen zählten, darunter auch die von mindestens 32 Kindern unter zehn Jahren.

Ratsmitglied Russland erklärte, die Schuld liege sowohl bei der syrischen Regierung als auch bei den Rebellen. China sprach von "grausamen Tötungen", machte aber keine direkten Schuldzuweisungen. Der Annan-Plan müsse sofort und vollständig erfüllt werden. Russland und China hatten in der Vergangenheit zweimal Sicherheitsratsresolutionen verhindert, mit denen der Druck auf Assad erhöht werden sollte.

UN äußert sich nicht eindeutig

In einem Brief an den Sicherheitsrat verwies UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf die Untersuchungsergebnisse des UN-Beobachtereinsatzes in Syrien. Daraus ging hervor, dass schwere Waffen gegen Wohngebiete eingesetzt wurden. Die Regierungsgegner verfügen nicht über derartige Waffen. Allerdings seien bei einigen Leichen auch Wunden von Schusswaffen nachgewiesen worden, hieß es weiter. Dies könnte auf Angriffe von Soldaten nach dem Beschuss hindeuten oder aber auf eine Attacke durch die Rebellen.

Daher gebe es auch keine eindeutigen Beweise für eine Schuld der Regierung in Damaskus, sagte der russische UN-Botschafter Alexander Pankin. Die Lage sei undurchsichtig. Der Chef des UN-Einsatzes, Robert Mood, benannte am Sonntag keine Schuldigen. Die syrische Führung wies die Verantwortung für die Gewalttaten in Hula zurück. Großbritannien, Frankreich und Deutschland hätten Syrien mit einem "Tsunami von Lügen" überschwemmt, indem sie die Führung eines Massakers beschuldigten. Hinter den Taten steckten vielmehr Rebellen, die mit Mörsern und Panzerabwehrraketen ausgerüstet gewesen seien. Das Massaker hatte weltweit für Entsetzen gesorgt.

Annan sagte kurz nach seiner Ankunft in Damaskus, er hoffe auf "ernsthafte und offene Gespräche" mit Assad. Dieser müsse endlich seinen Friedenswillen unter Beweis stellen. Das syrische Außenministerium bestätigte, dass am Dienstag ein Treffen mit Assad angesetzt sei. Vor sechs Wochen war Annans Plan für eine Waffenruhe zwischen Regierungstruppen und Oppositionellen in Kraft getreten, die Gewalt hält aber an. Aktivisten zufolge geriet derweil am Montag auch die Stadt Hama unter Beschuss von syrischen Regierungstruppen. Dabei seien mehr als 40 Menschen getötet worden, unter ihnen mindestens acht Kinder.

swd/DPA/Reuters