Immobilienblase? Alles halb so schlimm, wiegelt die Branche ab und freut sich über eine Sonderkonjunktur im Zeichen der Euro-Krise und niedriger Zinsen. Doch während die Objektpreise stetig steigen, wird immer riskanter finanziert. Mittelfristig droht Deutschland eine Welle von Zwangsversteigerungen. Derweil ist die Immobilienkrise schon in den benachbarten Niederlanden angekommen.
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Wenn sich derzeit hochrangige Vertreter der Bundesbank oder andere Experten zur Situation am deutschen Immobilienmarkt äußern, dann klingen ihre Aussagen verwirrend widersprüchlich. Einerseits warnen sie vor den Risiken, die der gegenwärtige exzessive Immobilienboom birgt, auf der anderen Seite fügen sie gleich beschwichtigend hinzu, von einer gefährlichen Blasenbildung könne aber zumindest in Deutschland keine Rede sein.

Ein Beispiel für vernebelnde Rhetorik lieferte unlängst Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. Eine Immobilienblase vermag er derzeit noch nicht zu erkennen, weil diese in der Regel von einem übermäßigen Wachstum der Immobilienkredite begleitet werde. Dies sei in Deutschland bislang nicht der Fall. Der Bundesbanker fügte jedoch einschränkend hinzu: »Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass Anfangsphasen von Preisübertreibungen auch mit einem niedrigen Kreditwachstum einhergehen können.« Eigentlich gibt es also noch keine Immobilienblase. Aber faktisch vielleicht doch? Klartext klingt anders.

Dass sich sogar vermeintlich unabhängige Experten zieren, die fatalen Folgen des aktuellen Immobilien-Wahnsinns zu benennen, hat einen einfach nachvollziehbaren Grund: Auf diesem Markt wird richtig viel Geld verdient. Das Transaktionsvolumen im deutschen Immobiliensektor wird allein für 2013 auf 32 bis 36 Milliarden Euro geschätzt. Alle verdienen prächtig: Banken, Bauunternehmen, Handwerker, Bauträger, Makler, Notare und nicht zuletzt der Fiskus. Wer deren Kreise mit defätistischen Äußerungen stört, ist nicht unbedingt willkommen.

Doch die Alarmsignale sind nicht zu übersehen. Unglaubliche Summen an billigem Geld fließen seit Monaten in den Immobilienmarkt. Liquidität, die sich die Banken von der EZB ausleihen und die zu einem erheblichen Teil in die Immobilienfinanzierung fließt. Viele Institute sind nicht mehr sehr wählerisch, wenn es gilt, Häuser oder Wohnungen zu finanzieren. Auch wenn die Banken nicht gern darüber sprechen, so ist in der Branche doch bekannt, dass manche Geldhäuser inzwischen Immobilien zu 100 Prozent beleihen. Der Immobilien-Erwerber muss somit lediglich das Maklerhonorar, die Steuern und die Notarkosten mit Eigenmitteln bestreiten.

In den vergangenen Jahren ist die Eigenkapitalquote bei der Baufinanzierung stetig gesunken. Sie liegt bundesweit im Schnitt nur noch zwischen zehn und 15 Prozent, in einigen Regionen sogar darunter. Noch vor wenigen Jahren galt die Faustregel, dass selbstgenutzte Immobilien mindestens zu einem Drittel aus eigenen Mitteln bezahlt werden sollten.

Eine geringe Eigenkapitalquote ist gleich in zweierlei Hinsicht gefährlich: Überteuerte Immobilien werden extrem hoch - teilweise sogar zu 100 Prozent - beliehen. Platzt die Immobilienblase, büßt das Objekt deutlich an Wert ein. Das ausgegebene Darlehen ist dann nicht mehr in vollem Umfang gedeckt - und die Bank hält sich am Schuldner schadlos.

Zweitens gilt: Je niedriger die Zinsen, desto länger die Tilgungsdauer. Liegen die Zinsen bei sechs Prozent pro Jahr, ist das Objekt bei einer Standardtilgung von einem Prozent pro Jahr nach 30 Jahren schuldenfrei. Bei einem Zinssatz von nur vier Prozent dauert die Entschuldung zehn Jahre länger.

In der Regel wird nach zehn bis 15 Jahren die Anschlussfinanzierung fällig. Wer sich mit der Standardtilgung begnügt, hat bis dahin nur einen sehr geringen Teil seiner Schulden abgetragen. Sind die Zinsen bis zur fälligen Anschlussfinanzierung deutlich gestiegen - wovon nach Lage der Dinge auszugehen ist - schnellen die monatlichen Belastungen rapide in die Höhe. In zehn bis 15 Jahren droht daher eine Reihe von Zwangsversteigerungen.

Seriöse Bankberater empfehlen ihren Kunden, die Niedrigzinsphase unbedingt zu nutzen, um die Tilgungsrate auf zwei oder drei Prozent pro Jahr aufzustocken und somit das Anschlussfinanzierungs-Risiko zu verringern. Auch die Möglichkeit von Sondertilgungen während der Laufzeit des Darlehensvertrags sollte sich der Bankkunde einräumen lassen.

Die anhaltend niedrigen Zinsen und die davon ausgehenden Kaufanreize sind einer der Hauptgründe für die stark steigenden Immobilienpreise. In den größeren deutschen Städten erhöhte sich der Preis für Wohneigentum im vergangenen Jahr im Schnitt um 5,25 Prozent. Auch in den österreichischen Städten registrieren Experten eine Preisüberhitzung, vor allem in Wien, Salzburg und Linz. Neben den günstigen Finanzierungskosten treibt die Nachfrage aus den Ländern Südeuropas die Preise in die Höhe. Wohlhabende Bürger in den Krisenstaaten der Euro-Zone investierten ihr Geld vorzugsweise in Immobilien in Deutschland und teilweise in Österreich.

Doch nicht nur in den größeren Städten explodieren die Immobilienpreise, mittlerweile wird Wohneigentum sogar in den Mittelstädten ständig teurer. Ein Beispiel hierfür ist Trier, eine Stadt mit rund 105.000 Einwohnern und eher mäßigen Verkehrsanbindungen. Sowohl die Immobilienpreise als auch die Mieten zogen in den vergangenen Jahren deutlich an und erreichten das Niveau der Landeshauptstadt Mainz. Grund hierfür sind die extrem hohen Immobilienpreise im benachbarten Luxemburg. Viele Bürger aus dem Großherzogtum kaufen Objekte im nahegelegenen Trier.

Der erste Euro-Staat, in dem die Immobilienblase schon bald platzen könnte, sind die Niederlande. Dort summieren sich die Hypothekenschulden inzwischen auf 107,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Vor einigen Wochen musste die schwer angeschlagene niederländische Bank "SNS Reaal" verstaatlicht werden. Dafür flossen Steuergelder im Umfang von zehn Milliarden Euro.

Die sich abzeichnende Immobilienkrise im Nachbarstaat wird freilich in Deutschland kaum thematisiert. Schließlich will man potenzielle Käufer nicht verunsichern. So nimmt die Branche billigend in Kauf, dass schon mittelfristig eine große Zahl von Familien in den Ruin getrieben wird.