Ein Patent auf ein Virus? Die Kommerzialisierung medizinischer Forschung könnte den Informationsfluss blockieren und Menschenleben gefährden, warnte die Chefin der Weltgesundheitsorganisation. Einen Fall gibt es bereits.
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© ReutersIm Mittleren Osten hat ein im September entdecktes Virus Todesopfer gefordert.
Genf - Die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation hat vor einer Bürokratisierung und Kommerzialisierung bei der Erforschung neuer Infektionskrankheiten gewarnt.

Am Beispiel des kürzlich aufgetretenen Nahost-Atemwegs-Syndroms MERS machte Margaret Chan am Donnerstag auf der WHO-Jahresversammlung in Genf deutlich, wie ein Streit darüber, wem eine Probe eines neuen Virus gehört, das Leben von Menschen gefährden könne. An dem zuerst in Saudi-Arabien aufgetretenen Virus, das zunächst unter dem Namen Coronavirus firmierte, sind 22 Menschen gestorben.

„Warum sollten Ihre Wissenschaftler Proben an andere Labore schicken und anderen Leuten erlauben, sich geistige Eigentumsrechte an einer neuen Krankheit zu nehmen?“, fragte Chan. Bei der von ihr angesprochenen Kontroverse geht es um eine Probe des MERS-Virus, dass der saudiarabische Mikrobiologe Ali Mohammed Saki im vergangenen Jahr per Post an den Virologen Ron Fouchier am niederländischen Erasmus-Zentrum schickte.

Fouchier testete, sequenzierte und identifizierte im vergangenen September das neue Virus. Dann ließ sich sein privates medizinisches Zentrum den Krankheitskeim patentieren. Andere Forscher, die mit Proben des Virus arbeiten wollen, müssen damit erst eine Vereinbarung unterzeichnen, die auch eine Zahlung zur Folge haben könnte.

Saudi-Arabien hat erklärt, die Patentierung habe die Entwicklung von Diagnose-Verfahren und Bluttests verzögert. „Es hat eine Lücke von drei Monaten gegeben, in der wir nichts von der Entdeckung des Virus wussten“, sagte der stellvertretende saudiarabische Gesundheitsminister Siad Memisch der WHO-Versammlung. Die Probe sei ohne behördliche Erlaubnis an Fouchier geschickt worden. Es gibt noch keinen Bluttest zur Erkennung einer MERS-Infektion.

Der stellvertretende Generaldirektor der WHO für Gesundheitssicherheit, Keiji Fukuda, sagte, seine Behörde habe ebenfalls wegen möglicher Eigentumsrechte Probleme mit Diagnosen gehabt. Internationale Regelungen zum Teilen solcher Materialien seien falsch definiert.

Fouchier wies die Vorwürfe der WHO-Chefin zurück, die sich gegen jede Vereinbarung aussprach, die den schnellen Austausch von Informationen verhindern könnte oder Forschern und privaten Laboren die Möglichkeit einräumt, von diesen Informationen zu profitieren.

„Es gibt keine Restriktionen zur Benutzung eines Virus für die Forschung und Zwecke der öffentlichen Gesundheit“, schrieb er in einer E-Mail. „Es gibt nur Restriktionen bei der kommerziellen Nutzung und dem Weitergeben des Virus an dritte Parteien.“

ap