Dem 40-jährigen Jeff Olson drohen 13 Jahre Haft - sein Vergehen: Er schrieb im letzten Jahr mit wasserlöslicher Kreide bankenkritische Parolen auf Gehwege. Ein Richter verbot es seinem Anwalt, sich während der Verhandlung auf das Recht auf freie Meinungsäußerung zu berufen.
Justice, Gerechtigkeit
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Wie die Zeitung San Diego Reader am vergangenen Dienstag berichtete, hat ein Richter entschieden, dass Olsons Anwalt sich »während der Verhandlung nicht auf den ersten Verfassungszusatz, das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Öffentlichkeit, auf symbolische
Äußerungen die im Sinne künstlerischer Äußerungen als eine Art Rede verstanden werden oder politische Reden« berufen dürfe. Olson wird nun wegen Vandalismus in 13 Fällen angeklagt.

Zusätzlich zu der drohenden 13-jährigen Gefängnisstrafe könnte Olson wegen der bankenkritischen Parolen, die er mit abwaschbarer Kreide auf dem Gehweg vor drei kalifornischen Niederlassungen der Bank of Amerika (BoA) hinterlassen hatte, auch noch eine Geldstrafe in Höhe von 13 000 Dollar auferlegt werden. Die Großbank BoA erhielt von der amerikanischen Regierung 2008 bis 2009 45 Mrd. Dollar an zinslosen Krediten, um das Institut vor dem Untergang zu retten, der sich aufgrund fehlgeschlagener Finanzwetten anbahnte.

Der San Diego Reader berichtete weiter, die Anhörung im Falle Olson sei für den Angeklagten so ungünstig verlaufen, wie sein Rechtsanwalt vielleicht befürchtet hatte. Richter Howard Shore, der die Verhandlung leitet, entsprach dem Antrag der stellvertretenden Staatsanwältin Paige Hazard, dem Rechtsanwalt des Beklagten, Tom Tosdal, zu untersagen, sich im Verfahren auf den grundlegenden Ersten Verfassungszusatz zu beziehen, der das Recht auf Meinungsfreiheit und anderes garantiert. »Im Vandalismus-Gesetz des Staates kommen die Grundrechte des Ersten Verfassungszusatzes nicht vor«, entschied Richter Shore am vergangenen Dienstag. Beim Verlassen des Gerichtssaals konnte Olson diese Entscheidung immer noch nicht fassen. »Meine Güte, ich kann nicht glauben, dass so etwas möglich ist«, sagte er. Auch sein Anwalt Tosdal schien fassungslos. »Ich habe noch nie davon gehört, dass ein Gericht einen Bezug auf die Grundrechte des ersten Verfassungszusatzes verbieten kann«, meinte er.

Olson, der zuvor dem Stab eines Senators aus dem Bundesstaat Washington angehört hatte, soll im Zusammenhang mit dem Wachstum der Bewegung Occupy Wall Street zunehmend politisch aktiv geworden sein. Am 3. Oktober 2011 tauchte er erstmals mit einem Plakat vor einer Niederlassung der BoA in San Diego auf. Acht Tage später wurden Olson und sein Mitstreiter Stephen Daniels im Rahmen der Vorbereitungen auf den National Bank Transfer Day, an dem Verbraucherorganisationen landesweit dazu aufrufen, von kommerziellen Banken zu gemeinnützigen Kreditgenossenschaften zu wechseln, von Darell Freeman, dem stellvertretenden Chef des BoA-Sicherheitsdienstes Global Corporate Security, »ins Gebet genommen«. Der ehemalige Polizeibeamte Freeman warf Olson und Daniels vor, »vor der Bank privaten Geschäften nachzugehen«, wobei er sich offensichtlich auf die Aktivitäten am National Bank Transfer Day bezog. Damals waren die hohen Kreditkartengebühren der BoA einer der Faktoren, die dazu führten, dass sich Mitglieder von Occupy Wall Street der Forderung des Transfer Day anschlossen.

»Das waren leere Drohungen«, kommentierte Olson die Anschuldigungen Freemans. »Er wollte mich einschüchtern, damit ich gehe. Ehrlich gesagt, das erste Mal gelang es ihm auch. Ich rief sogar meine Bank an, und sie sagten mir dort, dass er so etwas nicht machen könne.« Olson protestierte weiter vor der Bank. Im Februar 2012 brachte er dann eine Schachtel mit Kreide mit, die er in der Drogerie vor Ort erstanden hatte, und begann, Parolen auf dem Gehweg zu hinterlassen. »Meiner Meinung nach bot dies die beste Möglichkeit, meine Botschaft dort zu hinterlassen. Das war viel besser, als Flugblätter zu verteilen oder ein Schild hochzuhalten«, sagte er weiter.

Im Laufe der kommenden sechs Monate erschien Olson an mehreren Tagen der Woche vor der Bank und hinterließ dort Parolen wie »Stoppt die Großbanken« oder »Stoppt die Verwahrlosung durch Banken«, denn oft lassen die Banken die Häuser nach einer Zwangsvollstreckung verwahrlosen. In einem Interview mit dem lokalen Fernsehsender KGTV erklärte Olson, eine Niederlassung der BoA behaupte, sie habe 6000 Dollar für die Entfernung der Slogans bezahlen müssen.

Aus öffentlich zugänglichen Unterlagen, die dem San Diego Reader vorliegen, geht hervor, dass Freeman weiterhin versuchte, im Interesse der BoA Druck auf die Polizeiabteilung gegen Bandenunwesen in San Diego auszuüben, etwas gegen Olson zu unternehmen, bis die Angelegenheit endlich bei der städtischen Staatsanwaltschaft landete.

Am 15. April informierte Paige Hazard Freeman: »Ich teile Ihnen hiermit mit, dass wir aufgrund der von Ihnen beschriebenen Zwischenfälle Anklage wegen Vandalismus in 13 Fällen erheben werden.«

Am kommenden Mittwoch soll die Verhandlung gegen Olson nach der Auswahl der Geschworenen beginnen.

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