Tabak zu Heilungszwecken
© PAIn Deutschland nimmt die Zahl der entzündlichen Darmkrankheiten stark zu: Bei Colitis ulcerosa können Zigaretten heilsam sein
In der Regel verschlimmern sich Darmkrankheiten durch Tabakkonsum, doch es gibt auch erstaunlich heilsame Wirkungen: Bei männlichen Patienten, die an Colitis ulcerosa erkrankt sind, verschlechtert sich der Zustand, wenn sie das Rauchen aufgeben. Eine neue Studie führt zu überraschenden Erkenntnissen.

Es gibt sie wirklich, jene Fälle, in denen der Arzt seinem Patienten dazu rät, bloß nicht das Rauchen aufzufgeben.Die Rede ist von jener Erkrankung, die sich durch fortwährenden Tabakkonsum positiv beeinflussen lässt: Sie heißt Colitis ulcerosa, es handelt sich um eine chronisch entzündliche Darmerkrankung. Der heilsame Effekt des Tabaks ist verblüffend: Stellen männliche Patienten das Rauchen ein, kommt es gewöhnlich zu einer Verschlimmerung des entzündlichen Geschehens in der Darmwand.


Kommentar: Die Molekularstruktur von Nikotin ist sehr ähnlich dem Acetylcholin, ein Neurotransmitter, der entzündungshemmende Aktivitäten im Körper auslöst. Acetylcholin-Rezeptoren werden auch durch Nikotin aktiviert. Daher kann gesagt werden, dass Nikotin enzündungshemmende Wirkungen hat. Die "vielfältigen Gesundheitsgefahren" des Tabaks kommen von den Tabak-Zusatzstoffen, weil Nikotin alleine keine süchtig machenden Eigenschaften hat. In herkömmlichen Zigaretten sind Abbrennhilfen, Feuchthaltemittel, Aromastoffe, Pestizide, Schwermetalle und Bleichmittel im Papier enthalten. Mit Naturtabak ist es möglich, die positiven Effekte von Nikotin zu nutzen, während die schädigenden Zusatzstoffe minimiert werden.


Die schlechte Nachricht: Diese Regel gilt nur für Männer - und nur in diesem einen Fall dieser relativ seltenen Darmerkrankungben. Normalerweise verschlimmern sich entzündliche Leiden des Darms durch Zigarettenrauch rapide. Morbus Crohn beispielsweise verschlechtert sich durch Tabak dramatisch - und zwar sowohl bei Frauen als auch bei Männern.

Warum entwickelt das Genussgift im Darm mal diese und mal jene Wirkungen? Wissenschaftler stehen vor einem Rätsel - das nun Stück für Stück zunehmend erklärbar erscheint. Eine klinische Studie beleuchtet jetzt einige neue Details des komplexen Zusammenspiels von Zigarettenrauch und chronisch-entzündlichen Leiden im Darm. Tamas Szamosi, Leiter der Studie und Darmspezialist am ungarischen Gesundheitszentrum in Budapest, gab die Ergebnisse auf einem Gastroenterologenkongress in der vergangenen Woche in Hamburg bekannt.

Untersucht wurde anhand von 500 Patienten, wie sich das Rauchen sowie eine Therapie mit sogenannten Immunmodulatoren wie Azathioprin oder Infliximab auf das Operationsrisiko bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa auswirkt. Den meisten Erkrankten steht nach zehn Jahren meist eine operative Entfernung der entzündeten Darmabschnitte bevor, denn eine medikamentöse Behandlung alleine ist oft nach so langer Zeit unzureichend, um die Krankheit zu heilen. Bei Rauchern mit Morbus Crohn ist bekanntlich das Operationsrisiko höher im Vergleich zu Rauchern mit Colitis ulcerosa.

„Bisherige Ansichten, wie sich das Rauchen auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen auswirkt, sind wahrscheinlich zu einfach“, sagte Szamosi auf dem Kongress.

„Tabakgewohnheiten alleine reichen nicht aus, um das Operationsrisiko einzuschätzen - man muss sich schon ein klinisches Gesamtbild verschaffen, und dazu gehört auch die jeweilige medikamentöse Behandlung“, teilte Szamosi den Gastroenterologen mit. Vergangene Studien erweckten den Anschein, dass die Wirkungen einer Therapie mit Infliximab möglicherweise von den Rauchgewohnheiten abhängig sei. Doch galt dies in Fachkreisen bislang als umstritten. Die Ergebnisse dieser Studie deuten nun eher darauf hin, dass jene Patienten, die mit dem Mittel therapiert wurden, deutlich seltener unters Messer mussten - egal, ob sie starke Raucher waren oder nicht.

Am schlimmsten wirkte sich laut Studie der Tabakgenuss bei Frauen mit Morbus Crohn aus. Auch bei jenen Crohn-Patienten, bei denen die erkrankten Darmabschnitte bereits durch fortgeschrittene Veränderungen stark verengt waren, verschlechterten Zigaretten den Zustand dramatisch - auf das Operationsrisiko wirkte sich der Tabak allerdings nicht aus.

Unter den Patienten mit einer ulcerativen Colitis, die operiert wurden, gab es dagegen keinen einzigen Raucher. Das entspricht der gegenwärtigen Annahme, dass das Rauchen diesen Patienten einen gewissen Schutz zu gewähren scheint.

Darmerkrankungen im Allgemeinen sind vor allem in den westlichen Industrienationen weit verbreitet und nehmen immer weiter an Häufigkeit zu, was sich nicht alleine durch genetische Faktoren erklären lässt. In Deutschland leiden rund 300.000 Menschen an Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Umweltfaktoren, wie auch das Einnehmen von Genussmitteln wie Tabak, spielen dabei sicherlich eine Rolle, vermuten Experten.