Seit 2001 widmet sich das Forschungs- und Informationszentrum neue Religion in Bayreuth christlichen Splittergruppen. Dessen Leiter Haringke Fugmann sieht in den Kleinkirchen keine Sekten.

Frage: In den USA haben Klein- und Freikirchen Tradition. Verändert sich auch unsere Kirchenlandschaft ?

Antwort: Derzeit lässt sich kein derartiger Trend feststellen. Es gibt aber immer wieder Abspaltungen von Gruppierungen, so dass laufend neue entstehen.

Frage: Handelt es sich bei den christlichen Kleinkirchen um Sekten ?

Antwort: Den Begriff Sekte gebrauche ich nicht gerne, er unterstellt, es würde sich um Extremisten oder Spinner handeln. Übrigens wird auch das frühe Christentum manchmal als eine Art Sekte bezeichnet. Ich spreche lieber von religiösen Strömungen.

Dennoch gibt es immer wieder Meldungen, die davon berichten, dass auf Mitglieder derartiger Kirchen psychischer Druck ausgeübt wurde.

Manche Gemeinschaften legen sicherlich einen hohen Wert auf persönliches Engagement. Es hängt vom einzelnen Menschen ab, ob er dies als Belastung empfindet. Übrigens haben auch einige Reformatoren des 16. und 17. Jahrhunderts klare Moralvorstellungen vertreten, die sie von Christen ihrer Zeit erwartet haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Gläubigen freiwillig zu christlichen Kleingruppierungen gehen. Es ist davon auszugehen, dass die Gemeinschaften den Mitgliedern etwas bieten.

Frage: Worin unterscheiden sich die Zeugen Jehovas, die Neuapostolische Kirche oder Freikirchen von Psychosekten?

Antwort: Psychosekten ist ebenfalls ein unklarer Begriff. Derartige Gruppen geben jedenfalls in der Regel vor, den Menschen mit speziellen Kursen erfolgreicher oder glücklicher zu machen. Dies lassen sie sich zahlen, zum Teil richtig teuer.

Die christlichen Kirchen wollen doch den Menschen ebenfalls weiterbringen, also verbessern.

Es gibt tatsächlich Strömungen im Fundamentalismus, die eine Art Wohlstands-Evangelium vertreten. Deren Kernaussage ist in etwa die, dass es uns gut gehen muss, wenn wir nur richtig glauben. Dieser Gedanke hat eine gewissen Ähnlichkeit mit dem Positiven Denken.

Frage: Sie sprachen die fundamentalistischen Bewegungen an. Sind die christlichen Kleinkirchen in Deutschland fundamentalistisch?

Antwort: Das kann man so pauschal nicht sagen. Es gibt gewiss derartige Strömungen, andere sind liberaler.

Frage: Kleinkirchen finanzieren sich über Spenden. Wird Druck auf Mitglieder ausgeübt, sich finanziell zu engagieren ?

Antwort: Das ist sehr unterschiedlich. Aber wir dürfen nicht vergessen: Dass einige Kirchen in Deutschland Kirchensteuern erheben, ist weltweit betrachtet nicht unbedingt der Normalfall. In den USA etwa finanzieren sich auch die großen Kirchen durch Spenden und freiwillige Abgaben. Und wir kennen das aus eigener Erfahrung: Wenn man weiß, was mit dem Geld geschieht, ist man durchaus bereiet, etwas zu geben.

Frage: Sehen die Großkirchen die kleinen Gruppierungen als Bedrohung an ?

Antwort: Nein. Manche Gruppierungen arbeiten in verschiedenen Dachorganisationen mit den großen Kirchen zusammen. Aber die evangelische und katholische Kirche missioniert die Mitglieder der Kleinkirchen nicht. Das Interesse gilt eher einem Dialog.

Das Gespräch führte Matthias Bäumler