© DerWesten.deIn Lybien versuchen Internet-Aktivisten in Blogs die Brutalität von Muammar al Gaddafi offen zu legen. Ein lebensgefährliches Unterfangen.
Die ganze Welt schaut auf Japan, das lenkt jedoch den Blick weg von Gewalttaten in Libyen. Dort versuchen Internet-Aktivisten in Blogs die Brutalität von Muammar al Gaddafi offen zu legen.
Ein lebensgefährliches Unterfangen. DerWesten stellt einige Blogs vor.
Muammar el Gaddafi führt Krieg gegen sein eigenes Volk. Er lässt den Aufstand für mehr Demokratie im Lande zusammenschießen. Die Zahl der Opfer soll immens sein. Die offizielle Propagandamaschine des Regimes verschweigt dies und bejubelt die Erfolge des Diktators. Objektive Berichte gibt es nicht. Aber immerhin gibt es Zeugen: In Chats, Blogs und Videos stellen sie eine Gegenöffentlichkeit her.
Diese Plattformen zeigen Mordtaten, Verstümmelungen, Massaker. Es sind unzensierte, brutale Bilder. Doch es geht hier nicht um Ästhetik oder Objektivität -
es ist ein Ruf an den Rest der Welt: Helft uns, hier geschieht großes Unrecht! Es geht darum, die Berichte über die Brutalität des Regimes zu verbreiten, damit ungefiltert schonungsloses Material über Libyen um die Welt geht, damit klar wird, dass die.Aufständischen Unterstützung brauchen. Wenigstens durch Nahrung und medizinische Versorgung:
„Urgent help needed for food an medical supplies“ ist einer der Hilferufe von libyschen Bloggern.
Doch die Internet-Aktivisten schweben in Lebensgefahr. Unter hohem Risiko sorgen sie für Transparenz im Land - mit Kritikern verfährt das Regime rigoros:
es drohen Gefängnis, Folter, Tod. Deshalb ist die Nachrichtenlage rar und nicht immer ist die Quellenlage bei den Blogs klar. Es ist schwer zu sagen, ob ein Blogautor tatsächlich direkt von Libyen aus berichtet, nur so tut oder abschreibt. Trotzdem ergibt sich ein Bild der libyschen Zustände aus einzelnen Nachrichten-Puzzleteilen. So widersprüchlich ist das Bild nicht und scheint einen Ausschnitt des wirklichen Geschehens abzubilden. DerWesten hat einige Puzzleteile unter die Lupe genommen.
Videos im Internet zeigen schreckliches Ausmaß„Misrata ist in diesem Aufruhr eine der am härtesten getroffenen Städte Libyens. Skrupellose Regierungstruppen haben willkürlich Zivilisten getötet, darunter ein Baby, was auf diesem Video aufgenommen worden ist.“ Das ist ein vom Englischen ins Deutsche übersetzte Wortlaut des Blogs „
Feb17th“. Dann folgt ein Video, was die schrecklichen Ausmaße der Kämpfe zeigt. Feb17th ist ein Blog der libyschen Jugendbewegung. Der 17. Februar ist von vielen Libyern als Tag des Zorns ausgerufen worden. Dort hatten die Aufstände gegen Gaddafi ihren Anfang gefunden.
Die Kämpfe in Libyen sind Kämpfe um Städte. Am Montag sollen Rebellen die Ölstadt Brega eingenommen haben, das geht aus dem Blog Feb17th hervor. Ein Rebell soll dem arabischen Sender Al Jazeera gesagt haben: „Heute haben bewaffnete Kräfte und die revolutionäre Jugendbewegung die Kräfte Gaddafis neu geordnet (...), die sehr schwach sind, weil sie nicht für eine Sache kämpfen. Die meisten von ihnen sind Söldner, die für Geld kämpfen. (...) Die Revolutionäre schafften es deshalb, so viele von ihnen zu töten und gefangen zu nehmen.“ (Aus dem Englischen übersetzt)
Auch „
Libyafeb17“ und „
Help Free Libya“ berichten über Geschehenes. Libyafeb17 zitiert Nachrichtenagenturen und Medien und stellt Videoaufnahmen hoch, Help Free Libya platziert bestätigte und unbestätigte Nachrichten. Eine Landkarten zeigt angebliche „befreite“ Regionen und Regionen unter der Kontrolle von Gaddafi. Viele Bilder und echt erscheinende Videos sind auf dem Blog
Anglo-Libyan zu sehen. „Murdered by Gaddafi“ - zwei Männer, die Gaddafis Kräfte getötet haben sollen, springen beim Öffnen des Blogs ins Auge. Wer nach weiter nach unten scrollt, sieht erschütterndes Videomaterial aus Libyen.
Politische Hintergründe der Autoren meist nicht klar„Qaddafi Forces Advance On Benghazi As ‘Final Phase Of Conflict’“, so „alphgenerator“ in einer Twitter-Meldung. Leiten Gaddafis Kräfte mit einem Angriff auf Bengahazi wirklich die „Endphase des Konflikts“ ein? Auf Twitter lassen sich sekündlich diese und andere Ereignisse in den bürgerkriegsähnlichen Zuständen nachlesen. Die Schlagwörter (Hashtags) #Libya, #feb17, #Tripoli führen zu weiteren Tweets. Doch auch hier ist nicht klar, wer der Autor ist und mit welchen politischen Hintergründen er twittert.
Weltbekannte Medien schärfen das Bild. Die arabischen Medien Al Jazeera und Al Arabiya (auf der jeweils englischen Website) und die britischen Medien BBC und the Guardian berichten laufend auf englisch über die Zustände im nordafrikanischen Land.
„In Libyen sind die Dinge noch nie normal gewesen“Facebook und Youtube sind wichtige und bekannte Plattformen für Berichte und Beweise von Bluttaten. Autoren liefern dort zahlreiche Videos und Gruppen, die ständig mit Neuigkeiten aus Libyen erweitert werden. Viel Zulauf haben offensichtlich zudem manche Blogs, hinter denen Einzelpersonen stehen.
Tarek Alwan, so beschreibt er es in seinem Blog, informiert eigentlich internationale Unternehmen, die am libyschen Markt interessiert sind. Doch auch auf seinen Seiten finden sich Videos von sterbenden Menschen und einem Massenbegräbnis.
Auch
KhadijaTeris Blog sollen bereits über 338 000 Menschen besucht haben. Allerdings seit Oktober 2004. „Ein normaler Tag in Tripolis“ titelt sie jüngst und schreibt weiter: „Eine Woche lang war ich nicht mehr außer Haus“. Eine alltägliche Erfahrung der Menschen in den libyschen Städten. „Ich möchte, dass endlich wieder alles normal wird“ soll sie zu einer Freundin gesagt haben. „In Libyen sind die Dinge noch nie normal gewesen“, soll die Freundin geantwortet haben.
Kommentar: Um zu verstehen, was genau in Lybien vor sich geht, empfiehlt Sott.net das Buch Politische Ponerologie von Andrew Lobaczewski. Es zeigt auf, welche Faktoren zusammenspielen, wenn Menschen sich gegenseitig unmenschlich behandeln.