Mundschutz bei radioaktiver Strahlung
© afpDie Japaner versuchen sich mit einem Mundschutz vor radioaktiver Strahlung zu schützen
Die Regierung Japans warnt ihre Bürger vor erhöhter Radioaktivität. Welche Dosis ist gefährlich, welche verursacht gesundheitliche Schäden? Ab welchem Wert tötet die ionisierende Strahlung sofort?

Radioaktive Stoffe finden sich in Böden, Gesteinen, der Atmosphäre, aber auch im menschlichen Körper. Medizin, Forschung und Technik nutzen natürliche radioaktive Stoffe gezielt oder erzeugen sie künstlich. Die Einheit Sievert misst die Strahlenbelastung des Menschen und berücksichtigt die unterschiedliche biologische Wirksamkeit verschiedener Strahlenarten. 1 Sievert ist bereits eine relativ hohe Dosis, üblicherweise vorkommende Werte liegen im Millisievert-Bereich. Zur Orientierung: Die Strahlung, der ein Bundesbürger pro Jahr ausgesetzt ist, beträgt durchschnittlich 4 Millisievert. Hier fließen die Werte natürlicher Strahlenexposition, die regional stark schwanken können, und medizinische Werte zusammen. Außerdem werden manche Berufsgruppen mit höheren Dosen ionisierender Strahlung belastet.

Dazu gehört beispielsweise fliegendes Personal. In Deutschland betrug für sie im Jahr 2008 die durchschnittliche Strahlenbelastung zusätzlich 2,3 Millisievert. Bei beruflich strahlenexponierten Mitarbeitern gilt nach der deutschen Strahlenschutzverordnung ein jährlicher Grenzwert von 20 Millisievert.

„Nach heutigem Kenntnisstand gibt es keinen unteren Grenzwert, ab dem ein gesundheitliches Risiko ausgeschlossen werden kann“, sagt Horst Zitzelsberger. Der Strahlenbiologe leitet die Abteilung für Strahlenzytogenetik am Helmholtz Zentrum München. Das gesundheitliche Risiko hänge von vielen Faktoren ab: von der Art der Exposition (extern über die Luft oder inkorporiert über die Nahrung), aber auch vom Alter des Betroffenen. Für Kinder ist die Strahlenbelastung riskanter als für Erwachsene, weil sie sich im Wachstum befinden und sich ihre Zellen noch viel häufiger teilen. „Was man aber sicher sagen kann, ist, dass das gesundheitliche Risiko mit zunehmender Dosis ansteigt“, sagt der Wissenschaftler.

Schädigung der Körperzellen und des Erbguts

Sehr hohe Dosen ionisierender Strahlung führen zuerst einmal zu Symptomen wie Kopfschmerz, Übelkeit oder Erbrechen. Zur akuten Strahlenkrankheit kommt es laut Bundesamt für Strahlenschutz (BFS) ab einer Dosis in Höhe von etwa 500 Millisievert für Erwachsene. Kinder zeigen die Symptome schon bedeutend früher, etwa ab der Hälfte dieses Werts.

Nach einem Reaktorunfall wirken hohe Dosen ionisierender Strahlen auf die Körperzellen ein. Sie zerstören Zellbausteine und bringen Körperzellen zum Absterben. Die Strahlenkrankheit ist die Folge eines massiven Zellsterbens in einem Organ- oder Gewebesystem, das auf einen dauernden Zellnachschub aus dem Stammzellenvorrat des Körpers angewiesen ist. Dazu gehören insbesondere das blutbildende System (Knochenmark), die Haut und die Schleimhaut des Magen-Darmtrakts.

Aber auch schon niedrigere Dosen schädigen das Erbgut (DNA). Es drohen Veränderungen der Erbinformation, die mit der nächsten Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben werden. Je größer die Schäden an der DNA sind, desto höher ist langfristig das Risiko für Krebs.

Tödliche Dosis ionisierender Strahlung

Zu den Symptomen eines akuten Strahlenschadens zählen unter anderem Rötungen und verbrennungsähnliche Erscheinungen der Haut (Erythem), Haarausfall, Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit und Blutarmut (Anämie). Eine allgemeine Therapie existiert für diese Probleme nicht, es gibt lediglich die Möglichkeit, die zerstörte Haut durch Transplantationen zu ersetzen oder mit einer Stammzelltherapie die Funktion des Knochenmarks und damit des blutbildenden Systems wiederherzustellen.

Überschreitet das Ausmaß des Zelltods in einem Gewebe oder Organ ein gewisses Maß, geht es zugrunde. Ein Wert von etwa 4 bis 5 Sievert gilt als LD-50 für ionisierende Strahlung. Der Wert bezeichnet die letale Dosis, mit der die Hälfte der Menschen stirbt, die damit bestrahlt wurde. Die absolut letale Dosis ionisierender Strahlung beträgt etwa 8 Sievert . (Atombombenopfer starben bereits nachdem sie eine höhere Dosis als 6 Sievert bekommen hatten, es gab aber auch schon einzelne Strahlenunfälle, die manche Opfer noch eine bestimmte Zeit überlebten.

Bleibt die Strahlendosis unter dem Schwellenwert von etwa 500 Millisievert, dann tritt laut BFS zwar kein akuter Schaden auf. Experten vermuten aber spätere Gesundheitsprobleme, darunter Tumoren, Leukämien, aber auch Herz-Kreislauf-, Magen-Darm- oder Augenleiden. Nach dem Super-Gau von Tschernobyl bekamen beispielsweise bedeutend mehr KinderSchilddrüsenkrebs. Üblicherweise erkrankt ein Kind von einer Million daran. In den am stärksten kontaminierten Regionen von Weißrussland und der Ukraine traf es danach 100 bis 150 Kinder von einer Million.

Haben sich die radioaktiven Wolken verzogen und ist damit die externe Einwirkung der Strahlen auf den Organismus vorbei, folgt häufig ein weiteres Gesundheitsrisiko. Es besteht in der Inkorporation der radioaktiven Elemente, also darin, dass Menschen über längere Zeit immer wieder kontaminierte Lebensmittel essen und belastetes Wasser trinken. Das war beispielsweise nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl der Fall. Die Bewohner der betroffenen Gebiete tranken weiter die Milch der Kühe, die das verseuchte Gras aßen, jagten Wild und sammelten belastete Pilze. Sie hatten keine andere Wahl, denn andere Lebensmittel gab es nicht. Hier haben die Menschen in Japan einen Vorteil: Falls es dort zum Super-Gau kommen sollte, reichen vermutlich die finanziellen Mittel aus, auf importierte Nahrungsmittel auszuweichen.