Es ist womöglich ein Sensationsfund: Im Tresor einer Schweizer Bank wurde ein Gemälde entdeckt, das von Leonardo da Vincis stammen könnte. Bislang war das Werk in der Kunstwelt bloß ein Mythos.

Bild
© Corriere della SeraBei der Frau auf dem unbekannten Gemälde von Leonardo da Vinci (l.) soll es sich um die berühmten Renaissance-Mäzenin Isabella d'Este handeln. Es gab bislang nur eine Skizze
Das Bildnis der Mona Lisa ist vielleicht das berühmteste Werk Leonardo da Vincis. Aber im Pariser Louvre gibt es noch ein zweites Frauenporträt, das die Neugier der Kunstwelt weckt. Es ist eine Profilzeichnung von Isabella d'Este, einer herausragenden Persönlichkeit der italienischen Renaissance und entstand etwa um 1500. Die Frau des Markgrafen von Mantua wünschte sich seinerzeit ein Gemälde in Farbe von Leonardo. Über Jahrhunderte rätselten Experten, ob neben der Skizze mit Kohlestift auch das "wirkliche Porträt" existiert.

Womöglich ist das Rätsel jetzt, nach einem halben Jahrtausend, gelüftet. Die italienische Tageszeitung Corriere della Sera verkündete den Sensationsfund: In einem Banktresor in der Stadt Turgi im Schweizer Kanton Aargau soll das Bildnis von Isabella d'Este aufgetaucht sein. Es befinde sich im Privatbesitz einer italienischen Familie, die in Mittelitalien und in der Deutschschweiz lebe und deren Sammlung rund 400 Kunstwerke umfasse.

Die Zeitung druckte ein Foto des Bildes. Isabella d'Este trägt ein rot-schwarzes Gewand, das mit goldenem Ornat bestickt ist. Sie trägt eine Krone uns hält einen Zweig in der Hand. Das Lächeln ist geheimnisvoll wie das der Mona Lisa.

Experten schließen Fälschung aus

Die Familie hat das Werk bereits prüfen lassen. Seit dreieinhalb Jahren ist die Wissenschaft eingeschaltet. Das Analysezentrum für Kulturgüter in Florenz überstellte das Gemälde an ein Labor im amerikanischen Bundesstaat Arizona. Eine Massenspektrometrie bestätigte, dass das Gemälde mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 95 Prozent zwischen 1460 und 1650 entstanden ist. Das deckt sich mit Leonardos Lebenszeit (1452-1519) ab.

Eine moderne Fälschung sei ausgeschlossen, schreibt die Zeitung. Carlo Pedretti, Direktor für Da-Vinci-Studien am Hammer Museum in Los Angeles und einer der renommiertesten Leonardo-Experten weltweit, hat das Werk begutachtet und hält es für echt: "Die Leinwand ist authentisch." Wirklich zertifiziert ist die Echtheit damit allerdings noch nicht. Die Untersuchungen seien erst am Anfang. Weitere Sachverständige müssten zu Rate gezogen werden, schreibt die Zeitung.

Vorsicht ist auf jeden Fall geboten. Leonardo da Vinci hat mehrere Frauenporträts gezeichnet, um die sich Geheimnisse und atemberaubende Geschichten ranken. Kunsthistoriker schrieben Leonardo in der Vergangenheit immer wieder Werke zu. Zu seinen bekanntesten Frauenporträts werden heute die "Dame mit dem Hermelin", das "Bildnis der Ginevra de' Benci", "La belle ferronière" und die "Schöne Prinzessin" gezählt.

Die "Schöne Prinzessin" tauchte vor einigen Jahren bei einer Versteigerung auf. Zuerst wurde das Werk für ein deutsches Gemälde aus dem 19. Jahrhundert gehalten. Dann fand man einen Fingerabdruck am oberen linken Rand, der einem anderen auf einem Da-Vinci-Werk im Vatikan ähnelt.

Bekam die Dame ihren Willen?

Sollte das Bildnis aus der Hand Leonardos stammen, würde das einmal mehr die Kunstleidenschaft und die Durchsetzungskraft von Isabella d'Este unterstreichen. Leonardo Da Vinci weilte um 1499 in Mantua am Hof des Markgrafen Gonzaga, des Ehemannes von Isabella. Er versprach ihr, ein Porträt zu malen, hielt das aber nicht ein.

Isabella ließ nicht locker und schrieb über Jahre Briefe, in denen sie sich beklagte und an das Universalgenie appellierte. Gut möglich, dass er sie dann in den Jahren 1513 bis 1516 erhörte.

Isabella war als Gast der Medici in Rom, während Leonardo im Dienste des Vatikans stand. "Es ist undenkbar, dass Isabella in dieser Zeit Leonardo nicht sehen wollte", sagt Kunsthistoriker Pedretti. Jetzt deutet vieles daraufhin, dass die imposante Dame ihren Willen bekommen hat.