Ms Nuland
Victoria Nuland
In Zeiten beständiger Kritik an den Abhörpraktiken der US-Geheimdienste sind die USA nun offenbar selbst in die Falle getappt. Für Washington ist klar, dass hinter dem veröffentlichten Telefonmitschnitt mit dem „Fuck the EU“-Sager der US-Diplomatin Victoria Nuland nur Russland stehen kann. Die USA wollen vom Dissens mit den Europäern nichts wissen, ganz im Gegenteil.

Denn trotz der abfälligen Bemerkung der US-Europabeauftragten sieht die US-Regierung in der Ukraine-Politik (in diesem Kontext fand das Telefonat mit dem US-Botschafter in der Ukraine statt, Anm.) keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten mit der EU. Die Frage, ob der Vorfall eine tiefe Kluft zwischen den USA und der EU erkennen lasse, verneinte Außenamtssprecherin Jennifer Psaki am Freitag entschieden: Die US-Regierung arbeite „eng“ mit der EU zusammen. „Natürlich“ stimmten beide Seiten aber nicht „über jeden Bestandteil von jedem Schritt zu jedem Augenblick“ überein. Dafür sei das Thema „zu komplex“.

„Augenblicke kleiner Frustration“

„Unser Verhältnis zur Europäischen Union hat sich fortentwickelt“, so Pskai weiter. Zudem gebe es in jeder Beziehung „Augenblicke kleiner Frustration“. Nuland hatte in einem als privat bezeichneten Gespräch mit dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, „Fuck the EU“ gesagt. Das Telefonat war heimlich mitgeschnitten worden, das Entsetzen in Europa war im ersten Moment groß. Pskai warf Russland mit scharfen Worten vor, den Mitschnitt lanciert zu haben. „Das ist ein neuer Tiefstand der russischen Spionagetaktik“, betonte die Außenamtssprecherin.


Kommentar: Eine witzige Behauptung, wo vor allem die USA seit Jahren Russland schlecht darstellt und zudem Politiker abhört, neben sämtlichen Bürgern der Welt.


Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die undiplomatische Äußerung Nulands als „absolut unakzeptabel“ und betonte, die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mache in der Ukraine einen „hervorragenden Job“. Zudem rief Merkel zu einem einheitlichen Auftreten „im Sinne der Menschen in der Ukraine“ auf. Die EU und die USA verfolgten dort „absolut die gleichen Ziele“, was die Bürgerrechte und die Demokratie anbelange.

„Alte russische Art der Desinformationspolitik“

Doch es häufen sich Stimmen, die weniger auf die Entgleisung Bezug nehmen, sondern mehr auf den vermuteten Hintergrund der Veröffentlichung. Ein Beispiel dafür lieferte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok. Der deutsche CDU-Politiker verwies - wie Pskai - auf die Verantwortung der Russen: „Der Trick, Amerikaner und Europäer durch abgehörte Telefonate aufeinanderzuhetzen, ist die alte russische Art der Desinformationspolitik“, sagte Brok der Zeitung Die Welt (Samstag-Ausgabe).


Kommentar: Wohlgemerkt; westliche Mächte inszenierten Terroranschläge in Russland. Und es ist interessant, die Reaktionen zu sehen, wenn Amerika mehr oder weniger in flagranti erwischt wurde.


Die EU müsse besonnen reagieren, auch wenn es einen gewissen Ärger über die Äußerungen Nulands gebe. Zwar solle man nicht so über Europa reden, wie sie es getan habe. „Aber sie hat sich entschuldigt, das ist wichtig“, sagte Brok. Einen Kommentar zu ihrer Äußerung hatte Nuland am Freitag allerdings abgelehnt. Sie werde sich nicht „zu einer privaten diplomatischen Unterhaltung“ äußern. Nach Angaben des US-Außenministeriums hat sie sich jedoch tatsächlich entschuldigt. Auch Ashtons Sprecherin sagte: „Wir geben keinen Kommentar ab zu durchgesickerten angeblichen Telefongesprächen.“

„Etwas rausgerutscht, was sie nicht so meint“

Nuland hatte während des mitgeschnittenen Telefonats zudem gesagt, dass sie den ukrainischen Oppositionsführer Witali Klitschko in keiner künftigen Regierung des Landes sehe. Auch der Angesprochene nahm Nuland in Schutz: „Ich kann die Aufregung nicht richtig verstehen, denn ich schätze Victoria Nuland sehr“, schrieb er in einem Gastbeitrag für die Bild-Zeitung (Samstag-Ausgabe). Wie auch viele EU-Vertreter habe sie sich sehr um ein Ende des Konflikts in der Ukraine bemüht. „Ihr ist in dem Telefonat etwas rausgerutscht, was sie sicherlich so nicht meint“, schrieb Klitschko.


Kommentar: Vitali Klitschko nimmt in der Ukraine eine sehr pro westliche Rolle ein und das sollte beachtet werden.


„Und was ihre Aussage über mich angeht: Ich sehe das ja genauso wie sie!“ Unter Janukowitsch werde er kein Regierungsamt annehmen. Man müsse sich aber fragen, wie es sein könne, „dass Vermittler und Botschafter abgehört und ihre Telefonmitschnitte im Internet zur Propaganda verwendet werden.“ Nuland selbst geht nicht davon aus, dass die Äußerungen die Beziehungen zu den Oppositionsführern in der Ukraine belasten. Diese wüssten ganz genau, dass die USA für eine gewaltlose Lösung des Konflikts einträten, sagte sie.

Mobiltelefone ohne Sprachverschlüsselung

Doch über eines wird in den USA wohl noch länger diskutiert werden - nämlich über die Sicherheitsstandards bei der Kommunikation von Regierungsmitarbeitern. Alle Angestellten des US-Außenministeriums verfügten laut Psaki über ein Blackberry-Diensthandy mit Datenverschlüsselung, „sie haben allerdings keine Sprachverschlüsselung“, fügte die US-Außenamtssprecherin zur Verwunderung vieler hinzu. Als geheim eingestufte Gespräche dürften laut den Richtlinien des Ministeriums nicht über diese Mobiltelefone geführt werden.

Sie vertraue auf die Sicherheit der diplomatischen Kommunikation, betonte Psaki. Das Außenministerium überprüfe regelmäßig seine Vorsichtsmaßnahmen. Mitarbeiter würden auf mögliche Risiken hingewiesen. Auf die Frage, ob US-Außenminister John Kerry ein Mobiltelefon mit Sprachverschlüsselung nutze, wollte Psaki nicht näher eingehen.