Die Regierung Syriens ist zurückgetreten. Präsident Baschir al Assad nahm den Rücktritt der Kabinettsmitglieder an, wie das syrische Staatsfernsehen berichtete. Al Assad selbst ist nicht zurückgetreten. Die alte Regierung wird, bis ein neues Kabinett gebildet wurde, ihre Arbeit fortsetzen.

Offenbar um den Volkszorn zu besänftigen, ist am Dienstag das syrische Kabinett zurückgetreten. Staatspräsident Baschir al Assad habe den Rücktritt des 32-köpfigen Kabinetts unter Führung von Nadschi al Otari angenommen, berichtete das staatliche Fernsehen. Bis zur Bildung einer neuen Regierung wird das Kabinett aber seine Arbeit fortsetzen. Die Rücktritte betreffen nicht al Assad selbst, der einen Großteil der Macht in dem autoritären syrischen Regime hält.

Stunden vor der Entscheidung des Kabinetts waren hunderttausende Unterstützer des Regimes in der Hauptstadt Damaskus, den nördlichen Provinzen Aleppo und Hasake und in den Städten Hama und Homs auf die Straßen gegangen. Die von der Regierung unterstützte Protestaktion galt als „Marsch der Loyalität gegenüber der Nation“.

Assad steht vor der größten Herausforderung seiner elfjährigen Herrschaft, nachdem sich die Proteste gegen seine Regierung am Freitag vom Süden auf andere syrische Städte ausbreiteten. Sicherheitskräfte gingen hart gegen die regierungskritischen Demonstranten vor. Sie eröffneten das Feuer in mindestens sechs Städten, unter anderem in der Hauptstadt Damaskus und in der Hafenstadt Latakia. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kamen seit dem 18. März mindestens 61 Menschen bei den Protesten ums Leben.

Es wurde auch erwartet, dass Assad sich in Kürze an die Menschen wendet und das Ende des verhängten Notstands verkündet. Angesichts der andauernden Proteste hat Assad, dessen Familie Syrien seit vier Jahrzehnten kontrolliert, Zugeständnisse an die Demonstranten angekündigt. Dazu zählen die Aufhebung des seit fast 50 Jahren geltenden Notstands und die Abschaffung anderer Einschränkungen von Bürgerrechten und politischen Freiheiten.

Anhänger Assads fordern nationale Einheit

Anlässlich der Massenkundgebungen für die Regierung hatten Schulkinder am Dienstag den ganzen Tag, Bankangestellte und andere Arbeitnehmer zwei Stunden freibekommen, um sich an den Demonstrationen zu beteiligen. Angesichts der Unruhen, bei denen die seit langem herrschenden Spannungen in Syrien eine große Rolle spielen, riefen die Demonstranten zu nationaler Einheit auf.

Die 36-jährige Demonstrantin Dschinane Adra sprach von einer „Verschwörung gegen Syrien“. „Die Menschen in Syrien sind eins, es gibt keinen Platz für religiöse Spaltungen zwischen uns“, sagte sie.

Auf dem zentralen Platz in der Hauptstadt Damaskus skandierten Demonstranten „Das Volk will Baschir al Assad!“ Männer, Frauen und Kinder versammelten sich vor einem großen Bild Assads, das vor kurzem am Gebäude der Zentralbank aufgehängt wurde.