Vor kurzem habe ich einen Artikel veröffentlicht, in dem ich über die Tatsache berichtete, dass Ungesundes als gesund verkauft wird und die Medien dabei ganze Arbeit leisten. Aber auch das Gegenteil trifft zu; Gesundes wird als ungesund dargestellt. Zum Beispiel kursiert die Behauptung: "Fleisch, Milch und Käse so ungesund wie Rauchen".
bacon
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Überschriften wie diese begegnen uns immer wieder, und der Reiz solche absoluten Aussagen für bare Münze zu nehmen, d.h. kritiklos zu akzeptieren, da sie von "Autoritäten" stammt, scheint für viele Menschen sehr groß zu sein. Immerhin ist es doch viel bequemer, anderen einfach zu glauben, anstatt selber zu recherchieren. Was vielen nicht klar ist, dass dieser "blinde Glaube" sehr negative und schädliche Auswirkungen auf sie haben kann und letztendlich auf ihre Gesundheit. Denn sobald man solche Studien näher betrachtet und wie genau sie zu ihren Ergebnissen gekommen sind, und vor allem, wer solche Studien finanziert, wird das Ausmaß offensichtlich, in dem unser aller Wohlergehen aufs Spiel gesetzt wird.

Die Überschrift basiert auf einer Studie, die im Fachmagazin Cell Metabolism veröffentlicht wurde. "Geringe Protein-Aufnahme wird assoziiert mit einer großen IGF-1 Reduzierung, Krebs und einer allgemein geringeren Sterblichkeit von unter 65jährigen, jedoch nicht älteren Population" (freie Übersetzung des Titels). Auf diese Meldung stürzten sich einige Medien (The Telegraph, Forbes, Apo-Net...) und verallgemeinerten es mit der Aussage: "Fleisch essen ist so ungesund wie Rauchen", "Proteinreiche-Ernährung könnte erhöhtes Krebsrisiko haben".

Details unter der Lupe

Sehen wir uns ein paar Details aus der genannten Studie an.
Durchschnittlich konsumierten die Probanden 1.823 Kalorien, von denen der Großteil Kohlenhydrate ausmachten (51%), gefolgt von Fett (33%) und Proteinen (16%), wovon die meisten Eiweiße (11%) von Tieren stammten. (S. 408)
Natürlich müssen die Probanden Krebs bekommen, wenn die standardisierte Ernährung vor allem mit einem großen Anteil an Kohlenhydraten weiterhin fortgesetzt wird. Denn Kohlenhydrate können für Krebs verantwortlich sein. Auch sind andere Faktoren wie Gluten, Soft-Drinks und Transfette ebenso schädlich und sind trotzdem weiterhin ein großer Bestandteil der herkömmlicher Ernährung. Besonders die Kombination von Fetten und Kohlenhydraten ist nicht zu empfehlen, da dies zu Fettleibigkeit und zu einer ganzen Reihe von anderen Erkrankungen führen kann. Es ist auch schwer nachzuvollziehen, wie man ein Detail - die Proteine in diesem Fall - als Ursache ansehen kann, wenn andere Faktoren, die ich oben kurz nannte nicht ausgeschlossen werden können und Eiweiße nur eine Teilmenge der Ernährung sind. Genauso wie beim Rauchen, wo Tabak als die alleinige Ursache für Krebs erklärt wird, aber andere schwerwiegende Faktoren ignoriert werden. Deswegen ist nach Statistikern ein kontrolliertes Experiment die sogenannte Königsklasse, bei dem alle Faktoren bestimmt werden und somit die besten Voraussetzungen dafür geschaffen werden, um an signifikante Daten zu gelangen. Aus diesem Grund sind radikale Behauptungen mit Vorsicht zu genießen.

Gehen wir weiter in der Studie und schauen uns die Verteilung der Untersuchungsgruppe an:
  • Hoher Protein Konsum wurde mit mehr als 20% der täglichen Kalorien angerechnet (1,146 Probanden)
  • Mäßiger Protein-Konsum wurde mit 10-19% der täglichen Kalorien angerechnet (4,798 Probanden)
  • Geringer Protein-Konsum wurde mit weniger als 10% der täglichen Kalorien angerechnet (437 Probanden).
Es ist nicht vollkommen falsch so vorzugehen, doch ist die Stichprobe von insgesamt 6.381 Probanden nicht gleich verteilt. Dem schließt sich ein anderer Punkt an:
Der Trick ist immer der gleiche, nämlich eine für die Ausgangshypothese möglichst ungünstige Teilstichprobe auszusondern, bei der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten aber zu verfahren, als wäre die Stichprobe zufällig ausgewählt.

(So lügt man mit Statistik, Walter Krämer, 2010, S. 18)
Dieser Trick funktioniert auch anders. In dieser Untersuchung wurde zwischen den unter 65-Jährigen und über 65-Jährigen die Stichproben aufgeteilt, das heißt, die Stichprobe wurde angepasst, damit letzten Endes signifikante Ergebnisse erscheinen, damit sie den gängigen westlichen Ernährungsempfehlungen entsprechen.

Ein anderer Kritikpunkt ist, dass sich die Studie vorrangig auf tierische Eiweiße bezieht. Die tierischen Eiweiße werden schlussfolgernd im Diskussionsteil als Hauptursache für Krebs und mit allgemeiner Sterblichkeit in Verbindung gebracht. Dabei fahren die Autoren fort festzustellen, dass rotes Fleisch krebserregend ist. Diese Behauptung liest man oft in den Medien. Verwende ich jedoch anstatt einer Lupe ein Mikroskop für die Studie, und wie auch Zoe Harcombe darauf hinweist, erschließt sich ein markantes Detail für diese Auslegung der "gefundenen" Daten. Ein Autor der Studie, Prof. Dr. Longo, ist der Gründer von der Firma L-Nutra, die pflanzliche Proteine herstellt. Wen wundert es dann, dass hier gegen rotes Fleisch eine Lynchjustiz betrieben wird? Mich nicht!

Am Ende der Studie eröffnen die Autoren ihren Diskussionsteil folgendermaßen: "[U]nsere Ergebnisse zeigen, dass von den über 50ig Jährigen, der Grad der Einnahme von Proteinen in Verbindung steht mit einer erhöhten Sterblichkeit bei Diabetikern, jedoch nicht mit einer Gesamtsterblichkeit, Krebs und CVD (Herzerkrankungen)." Das heißt, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen Proteinkonsum und einer Sterberate bei allen anderen Menschen. Oder meinten sie die Mäuse? Denn in der Studie wurden Mäuse und Menschen gemeinsam untersucht - wie immer das funktionieren mag -, um am Ende die Daten zu bestätigen.

objektträger, mikroskop
Manchmal lohnt es sich auch Studien auf den Objektträger zu legen...
Ein anderes Detail: NHANES

Woher kommen eigentlich die Daten dieser Studie? Der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) erfasst Gesundheits- und Ernährungsdaten von Kindern und Erwachsenen in den Vereinigten Staaten. Dabei werden Daten von Probanden durch Interviews über die Ernährung der letzten 24 Stunden und durch ärztliche Untersuchungen ermittelt. Somit besteht der wichtigste Anteil dieser Daten aus der Erinnerung der Probanden: was und wie viel haben sie innerhalb der letzten 24 Stunden gegessen? Es handelt sich also um die Daten von nur einem Tag im Leben der Studienteilnehmer, der dann dazu genutzt wird, um Prognosen anzustellen, wie jemand irgendwann stirbt. Nicht zum ersten Mal erntet NHANES deswegen Kritik, da die Angaben der Probanden über ihre Ernährungsgewohnheiten in dem 24h-Protokoll aus verschiedenen Gründen beschönigt oder weggelassen werden, und deshalb pseudo-quantitativ sind. Dazu folgendes:
Das Auftreten von selektiven Falsch-Angaben spezifischer Makronährstoffe hat bedeutende Auswirkungen für die epidemiologische Forschung und für Ernährungsuntersuchungen. Heitmann und Lissner (2005) zeigten, dass die selektiven Falsch-Angaben über die Aufnahme von Fetten in der Ernährung bei Gruppen mit einem erhöhten Risikofaktor für chronische, nicht-ansteckende Krankheiten in einer Überwertung von Zusammenhängen zwischen Fett-Konsum und Krankheiten resultieren kann [45]. Wenn die potentiell negativen Auswirkungen von einer High-Fat-Ernährung auf Grund der selektiven Falsch-Angaben überbewertet werden, dann könnten heutige Empfehlungen für die Aufnahme von Fetten übermäßig konservativ sein. [45]

(Archer et al., PLOSone, 2013, S. 9 nach Heitmann und Lisser, 2005)
Deshalb kann meines Erachtens solch ein Studie, die sich mit einer 'vermuteten Sterblichkeit' befasst, als irreführend kategorisiert werden. Es ist schwierig - eigentlich unmöglich -, Proteine als alleinige oder eigentliche Ursache zu sehen, wenn zudem der erhobene Datensatz mit Fehlern durchsetzt ist. Anders gesagt, wer mit solchen Daten arbeitet, dem möchte ich die wissenschaftliche Objektivität in Frage stellen und sogar vorwerfen, Daten bewusst zu manipulieren, um gewünschte Ergebnisse zu erzielen.

Ein anderer Faktor der oft vergessen wird ist der Zufall. Ein Faktor, der ebenso eine wichtige Rolle bei vermeintlichen Forschungsergebnissen spielen kann.
In abgeschwächter Form tritt dieses Phänomen auch bei der bekannten Korrelation zwischen Rauchen und frühem Sterben auf. Hier wird in der Regel das Rauchen als Ursache für frühes Sterben unterstellt. Wenn man der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung glauben darf, stirbt z. B. ein 30jähriger Raucher mit einem Konsum von ein bis zwei Päckchen Zigaretten am Tag sechs Jahre früher als ein Nichtraucher, laut Wissenschaftlichem Institut der Ortskrankenkassen sogar 12 Jahre früher.

Daraus folgt jedoch noch nicht, daß alle diese Jahre dem Tabak anzulasten sind. Denn Raucher werden auch öfter als Nichtraucher ermordet oder von Bussen überfahren, und das kann mit dem Rauchen als solchem wohl kaum direkt zusammenhängen. Vielmehr ist hier eine Hintergrund-Variable »Charakter« bzw. »Raucherpersönlichkeit« im Spiel, die viele gefährliche Gewohnheiten gleichermaßen fördert, so daß unsere modernen Raucher auch dann früher, wenn auch mit einem kleineren Vorsprung, sterben würden, hätte Kolumbus Amerika und den Tabak nie entdeckt.

[...]

Falsche Wahrscheinlichkeiten führen uns auch bei der Frage in die Irre, ob bestimmte Ereignisse durch Zufall erklärt werden können oder ob sie eine systematische Ursache haben. Unter der Schlagzeile »Oft Blutkrebs neben Atommeiler vom Typ Schneller Brüter« teilt uns die Hannoversche Allgemeine Zeitung mit: »Bei Menschen unter 25 Jahren, die in einem Umkreis von zwölf Kilometern um das nordschottische Atomkraftwerk Dounreay leben, ist die Zahl der Leukämiefälle zehnmal so hoch wie im statistischen Durchschnitt Großbritanniens.« In dem betreffenden Gebiet sei es in vier Jahren zu fünf Fällen von Blutkrebs gekommen, aber »rein statistisch gesehen« hätte es nur 0,5 Fälle geben dürfen. Damit sei der Zufall als Erklärung ausgeschlossen und das Kraftwerk als Verursacher entlarvt.

Wer weiß - vielleicht ist das Kraftwerk wirklich schuld.

(Krämer, S. 167, 181)

Was heißt hier eigentlich 'Proteine töten'?


Studien, Labor, Experimente
© FotoliaBilder wie diese veranschaulichen, welche Assoziationen uns unterbewusst über die Medizin, die "Götter in Weiß" und deren unumstößliche Autorität antrainiert werden - Ein Trugschluß
Die veröffentlichte Studie missachtet Daten - vor allem Details, wie wir in den letzten Abschnitten gesehen haben. Denn im Zusammenhang mit einer ketogenen und Paleo-Ernährung sind diese Daten fragwürdig, weil diese Ernährungsformen positive Eigenschaften haben - und scheinbar besonders bei Krebs: Ein anderes Detail ist, dass in der Paleo- oder ketogenen Ernährung zwar mehr oder vorrangig Proteine in der Ernährung vorkommen, doch die aufgenommen Menge befindet sich ebenso in einem Rahmen von ca. 1g Protein pro Körpergewicht, was in etwa der Menge an Proteinen entspricht, die auch den "offiziellen" Ernährungsempfehlungen entspricht. Bei der ketogenen Ernährung ist der Hauptbestandteil der Nahrung eigentlich Fett und in einem Verhältnis von ca. 1:3 (Protein:Fett) eingeteilt.

Wie so oft stellen wir fest, dass die Medien und eine ganze Reihe von Wissenschaftlern, keine gute Arbeit leisten oder bewusst Falschinformationen über die Gesundheit verbreiten. Dabei schlagen sie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe und sogar das Rauchen wird (wieder einmal) negativ dargestellt. Und in diesem Fall haben sich Medien die bequeme Position geschaffen, alles in einer einzigen Überschrift zu verteufeln!

Untersuchungen belegen, dass eine ketogene Ernährung bei vielen Krankheiten (z.B. Epilepsie, MS, Alzheimer, Autismus, Krebs, psychische Störungen) helfen kann, verjüngend wirkt, und noch dazu die überflüssigen Pfunde purzeln lässt. Das hat damit zu tun, dass Übergewicht in den meisten Fällen das Resultat verschiedener Entzündungsreaktionen im Körper ist und die ketogene Ernährung entzündungshemmend wirkt. Es mag sein, dass diese Ernährung nicht für jeden das Richtige ist, doch sie hat sehr positive Effekte auf das Gehirn und unseren Körper. Und der Zustand unseres Gehirns, und somit unserer Kapazität zu denken, wird meiner Meinung nach mehr denn je benötigt, um sich in dem Dschungel von Desinformationen zurechtzufinden.