Pierre-Marie Robitaille
Prof. Dr. Pierre-Marie Robitaille liefert überzeugende Hinweise, die die Fundamente der modernen Physik erschüttern
Warum ein Radiologieprofessor aus Ohio eine Revolution der Astrophysik auslösen könnte

In den zahlreichen Youtube-Kommentaren zu den Vorträgen von Pierre-Marie Robitaille, Professor an der Ohio State University, findet sich eine etwas aus der Reihe fallende Bemerkung: Die Tochter einer Patientin bedankt sich überschwänglich, dass dank einer von Robitaille entwickelten Technik der Tumor ihrer Mutter so frühzeitig entdeckt worden sei, dass sie geheilt werden konnte. In der Tat hielt Robitaille zeitweise sogar den "Weltrekord" in hochauflösender Kernspintomographie.

Man möchte meinen, dass ein Forscher an der Spitze der wissenschaftlichen Hierarchie nicht freiwillig in einem anderen Gebiet ganz unten anfängt. Dennoch widmet sich Robitaille seit mehr als zehn Jahren der der Grundlagenphysik, und seine Ergebnisse könnten dazu führen, dass Teile der Astrophysik neu geschrieben werden müssen. Aber der Reihe nach.

Stimmt ein uraltes Gesetz?

Robitailles Untersuchungen beginnen unspektakulär bei einem fast vergessenen Gesetz der Thermodynamik. Es wurde 1860 von Gustav Kirchhoff aufgestellt und besagt, dass die durch Wärme bedingte Lichtabstrahlung eines Körpers nicht von den Materialeigenschaften abhängig ist. Robitaille argumentiert, dass es in dieser Allgemeinheit nicht zutrifft.

Als ich zum ersten Mal den Artikel überflog, war mir dessen Relevanz völlig entgangen - man muss als Physiker unter Hunderten von Artikeln schnelle Bauchentscheidungen treffen, wofür man seine Zeit investiert, und hier schien mir in etwas altbackener Weise eine eher uninteressante Frage untersucht. Erst durch den Vortrag folgte ich Robitailles Argumentation zum Kirchhoffschen Gesetz näher.

Interessanterweise gibt es, abgesehen von Spezialfällen, kein einziges Material, für das das Kirchhoffsche Gesetz überhaupt gilt. Durch mehr oder weniger historischen Zufall wurde davon wenig Notiz genommen, sicher auch deshalb, weil das Kirchhoffsche Gesetz in das Plancksche Strahlungsgesetz einfloss, das im Jahre 1900 die Tür zur Quantenmechanik öffnete und damit vielleicht die ganze moderne Physik lostrat. Planck hatte in einem Geniestreich einen Zusammenhang gefunden, in dem erstmals die Plancksche Konstante auftrat. Diese wurde von Einstein später als Interpretation mit Lichtquanten genutzt (er erhielt 1921 den Nobelpreis dafür) und gilt als die fundamentalste Naturkonstante überhaupt.

Begraben unter der Revolution

Durch diese revolutionäre Wendung Anfang des 20. Jahrhunderts ging die eigentliche Bedeutung des Planckschen Strahlungsgesetzes, und erst Recht die des Kirchhoffschen Gesetzes etwas unter, auch die Tatsache, dass es für relativ wenige Materialien anwendbar ist. Insbesondere gilt das Kirchhoffsche Gesetz, und dafür legt Robitaille ein Feuerwerk überzeugender Belege vor, nicht für Gase.

Nun, wo ist das Problem? Anfang des 20 Jahrhunderts setzte sich im Windschatten der übrigen Erkenntnisse in der Astrophysik die Überzeugung durch, die Sonne bestehe aus heißem Gas - seitdem haben dies Generationen von Physikern verinnerlicht. Mir stockte fast der Atem, als ich Robitaille erstmals dies anzweifeln hörte - zu absonderlich schien mir der Gedanke, zu oft hatte ich selbst schon erzählt, die Sonne sei ein besonders schönes Beispiel eines Schwarzkörperstrahlers, der fast genau das Spektrum wiedergibt, das nach dem Planckschen Gesetz für eine Oberflächentemperatur von etwa 5800° C zu erwarten ist. Und natürlich aus heißem Wasserstoffgas besteht - was denn sonst?

Bei näherem Nachdenken über elementare Atomphysik stellt sich dies als oberflächliche Beschreibung heraus. Um es für den nicht so mit der Materie befassten Leser verständlich zu machen: Wenn die Sonne wirklich aus gasförmigem Wasserstoff besteht (sei es atomar, molekular oder zum Teil aus Plasma), ist es eigentlich höchst verwunderlich, dass sie nicht wie eine Leuchtstofflampe Licht aussendet. Das Problem vieler Energiesparbirnen war bekanntlich, dass sie nicht ein "natürliches" Spektrum wie die Sonne aussendet, sondern hauptsächlich eine Mischung von diskreten Linien bestimmter Wellenlänge - und das sollte eigentlich von einem Wasserstoffgas auch zu erwarten sein.

Das Mainstream-Modell ist kompliziert

Natürlich hat das konventionelle Sonnenmodell Wege gefunden, das beobachtete Spektrum zu erklären: Man geht davon aus, dass das eigentliche Sonnenlicht von tieferen Schichten mit viel höherer Temperatur kommt, gleichzeitig aber die äußeren Schichten sowohl die typischen Wasserstofflinien als auch das übrige von hoher Temperatur erzeugt Licht wieder schlucken (die Fraunhoferschen Absorptionslinien haben damit nichts tun).

sonnenspektrum
© Degreen, CC-BY-SA-2.0Sonnenspektrum.
Dass dabei als Ergebnis ein Farbspektrum entsteht, das fast perfekt einer Temperatur von 5800 ° entspricht, grenzt jedoch fast an ein Wunder und kann nur mit einem höchst komplizierten System von Annahmen über die Lichtdurchlässigkeit (Opazität) einzelner Sonnenschichten gerechtfertigt werden.

Dass dieses komplizierte Sonnenmodell schon vor hundert Jahren vielen Physikern alles andere als überzeugend schien, weist Robitaille wieder mit mit einer überwältigend detaillierten Recherche nach, einschließlich deutscher und französischer Originalliteratur, und mit über 400 zitierten Artikeln. Ich habe selten so sorgfältig dokumentierte und belegte Paper gesehen wie von diesem "fachfremden" Forscher - inzwischen hat er etwa drei Dutzend zu dem Thema verfasst, auch über eine neu entdeckte Form von metallischem Wasserstoff als Alternative für die Sonnenoberfläche, auf die ich hier nicht näher eingehen kann. Immerhin würde es aber höchst elegant das Problem der viel zu heißen Sonnenkorona erklären, an dem sich die Physiker seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißen.

Exkommunizierung eines Ketzers

Geradezu bizarr ist, dass Robitaille im Internet als "Crank", als Spinner, bezeichnet wird, dessen Thesen völlig unhaltbar seien, schließlich sei er ja kein Astronom, sondern nur Nuklearmediziner. Richtig daran ist lediglich, dass seine Thesen der Astronomie richtig weh tun - denn falls sich herausstellt, dass wir die Sonne so unzureichend verstanden haben, würde nicht nur die Physik der Sternmodelle weitgehend zusammenbrechen, sondern mit ihnen auch die Abschätzungen der Leuchtkraft entfernter Objekte, und damit viele Gebiete der Astrophysik bis ins Mark erschüttern.

Daher ist es ein beruhigender Reflex zu behaupten, ein "Amateur" wie Robitaille könne ja gar nicht Recht haben. Mich erinnert das fatal an die Art und Weise wie Alfred Wegener, wohlgemerkt "nur" ausgebildeter Meteorologe, für seine These der Kontinentaldrift von einem führenden Geologen abgekanzelt wurde: "Wenn wir uns Wegener anschließen wollten, müssten wir alles vergessen, was wir in den letzten siebzig Jahren gelernt haben, und völlig von vorne anfangen." So war es dann auch.

Besonders gereizt reagieren auf Robitaille praktisch alle Kosmologen, die sich mit dem kosmischen Mikrowellenhintergrund beschäftigen. Denn im Zuge seiner Recherche hat er - unerschrocken, aber vielleicht nicht taktisch klug - auch die Datenauswertung jener Satellitenexperimente COBE, WMAP und Planck kritisiert, die Prestigeobjekte kosmologischer Beobachtung der letzten Jahrzehnte.

Auch hier überzeugt seine Argumentation, zumindest, was die behauptete Genauigkeit der Daten betrifft. Tatsächlich wundert man sich als Physiker, wie das tausendfach stärkere Vordergrundsignal der Milchstraße so perfekt herausgefiltert werden kann. Dass Robitaille den kosmischen Mirkrowellenhintergrund frontal angreift, indem er auf eine mögliche Kontamination durch Wasserdampf hinweist, macht ihn in der Community vollends zum Ketzer - seine Thesen sind aber auch hier so solide dokumentiert, dass sie zumindest diskutiert werden müssen.

Was nicht sein darf, das nicht sein kann

Es soll hier nicht der Eindruck vermittelt werden, Robitaille werde in einer Art Verschwörung wider besseres Wissen ausgegrenzt, um den großen Kollaborationen die wissenschaftlichen Pfründe zu sichern. Der Mechanismus ist viel subtiler.

Ich habe im Vorfeld mit drei Professoren der Astrophysik und fünf weiteren promovierten Physikern über das Thema korrespondiert. Zwei fanden die These interessant, ohne sich aber festlegen zu wollen, die Mehrzahl lehnte es aber rundweg ab, die Möglichkeit überhaupt zu diskutieren, die Sonne sei nicht gasförmig. Ein alter Studienfreund und Professor für Astronomie erwies sich als besonders geduldig und freundlich, aber auch hier endete die Debatte nach einigem Hin und Her schließlich mit dem Hinweis, das bestehende Sonnenmodell sei so lange etabliert, dass es wirklich keine offenen Fragen mehr gebe. Obwohl ich meinen Bekannten für vollkommen integer und durchaus aufgeschlossen halte, ist es ihm doch faktisch unmöglich zu hinterfragen, was seit hundert Jahren als unumstößlich gilt, und Zeit in eine Debatte zu investieren, die die Grundlagen des ihn umgebenden Forschungszweiges erschüttern würde.

Ich habe in keiner dieser Diskussionen und auch in sonst keiner einzigen Veröffentlichung Argumente gefunden, die Robitailles Thesen in der Substanz etwas entgegenzuhalten gehabt hätten. Eine angemessene Reaktion in der Fachwelt gibt es dennoch nicht. Stattdessen wird gebetsmühlenartig darauf verwiesen, seine Publikationen seien nicht in einem anerkannten Journal veröffentlicht - tatsächlich sind sie weder auf der Plattform arxiv.org noch in der Datenbank ADS gelistet. Man macht ihm sogar zum Vorwurf, dass er aus Verzweiflung darüber seine Argumente einmal für teures Geld im Anzeigenteil der New York Times veröffentlichte.

Bilden Sie sich Ihre Meinung

sonneneruption
© nasaSonneneruption, die Material ausschleuderte. Das Material fiel danach auf die Oberfläche zurück und machte eine klar abgegrenzte Oberfläche sichtbar. Screenshot aus dem Video bei 5:43 http://www.youtube.com/watch?v=9TOKo7Ik9f8
Leider scheint es so zu sein - und die Wissenschaftsgeschichte kennt davon einige Beispiele -, dass spezialisierte Forschergemeinden unfähig sind, potenzielle Irrtümer, die schon Generationen zurück liegen, selbst zu revidieren. Dies ist auch der Grund, warum diese Diskussion - ohne das Ergebnis vorweg nehmen zu wollen - in die Öffentlichkeit getragen werden muss. Zwei besonders plakative Beispiele von Robitailles Argumentation möchte ich hier am Ende vorstellen:

In diesem Video sind bei 5:43 min Sonneneruptionen zu sehen, die auf die Oberfläche zurückfallen und dort eine sichtbares Leuchten erzeugen. Fragen Sie doch Astronomen in ihrem Bekanntenkreis, wie dies mit der Annahme zu vereinbaren ist, hier sei Gas auf Gas gestürzt.

sonne seismische wellen
© NASASeismische Wellen auf der Oberfläche der angeblich flüssigen Sonne (flüssiger metallischer Wasserstoff)
In den nebenstehenden Bildern des Sonnenobservatoriums SOHO sind offenbar Oberflächenwellen zu sehen. Robitaille sieht dafür einen Beleg - und mindestens nach dem ersten Anschein ist dies offensichtlich - dass die Sonne eine klar definierte Oberfläche besitzt und eben nicht aus dichter werdenden Gasschichten besteht. Ein Mitglied der Forscherkollaboration beschrieb mir dagegen in einer Mail einen komplizierten Mechanismus von Reflexionen durch unterschiedliche Schallgeschwindigkeiten, der erklären sollte, warum die Bilder so fatal einem ins Wasser geworfenen Stein ähneln. Überzeugend fand ich ihn nicht. Bilden Sie sich selbst eine Meinung. Auf qualifizierte und sachliche Diskussionsbeiträge gehe ich gerne ein.