Mit dem NASA-Weltraum-Röntgenobservatorium "Chandra" haben Astronomen sowohl in zahlreichen Galaxienhaufen als auch in der Andromeda-Galaxie ein bislang unerklärbares Signal geortet und vermuten, dass es sich um ein Signal Dunkler Materie handeln könnte.
Bild
© Bulbul et al., NASA, Harvard Center for AstrophysicsDas mysteriöse Signal in den Chandra-Rötgendaten des Perseushaufens.
Cambridge (USA) - "Als ich dieses Signal in den Chandra-Daten sah, konnte ich meinen Augen kaum glauben", erinnert sich Dr. Esra Bulbul vom Harvard Center for Astrophysics an die Entdeckung des mysteriösen Signals. "Was wir hier gefunden haben, kann auf den ersten Blick nicht mit bislang bekannter Physik erklärt werden."

Das rätselhafte Signal entdeckte das Team um Bulbul bei der Beobachtung des sogenannten Perseushaufens, einem Galaxienhaufen rund 250 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, der 500 bis 1000 Galaxien beinhaltet. "Stellen Sie sich eine Gaswolke vor, in der jedes Atom einen eigenen Galaxie darstellt - das kommt dem nahe, was der Perseushaufen darstellt", so die Forscherin. "Er ist eines der massereichsten Objekte im uns bekannten Universum."

Bild
© NASA/CXC/IoA/A.Fabian et al. - CHANDRA X-ray Observatory CXC Operated for NASA by SAORöntgen-Aufnahme der Zentralregion des Perseushaufens durch das Chandra-Teleskop.
Der Galaxienhaufen selbst ist eingehüllt von einer gewaltigen "Atmosphäre" aus supererhitzten Plasma und genau in dieser Atmosphäre sehen die Astronomen den Ursprung des mysteriösen Signals: "Der Galaxienhaufen ist angefüllt mit Ionen wie Fe XXV, Si XIV, and S XV", erklärt Bulbul und führt weiter aus: "Diese unterschiedlichen Ionen produzieren jeweils bekannte und charakteristische Linien im Röntgenspektrum, das wir mit Chandra messen können. 2012 haben wir in den Chandra-Daten des Perseushaufens nun aber eine Linie entdeckt, die da eigentlich nicht hingehört und von der wir nicht wissen, was sie ist."

Diese Linie, so berichtet das Team um Bulbul auf "Science@NASA", erschien bei 3.56 keV (Kiloelektronenvolt) und stimmt damit mit keinem bekannten atomaren Übergang überein.

Zunächst, so gesteht die Astrophysikerin ein, habe sie die Daten nicht glauben können: "Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich selbst davon überzeugt habe, dass es sich bei dieser Linie weder um ein technisches Artefakt noch um eine bekannte Atomlinie handelt. Wir haben das seither sehr sorgfältig überprüft - doch ohne Ergebnis. Mittlerweile haben Bulbul und Kollegen das Signal auch in 73 weiteren Galaxienhaufen und in den Daten unterschiedlicher Instrumente und Observatorien entdeckt. Auch andere Astronomen, so etwa Alexej Boyarsky von der Universiteit Leiden, konnten das gleiche Signal mit dem XMM-Newton-Weltraumobservatorium sowohl im Perseushaufen als auch in der 2,5 Millionen Lichtjahre entfernten Andromeda-Galaxie (M31) identifizieren.
Bild
© NASADie Andromeda-Galaxie.
Die Spektrallinie scheint von keiner bekannten Materieform auszugehen, so die Forscher weiter. Dieser Umstand wiederum lenkt die Aufmerksamkeit der Astronomen in den Bereich des Unbekannten: Möglicherweise stammt sie von Dunkler Materie.

"Nachdem wir unsere Studie veröffentlicht hatten, präsentierten Theoretiker rund 60 unterschiedliche Arten Dunkler Materie, die unsere Entdeckung erklären könnten - darunter sogenannte Axione, sterile Neutrinos und sogenannte 'Dunkle Materie Moduli', die durch aufgerollte Extradimensionen innerhalb der String-Theorie erklärt werden könnten."

Um das Rätsel um die mysteriösen Signale vollständig klären zu können, benötigt es wahrscheinlich ein ganz eigenes neues Röntgenobservatorium. Tatsächlich könnte schon das Weltraumteleskop "Astro-H" der japanischen Weltraumagentur JAXA, dessen Start für 2015 anvisiert wird, das entdeckte Signal noch präziser untersuchen.

Quelle: NASA