Bischof Roger Vangheluwe
© DPARoger Vangheluwe als Bischof von Brügge im Jahr 2008. Er musste zurücktreten, nachdem bekannt geworden war, dass er seinen Neffen sexuell missbraucht hatte. Jetzt gab er selbst zu, dass er auch einen zweiten Neffen missbrauchte.
Vor einem Jahr musste der Brügger Bischof Roger Vangheluwe wegen Kindesmissbrauchs zurücktreten. Jetzt gab er ein Interview - in dem er sexuelle Gewalt herunterspielt.

Ein Fernsehinterview des wegen sexuellen Missbrauchs eines Neffen vor einem Jahr zurückgetretenen belgischen Bischofs Roger Vangheluwe hat in Belgien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Der amtierende Ministerpräsident Yves Leterme sagte im Fernsehsender RTBF, das Interview überschreite die Grenzen des Erträglichen. Die Kirche müsse ihre Verantwortung übernehmen. Belgiens Bischöfe nannten das Gespräch extrem verletzend für die Opfer und ihre Familien und eine Ohrfeige für die Gläubigen.

Vangheluwe hatte in dem Interview Übergriffe gegen einen zweiten Neffen zugegeben. In dem am Donnerstagabend im privaten flämischen Fernsehsender VT4 ausgestrahlten Gespräch bestätigte der heute 74-Jährige, ab 1973 einen Neffen über 13 Jahre hinweg und einen weiteren über ein Jahr missbraucht zu haben. Er habe sich dabei nie als Pädophiler gefühlt. Vielmehr habe sich im Laufe der Zeit eine Intimität eingestellt. Er habe nicht das Gefühl gehabt, sein Neffe widersetze sich dem Geschehen.

Alles habe „als Spiel“ begonnen, so Vangheluwe. Die Übergriffe hätten sich regelmäßig wiederholt, wenn die Familie des Neffen mehrmals im Jahr zu Besuch gekommen sei. Es sei niemals zu Vergewaltigung, körperlicher Gewalt, Penetration oder einem Orgasmus gekommen. Er habe seine Taten auch regelmäßig gebeichtet und sei sich bewusst gewesen, dass sie nicht rechtens seien. Eine Rückversetzung in den Laienstand wolle er nicht beantragen, so der ehemalige Bischof.

"Zu der Zeit war das eigentlich nicht so unnormal. Das ging nicht weit, das war ein bisschen wie eine Beziehung", sagte der Bischof laut der flämischen Zeitung De Standaard wörtlich.
Anzeige

Politiker fordern Konsequenzen

Belgiens Politiker reagierten entsetzt. Justizminister Stefaan de Clerck nannte Vangheluwes Verhalten eine Schande und eine Verspottung der Opfer und der eigenen Familie. Die flämischen Sozialisten verlangten, Vangheluwe seine Pension in Höhe von monatlich 2.800 Euro zu sperren. Auch Politiker von Liberalen, und Grünen nannten das Interview geschmacklos und eine Verhöhnung der Missbrauchsopfer.

Die belgischen Bischöfe distanzierten sich ausdrücklich von den Äußerungen Vangheluwes. Sie seien extrem schockiert von der Art und Weise, wie er seine Taten herunterspiele und entschuldige, hieß es in einer Erklärung. Vangherluwes Vorgehen sei inakzeptabel und widerspreche dem von Rom auferlegten Reflexionsgebot. Der Ton des Interviews laufe allen Anstrengungen zuwider, die in den vergangenen Monaten unternommen worden seien, um die Missbrauchsproblematik ernsthaft zu behandeln und angemessene Maßnahmen zu ergreifen.

Der in der Bischofskonferenz für Missbrauchsfälle zuständige Bischof Guy Harpigny sagte, Vangheluwe sei womöglich krank. Er habe Vertrauen, dass der Vatikan in der erforderlichen Weise reagieren werde. Auch Vangheluwes Nachfolger als Bischof von Brügge, Josef De Kezel, äußerte die Erwartung, dass das Interview Vangheluwes bei der abschließenden Entscheidung Roms über seinen Fall eine Rolle spielen werde.

Vangheluwe muss sich einer Beratung unterziehen

Am vergangenen Wochenende hatte der Vatikan bekanntgegeben, dass Vangheluwe Belgien verlassen und sich einer psychologischen und spirituellen Betreuung unterziehen müsse. Vatikansprecher Federico Lombardi präzisierte später, weitere Kirchenstrafen gegen ihn seien möglich. Opfer kritisierten die bisherigen kirchlichen Maßnahmen gegen den zurückgetretenen Bischof als zu mild. Vangheluwe hält sich in einem Kloster im französischen Loire-Tal auf. Das Interview wurde in einem Hotel der zentralfranzösischen Stadt Salbris geführt.

Mit seinem Missbrauchs-Geständnis und seinem Rücktritt hatte der Bischof die katholische Kirche in Belgien Ende April 2010 in eine tiefe Krise gestürzt. In der Folge wurden Hunderte weiterer Missbrauchsfälle gemeldet; sie liegen meist Jahrzehnte zurück. Eine Parlamentarische Untersuchungskommission legte kürzlich Empfehlungen zu Verjährungsfristen, Schadenersatz und Präventionsmaßnahmen vor.