Davon ist der russische Außenminister überzeugt. Im Interview mit der Agentur Itar-Tass sagte er, der Westen wolle Russland um jeden Preis aus dem Gleichgewicht bringen. Dies solle die Riesenausgaben für die Nato-Kriegsmaschinerie rechtfertigen, damit jeder westliche Steuerzahler keine Zweifel daran habe, dass die Allianz seine Sicherheit garantiere. Der USA-Experte Fjodor Woitolowski vom russischen Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen kommentiert:
„Die Nato wurde einst gegründet, um sich der Sowjetunion und dem Warschauer Pakt entgegenzusetzen. Mittlerweile gibt es weder die Sowjetunion noch den Warschauer Pakt. Dabei ist die Nato nach wie vor eine militärische und politische Hürde für den Ausbau der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Beziehungen zwischen ihren Mitgliedstaaten und Russland. Die europäischen Nato-Mitglieder wollen derzeit keine Militärausgaben in dem Umfang, den der Nordatlantikvertrag vorsieht. Washington kritisiert ständig seine europäischen Verbündeten, weil es ihnen an der Bereitschaft mangle, für ihre Sicherheit zu sorgen. Die aggressive Rhetorik einiger westlicher Politiker zielt deshalb darauf ab, die europäischen Nato-Mitglieder zu einer aktiveren Umsetzung der von Washington ausgehenden militärischen und politischen Initiativen zu stimulieren.“Wenn man also keine Kriege finanzieren will, bittet die Nato um mehr Ausgaben für die Verteidigung. Da braucht die Allianz ein Feindbild, und zwar Russland, das die europäische Sicherheit angeblich gefährdet. Timofej Bordatschow, Leiter des Zentrums für europäische und internationale Studien an der Moskauer Higher School of Economics, kommentiert:
„Die Nato ist überholt. Doch anstatt das ganze Sicherheitssystem im euroatlantischen Raum zu korrigieren, bereitet sich die Allianz auf einen Konflikt vor. Nun wird die russische Bedrohung hochgespielt, um die Nato als defensives Bündnis zu präsentieren.“
Russland wird vorgeworfen, den Konflikt in der Ukraine zu schüren, und zwar durch die Rückendeckung für die Volkswehr im ukrainischen Südosten, wo die Menschen ihre Rechte verteidigen. Vor ein paar Jahren geißelte der Westen die Regierung in Moskau, weil sie den syrischen „Tyrannen“ Baschar Assad in Schutz nehme.
Doch solange der Westen seine Finanzen und Kräfte für den Kampf gegen einen Phantomfeind bereitstellt, wird der wahre Feind stärker. Erst nachdem die Kämpfer der Dschihadisten-Gruppe „Islamischer Staat“ einen US-Staatsbürger vor laufender Kamera enthauptet hatten, hielt Barack Obama sie endlich für Terroristen. Alle bisherigen Versuche Russlands, diese Gruppe als terroristisch einzustufen und auf die entsprechende UN-Liste zu setzen, waren auf Einwände der USA gestoßen. Baschar Assad kämpfte gegen die Dschihadisten im Alleingang und musste dabei die Vorwürfe des Westens dulden, wonach die Regierung in Damaskus ihr eigenes Volk leiden lasse.
Westliche Sponsoren schürten den innenpolitischen Konflikt in der Ukraine und ermöglichten dadurch den dortigen Nationalisten, den Kopf zu heben, stärker zu werden und den Blutgeschmack zu spüren. Wenn jemand glaubt, dass sich dieses Übel bei Bedarf leicht stoppen lässt, irrt er sich gewaltig. Die bewaffneten Extremisten werden ein neues Ziel suchen. Man will sie auf Russland hetzen. Doch Russland wird sie nicht auf sein Territorium lassen. Dann bleibt es diesen Menschen vielleicht nichts anderes übrig, als europäische Nato-Mitgliedstaaten ins Visier zu nehmen.
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