Im Rahmen des Projekts Cancer&Care förderte die Österreichische Gesellschaft für Komplementärmedizin den vielbeachteten Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Onkologie

Salzburg, 19.04.2011, "Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung" - so kommentiert ÖKOM-Gründerin und Gynäkologin Dr. Sylvia Glück den Seminarkongress über Optionen ganzheitlicher Krebstherapie für Mediziner, der am Samstag, 2. April 2011 im Kavalierhaus Klessheim mit ca. 100 Teilnehmern gut besucht war. "Das Interesse ist groß und die Zeit ist reif für integrative Konzepte in der Medizin - besonders bei der Behandlung von Krebserkrankungen". Wie Puzzlesteine können Schulmedizin und ergänzende - also "komplementäre" Verfahren ineinandergreifen. Die Wirkung schulmedizinischer Methoden kann unterstützt werden, Nebenwirkungen verringert, der Allgemeinzustand und die Lebensqualität kann auch bei schweren Erkrankungen wie Krebs verbessert werden.

Neben der Förderung der wissenschaftlichen Erforschung und Evaluierung komplementärer Methoden will die ÖKOM vor allem Patienten informieren - über zusätzliche komplementäre Behandlungsmöglichkeiten. Dazu veranstaltet die ÖKOM einen Allgemeinen Informationstag zur Komplementärmedizin, und zwar am 6. Mai 2011, von 16:00 bis 20:00 im Gemeindezentrum Anif (Unkostenbeitrag € 15, siehe www.oekom.or.at/infotag )

Komplementärmedizin stützt sich auf Wissen, das in der Schulmedizin erworben und "angehäuft" wurde, aber bisher ungenutzt bleibt, so Bodo Kuklinski aus Rostok im Rahmen seines Vortrags über nitrosativen Stress auf dem Kongress zu den Möglichkeiten ganzheitlicher Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen. "Ganzheitlich" heißt für die Initiatoren des Kongresses, konventionelle Konzepte in der Onkologie durch komplementäre Protokolle in Diagnostik und Therapie zu ergänzen.
Ganzheitliche Medizin ist nicht zuletzt individualisierte Medizin und erfordert, für jeden einzelnen Patienten persönlich zugeschnittene Konzepte für die Therapie der Krebserkrankung zu finden.

Dabei liefert eine gewissenhafte Anamnese (Krankheitsgeschichte) gerade bei onkologischen Patienten wertvolle Hinweise über die möglichen Ursachen der Erkrankung und über die Optionen für eine ganzheitlichen Behandlungsstrategie. Schon im Einleitungsvortrag hatte Walter Surböck aus Mariazell die ausführliche Anamnese über die heute bereits bekannten Krebsursachen hinweg dargestellt.

Doch wer in der Medizin nur in der eigenen Disziplin zu Hause ist und nicht über den Tellerrand blickt, läuft Gefahr, einfache, wirksame und oft auch preiswerte Behandlungsmöglichkeiten zu übersehen, wie Dr. Kuklinski das am Beispiel der Behandlung von bestimmten Stoffwechselerkrankungen, die mit nitrosativem Stress assoziiert sind, durch die ergänzende Gabe von Vitamin B12 demonstrierte.

Die Österreichische Gesellschaft für Onkologie hat ein " Allgemeines Protokoll einer ganzheitlichen onkologischen Therapie" entwickelt und empfiehlt dieses neben den konventionellen Protokollen anzuwenden, so der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Onkologie (ÖGO, www.oego.or.at), W. Köstler aus Wien, der den Seminarkongress in Klessheim mit Unterstützung der ÖKOM organisiert hat. Da jede einzelne Krebserkrankung ist vom biomolekularen Standpunkt sowie von der genetischen Ausstattung her einzigartig ist, ist eine höchst individuelle Behandlungsstrategie erforderlich. Krebserkrankungen haben jedoch auch wichtige Gemeinsamkeiten, die von diagnostischen und therapeutischen Konzepten berücksichtigt werden sollten: "Nitrosativer Stress", der immer gemeinsam mit "Oxidativem Stress", auftritt ist gekennzeichnet durch eine vermehrten Bildung von reaktiven Stickstoff-Sauerstoffverbindungen , vor allem Stickstoffmonoxid (NO). Bodo Kuklinski,aus Rostok zeigte, wie nitrosativer Stress eine Schädigung der Mitochondrienfunktion in den Zellen neben zahlreichen Erkrankungen auch die Entstehung von Krebserkrankungen begünstigen kann.

Günther Stoll aus Filderstadt (D) präsentierte anhand eindrucksvoller Beispiele die Rolle chronisch entzündlicher Prozesse, die als Folge von Infektionen, Parasitenbefall oder Fehlernährung oft an der Entstehung von Krebs maßgeblich beteiligt sein können. Stoll stellt Selen als wichtiges Spurenlelement dar, das auf Grund seiner Wirkungmechanismen im menschlichen Organismus im Stande ist, bei der Therapie chronischer Entzündungen effektiv und nebenwirkungsfrei eingesetzt zu werden.

Eine der Gemeinsamkeiten von Krebszellen findet man in der Umstellung des Zellstoffwechsels von der Verbrennung der Nahrungsstoffe mit Sauerstoff auf Energiegewinnung durch Gärung (Fermentation) so Wolfgang Köstler. Ist diese Umstellung erfolgt, dann lebt die Krebszelle in erster Linie vom Zucker (Glucose). Da derzeit noch nicht für alle Karzinome effektive zielgerichtete Therapien verfügbar sind, macht es Sinn, die gemeinsamen Eigenschaften aller Karzinome zu analysieren und diese Erkenntnisse therapeutisch umzusetzen. Zu diesen gemeinsamen Eigenschaften gehören chronische Infektionen, chronische Entzündungen, eine gestörte Immunfunktion, reduzierte Entgiftungsmechanismen, eine Übersäuerung des Bindegewebes und oxidativer sowie nitrosativer Stress beim Patienten. Köstler wies auf die zentrale Rolle der Mitochondrien im Krebsgeschehen hin und zeigte, wie z.B. durch DCA die Krebszellen im Wege der Reaktivierung ihrer Mitochondrien wieder die Möglichkeit bekommen, in den programmierten Zelltod (Apoptose) zu gehen, was ein Schrumpfen von Tumoren zur Folge haben kann.

Köstler stellte auch ein Protokoll einer "onkologischen Basistherapie" vor, das Detoxifikation, antinfektiöse Therapien, antiinflammatorische Therapien, antioxidative Therapien, Supplementation, Immunmodulation, Hormonmodulation, Ernährungstherapie, Modulation des Säure-Basen-Haushaltes, sowie physikalische Therapien und psychoonkologische Maßnahmen enthält und in allen Phasen einer Krebserkrankung, im Besonderen aber in der perioperativen Zeit zur Anwendung kommen sollte.

Die Verhinderung von Rezidiven und Metastasen ist in den Augen Köstlers eines der wichtigsten Ziele jeder onkologischen Therapie.

Eine besonders wirksame Anwendung der Strahlentherapie in der Brustkrebsbehandlung stellte Gerd Fastner vom Institut für Radiotherapie und Radionkologie (Leiter Prof. Dr. F. Sedlmayer) der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg vor: Die Intraoperative Radiotherapie (IORT) von Brustkrebserkrankungen ist eine Methode, bei der kurz nach der Entfernung eines Brusttumors ein sogenannter "Boost", also eine einmalig höhere Strahlendosis auf das Brustgewebe um den entfernten Tumor herum in die offene Wunde gegeben wird. Mit ihr können die Salzburger Mediziner aufsehenerregende Erfolge in der Verhinderung von Lokalrezidiven (Neues Auftreten von Tumoren in unmittelbarer Nähe des entfernten Tumors) vorweisen. In einem noch unveröffentlichten Update einer Matched-Pair-Analyse - also eines Vergleiches der mit IORT behandelten Patientinnen im Vergleich zur Standardbehandlung - zeigten sich auch nach einer mittleren Nachbeobachtung von 10 Jahren im intraoperativ bestrahlten Patientenkollektiv signifikant weniger Lokalrezidive als in der nach derzeitigem "Goldstandard" behandelten Vergleichsgruppe.

Sylvia Glück berichtete über eine Studie an der Univ. Klinik für Spezielle Gynäkologie der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg - Brustzentrum Salzburg unter dem damaligen Leiter Prof. Christian Menzel mit Brustkrebspatientinnen. Zusätzlich zur antihormonellen Therapie erhielten die Patientinnen täglich 200 mcg Selen (Natriumselenit) durch 6 Monate hindurch zur oralen Einnahme. Eine wichtige Erkenntnis dieser Studie ist, dass nach Operation, Strahlentherapie, Chemotherapie, aber auch unter antihormoneller Therapie bei allen Brustkrebspatientinnen ein Selenmangel auftritt, mit der Folge reduzierter Entgiftungskapazität gegenüber oxidativem Stress. Brustkrebspatientinnen haben demnach auch während der scheinbar unproblematischen antihormonellen Therapie ein Selendefizit, aus dem sie ohne Substitution auch nach Monaten nicht herauskommen. Weiters zeigte die Studie auf, so S. Glück, dass zur Verstärkung der positiven Effekte einer zusätzlichen Selengabe mit höheren Dosen von 500mcg pro Tag der täglichen Selenzufuhr erforderlich wäre. Eine Laborkontrolle zur Überprüfung des Blutspiegels nach drei Monaten ist obligat. Selen ist wichtig für diverse Reparaturmechanismen (auch DNA-Reparatur), für das Hormonsystem, für das Immunsystem, sowie das antioxidative Schutzsystem.

Walter Surböck schließlich ging in seinem zweiten Vortrag auf die körperlichen und pathologischen Auswirkungen von mentalem Dauerstress ein. Dieser kann die Entstehung von Karzinomen über lange Zeit hindurch anhaltenden oxidativen und nitrosativen Stress begünstigen.

Die derzeit wichtigste Maßnahme für die Weiterentwicklung integrativer Medizin sieht Sylvia Glück darin, die Rolle der Komplementärmedizin in die evidenzbasierte Medizin zu integrieren. "Es ist wichtig, die wissenschaftliche Erforschung komplementärer Methoden voranzutreiben, darin sehen wir eine fundamentale Aufgabe der Österreichischen Gesellschaft für Komplementärmedizin." Es sei notwendig, die Kräfte zu bündeln, die in vielen komplementärmedizinischen Gesellschaften und Einzelinitiativen, sowie Universitätsinstituten schon wirksam sind, in denen oft hervorragende Arbeit geleistet wird. "Ganzheitliche Protokolle für die Diagnostik und Therapie bei onkologischen Patienten - wie von W. Köstler vorgeschlagen - sind im täglichen Betrieb durch eine Integration in konventionelle onkologische Protokolle möglich. Gute Zusammenarbeit und Offenheit zwischen den Vertretern einzelner Therapierichtungen ermöglichen für die PatientInnen das Ausschöpfen aller Therapieoptionen. Den offenen wissenschaftlicher Diskurs im Sinne der PatintInnen zu ermöglichen war der Grund für die Kooperation und Unterstützung dieses Kongresses. Die Österreichische Gesellschaft für Komplementärmedizin wird diesen Weg auch in Zukunft konsequent weitergehen".

Der nächste Schritt auf diesem Weg ist übrigens schon fixiert: Die Information von PatientInnen und interessierten Laien über die Hintergründe und Möglichkeiten der Komplementärmedizin - dazu bietet die Österreichische Gesellschaft für Komplementärmedizin (ÖKOM - www.oekom.or.at) einen Allgemeinen Informationstag Komplementärmedizin an. Dieser wird am Freitag, den 6. Mai von 16:00 bis 20:00 im Gemeindezentrum Anif stattfinden.

Schon auf dem aktuellen Kongress in Klessheim bestand für PatientInnen die Möglichkeit, sich während eines Lunchsymposiums mit Fragen an die Vortragenden zu wenden. Doch es ist eine besondere Herausforderung, die für Patienten wichtigen und interessanten Anteile medizinischer Fachinformation für Laien verständlich darzubieten. Dr. Glück: "Genau das aber wollen wir auf unserem Informationstag bieten: Orientierungshilfe und hilfreiche Information über mögliche komplementäre Zusatzbehandlungen im Rahmen der integrativen Medizin."