Mehr als 4500 Haitianer sind nach dem Erdbeben an der Seuche gestorben. Einem Bericht zufolge sind die UN dafür mitverantwortlich.

Es riecht nach Fäkalien, kranke Menschen auf Feldbetten liegen nebeneinander, viele von ihnen haben durch die Cholera die Kontrolle über ihre Notdurft verloren. Ärzte und Krankenpfleger waten durch Kot und Erbrochenes. Fließendes Wasser, Desinfektionsmittel und Seife für Patienten, ihre Verwandten und das medizinische Personal fehlen.

Diese Eindrücke der katastrophalen Zustände in haitianischen Krankenhäusern entlang des Flusses Artibonite haben die Autoren eines unabhängigen Berichtes dokumentiert. Im Auftrag der Vereinten Nationen haben die Wissenschaftler den Ausbruch und die Ursache der Cholera in Haiti untersucht. Der Seuchenzug ist noch nicht am Ende. Bislang sind mehr als 4500 Menschen an der Bakterieninfektion gestorben, weitere 300.000 sind erkrankt. Der isolierte Erreger gilt als besonders aggressiv und verursacht ungewöhnlich schwere Durchfälle.

Im Januar 2010 hatte ein starkes Beben die Insel Hispaniola erschüttert. Weit mehr als 200.000 Menschen starben. Zehn Monate später grassierte die Cholera. Schnell gerieten nepalesische UN-Soldaten unter Verdacht, den Erreger des Typs Vibrio cholerae eingeschleppt zu haben. Denn bis dahin war die Krankheit auf der Karibik-Insel seit Jahrzehnten nicht mehr aufgetreten. Es folgten zum Teil gewalttätige Proteste gegen die Mitglieder der UN-Friedenstruppe Minustah, die seit 2004 im Land stationiert ist.

Der aktuelle Bericht legt nun nahe, dass der in Haiti bis dahin unbekannte Bakterienstamm tatsächlich durch Abwässer aus einem UN-Camp in den Artibonite-Fluss und seine Nebenflüsse gelangte. Wie die vier Autoren schreiben, ähnelt das Bakterium Cholera-Erregern aus Südasien und Nepal so stark, dass der Ursprung der aktuellen Epidemie nicht auf Haiti liegen kann. Die Experten werteten nicht nur mikrobiologische Daten aus. Sie reisten in das Katastrophengebiet, sprachen mit Medizinern, Anwohnern und besuchten Kliniken.

Besonderes Augenmerk richteten die Wissenschaftler auf das Camp der UN-Soldaten in Mirebalais. Der Ort liegt rund 40 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Port-au-Prince an einem Nebenflusssystem des Artibonite. "Die sanitären Bedingungen im Mirebalais-Minustah-Camp konnten eine Verunreinigung des Artibonite und seiner Nebenflüsse mit Fäkalien nicht verhindern", heißt es in dem Bericht. Dort hatte es die ersten Cholera-Erkrankungen gegeben, die am 17. Oktober registriert wurden. Drei Tage später brach die Infektionskrankheit rings um das Flussdelta des Artibonite und in der Hafenstadt Saint-Marc aus. Höchstwahrscheinlich wurden die Bakterien flussabwärts gen Küste getrieben, wo sich die Krankheit dann rasant weiter ausbreitete.

Der Artibonite spielt eine zentrale Rolle im Alltag der Anwohner. Sie baden in dem Fluss, waschen ihre Kleidung darin, nutzen das Wasser für ihre Felder und lassen ihre Kinder dort spielen. Doch vor allem trinken die Haitianer das Flusswasser auch.

Gerüchte, wonach die Abwässer der Friedenstruppe in Mirebalais zum Teil in den Fluss gekippt worden seien, konnten nicht bestätigt werden. Allerdings nutzt die Entsorgungsfirma, die auch Abfälle der Stützpunkte in Hinche und Terre Rouge abtransportiert, eine ungesicherte Klärgrube nahe Mirebalais. Nicht nur Kinder spielen hier, sondern bei heftigen Regenfällen läuft die Grube über und Abwässer gelangen in die Nebenflüsse des Artibonite.

Ob tatsächlich nepalesische Soldaten die Cholera ins Land brachten, bleibt unklar. Zwar waren im Oktober UN-Kräfte aus Nepal in dem Mirebalais-Minustah-Camp stationiert. Doch keiner von ihnen zeigte Cholera-Symptome.