Das Gefühl unsichtbar zu sein befreit von der Angst
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Menschen, die glauben unsichtbar zu sein, reagieren weniger ängstlich in Situationen mit anderen Menschen. Das ergab eine Studie von Neurowissenschaftlern um Arvid Guterstam vom schwedischen Karolinska Institut. Die Forscher gaukelten den Studienteilnehmer die Illusion vor, unsichtbar zu sein. Dann ließen sie ihre Probanden unter anderem vor Publikum treten, was normalerweise eine Stressreaktion provoziert. Die vermeintlich Unsichtbaren zeigten in der Situation jedoch keine sozialen Ängste. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in den Scientific Reports.

Gehirn nimmt Körper wahr, obwohl er unsichtbar ist

Physiker arbeiten seit Jahren daran, Menschen unsichtbar zu machen. In nicht allzu ferner Zukunft könnten Tarnkappe und Tarnmantel tatsächlich Realität werden. Vor diesem Hintergrund fragten sich Guterstam und sein Team, wie das menschliche Gehirn reagieren würde, wenn der Mensch seinen Körper nicht mehr visuell wahrnimmt.

Im Rahmen einer Studie baten sie 125 Versuchspersonen, im Labor eine spezielle Brille aufzusetzen, die ihnen vorgaukelte unsichtbar zu sein. Die Brille war so präpariert, dass sie ihren Körper nicht mehr sahen, wenn sie an sich herunter schauten. Statt ihres Körpers sahen sie nur den zuvor aufgenommen und auf die Brille projizierten Fußboden des Labors. Die Forscher berührten die Probanden dabei mit einem großen Pinsel, so dass sie ihren Körper nicht mehr sahen, aber dennoch spürten. Den Forschern zufolge dauerte es weniger als eine Minute bis die Studienteilnehmer die Illusion annahmen unsichtbar zu sein.

Im nächsten Schritt wurde den Studienteilnehmern mit der Brille vorgespielt, dass ein Messer in ihren vermeintlich unsichtbaren Körper gestochen wird. Wie sich herausstellte, nahm die Hautleitfähigkeit, eine natürliche Stressreaktion des Körpers, tatsächlich zu. Die Forscher schlossen daraus, “dass das Gehirn den Körper wahrnimmt, obwohl es nicht sichtbar ist”.

Soziale Ängste werden durch vermeintliche Unsichtbarkeit verringert

Anschließend sollten die Studienteilnehmer vor einem fremden Publikum stehen - eine Situation, die normalerweise Stress auslöst. Die Forscher stellten jedoch fest, dass der Puls der vermeintlich Unsichtbaren überraschend niedrig blieb. Demnach werden soziale Ängste durch die Illusion, unsichtbar zu sein deutlich verringert.

Dieses Ergebnis könnte unter anderem für klinische Psychologen interessant sein, deren Patienten an Ängsten leiden und von einer solchen Illusion profitieren könnten. „Wir haben bestimmte, die Wahrnehmung betreffende und sozio-kognitive Konsequenzen der Unsichtbarkeitserfahrung charakterisiert, die Einfluss auf aktuelle Theorien der Körperwahrnehmung und der Verhaltenswissenschaft haben“, schreiben die Forscher im Fachjournal. Guterstam und sein Team raten dazu, weitere Untersuchungen im Hinblick auf das moralische Handeln bei Unsichtbarkeit zu untersuchen. Denn niemand weiß, welche Gedanken und Ideen Menschen entwickeln, wenn sie erst einmal tatsächlich unsichtbar sind und somit auch unbemerkt handeln können.

(ag)