US-Psychologen haben das Zeitempfinden von Menschen untersucht. Sie stellen sich die Zukunft unterschiedlich vor. Nun haben die Forscher einen Tipp für Menschen, die immer alles aufschieben.
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Morgen, morgen, nur nicht heute - sagen Leute, die an Prokrastination leiden. Anstatt für die nächste Prüfung zu lernen, kochen sie erst einmal einen Kaffee, das Gehirn muss ja wach sein. Anstatt aufzuräumen, werden Lebensmittel eingekauft - schließlich läuft das Chaos in der Wohnung ja nicht weg. Morgen ist auch noch ein Tag.

Solange nur der Haushalt liegen bleibt, mag das Aufschieben noch verkraftbar sein. Doch es kann auch Anzeichen einer psychischen Störung sein. Ärzte versuchen mit Verhaltenstherapien, die Prokrastination zu behandeln.

Nun berichten Wissenschaftler der University of Southern California von einer neuen Erkenntnis, die den Patienten helfen könnte. Sie haben dazu mehrere Studien durchgeführt und mit anderen verglichen. "Die vereinfachte Botschaft, die wir aus diesen Untersuchungen herauslesen können, ist, dass Menschen, die ihre Zukunft nicht als direkt bevorstehend empfinden, nicht anfangen, an der Erreichung ihrer Ziele zu arbeiten", sagt Daphna Oyserman, welche die Studie geleitet hat.

Wann genau ist die Deadline?

Durch eine Reihe von Tests konnten die Forscher zeigen, dass Studienteilnehmer ihre Aufgaben eher erledigen, wenn die Deadline in wenigen Tagen anstatt in Wochen oder Monaten droht.

"Wenn man kleinteiliger denkt, die Zukunft eher in Tagen als in Jahren denkt, empfindet man sie näher", sagt die Forscherin. "Wenn man die Zukunft als "heute" ansieht anstatt ein Datum im Kalender, dann schiebt man sie nicht so einfach zur Seite."

In einer ersten Studie hatten die Forscher 162 Teilnehmer darum gebeten, sich auf künftige Ereignisse vorzubereiten, etwa eine Hochzeit oder eine Präsentation in ihrem Job. Dann wurden sie gebeten, einen Zeitplan dafür zu erstellen. Wenn den Probanden beispielsweise eine Präsentation "in 30 Tagen" halten sollten, begannen mit ihrer Vorbereitung früher als die Probanden, deren Deadline "in einem Monat" war.

Zeit in kurzen Intervallen takten

Der Trick funktionierte auch bei einer weiteren Studie: 1100 Probanden wurden gebeten, entweder auf ihre Ausbildung oder ihre Rente zu sparen. Der einen Hälfte wurde gesagt, die Ausbildung würde in 18 Jahren beginnen und in 30 oder 40 Jahren würden sie in den Ruhestand gehen. Der anderen Hälfte der Studienteilnehmer wurden die Zeiträume in Tagen angegeben. Es stellte sich heraus, dass Menschen, die in Tagen denken, bis zu viermal früher beginnen eine Aufgabe in Angriff zu nehmen als Menschen, deren Ziel Jahre entfernt ist.

Offenbar fühlen Menschen, deren Zeit in Tagen getaktet ist, die Zukunft näher als die, die im Jahrestakt denken.

Die Quintessenz ist, dass Menschen mit Prokrastination lernen sollten, in Tagen zu denken. Die Zukunft beginnt jetzt, und nicht morgen oder übermorgen, so der wenig originelle Rat der Psychologen im Journal Psychological Science. Für Menschen, die an Prokrastination leiden, ist dieser Tipp immerhin einen Versuch wert.