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Auf Windräder ist der Deutsche Wetterdienst (DWD) derzeit schlecht zu sprechen. Die drehenden Rotoren täuschen den Radar des DWD und verzerren Messergebnisse. Manchmal gaukeln sie den Meteorologen am Monitor Unwetter vor, die gar nicht da sind. Manchmal sind aber auch reale Unwetter unsichtbar, weil vor der Schlechtwetterfront zu viele Drehflügler rotieren.

Wetterradaranlagen Windräder Deutschland
© Infografik Die WeltDer DWD ist den Windkraftleuten weit entgegengekommen: Die von den Vereinten Nationen empfohlene Schutzzone von 20 Kilometern rund um Wetterradaranlagen wurde freiwillig auf 15 Kilometer reduziert
Die Lage ist so ernst, dass der DWD befürchtet, bald nicht mehr so zuverlässig wie bisher vor Sturm, Starkregen, Hagel und Schnee warnen zu können. Und das Verwaltungsgericht Trier hat jetzt noch für zusätzlichen Zündstoff gesorgt.

In einem Urteil haben die Richter festgestellt, dass es der Wetterdienst hinnehmen muss, wenn im Arbeitsbereich seiner Wetterradaranlagen Windkraftanlagen errichtet werden. Und zwar ausdrücklich selbst dann, wenn die Rotoren Messergebnisse verzerren.

Der Deutsche Wetterdienst, eine Anstalt öffentlichen Rechts, hatte die 17 deutschen Wetterradarstationen zuvor als "unverzichtbar für präzise Unwetterwarnungen" bezeichnet. Nach dem Urteil sei nun zu befürchten, dass der DWD seinen gesetzlichen Auftrag, die Bürger vor gefährlichen Wettersituationen zu warnen, nur noch eingeschränkt erfüllen kann.

"Wir prüfen jetzt das weitere Vorgehen", sagte DWD-Sprecher Uwe Kirsche auf Nachfrage der "Welt": "Mit diesem Urteil können wir schlecht leben."

Schätzen statt messen

Ihr Urteil haben die Trierer Verwaltungsrichter am 23. März gefällt, jetzt liegt die Begründung vor (Akz. 6 K 869/14. TR). Die Richter genehmigen den Bau von drei Windkraftanlagen im Eifelkreis Bitburg-Prüm, obwohl diese Anlagen nur rund zehn Kilometer von der Radarstation des Deutschen Wetterdienstes in Neuheilenbach errichtet werden sollen.

Eine Richtlinie der zu den Vereinten Nationen gehörenden Weltorganisation für Meteorologie (WMO), die eine Schutzzone von 20 Kilometern rund um Wetterradarstationen empfiehlt, spielte für die Richter offenkundig keine Rolle.

Dass die Windrotoren das Messergebnis der Radarstation beeinträchtigen, wird in dem Urteil gar nicht in Abrede gestellt. "Sobald Niederschlag auftritt, kommt es zu Fehlmessungen der Reflektivität und aller anderen Messgrößen, was beispielsweise negative Auswirkungen auf die Gewitter- und Hagelerkennung hat", gesteht das Gericht in der Urteilsbegründung zu.

Doch schenkten die Richter zugleich einem Gutachter Glauben, der erklärte, dass die Radarbetreiber mit "technischen Maßnahmen" der Radarstörung entgegenwirken könnten. So könne der Deutsche Wetterdienst etwa die Software anpassen, mit der die Radardaten ausgewertet werden. Fehlende Messwerte könnten "durch Werte an benachbarten Orten geschätzt werden", heißt es im Gerichtsentscheid.

Ungewohnt scharfe Töne

Für den Bundesverband Windenergie (BWE) ist nach diesem Urteilsspruch nun grundsätzlich klar, dass Windkraftprojekte auch in der Nähe der 16 anderen deutschen Wetterradarstationen genehmigungsfähig sind.

"Wir haben immer angezweifelt, dass die Beeinträchtigungen des Wetterradars durch Windkraftanlagen so groß sind, dass sich Gewitter und Hagel nicht mehr solide vorhersagen lassen", erklärte der Präsident des Lobbyverbandes der Windkraftindustrie, Hermann Albers: "Dies ist nun auch gerichtlich klar." Albers appellierte an den Deutschen Wetterdienst, "den Versuch aufzugeben, weitere Windenergieprojekte zu blockieren und zeitlich zu verzögern".

Beim Deutschen Wetterdienst registriert man solch scharfe Töne mit Verwunderung. Das Offenbacher Institut, das zum Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gehört, hatte sich bislang eigentlich immer als "Partner der Energiewirtschaft" verstanden.
Errichtung Windkraftanlagen
© Infografik Die WeltIm vergangenen Jahr wurden in Deutschland 1766 neue Windkraftanlagen errichtet. Ihre elektrische Leistung von brutto 4750 Megawatt entspricht der von fünf Atomkraftwerken
So bietet der DWD als Serviceleistung für die Planung von Windparks schon seit 1996 die "Winddaten für Windenergienutzer" an. Langjährige Datenreihen von 140 Messstationen des DWD, dazu Rasterkarten zur Windgeschwindigkeit und Statistiken zum örtlichen Windaufkommen halfen bei der Verbreitung der Windenergie-Nutzung in Deutschland lange, bevor die "Energiewende" offizielles Regierungsziel wurde.

Das Unterfangen war allerdings so erfolgreich, dass sich inzwischen rund 25.000 Windkraftanlagen in Deutschland drehen - und viele dieser Anlagen nun in Konflikt mit der Kernaufgabe des Deutschen Wetterdienstes geraten: der Unwetterwarnung.

Rotoren kontra Radar

Der DWD nutze die weltweit modernste Radartechnik, um beispielsweise Schneefall, Hagel, Gewitter oder Starkregen in der Atmosphäre zu erkennen, heißt es in einer Broschüre des Instituts: "Damit können für Wettervorhersagen und Unwetterwarnungen zentrale Fragen beantwortet werden: Wie viel Niederschlag fällt in welcher Zeit, in welcher Form und an welchem Ort besteht dadurch eine erhöhte Gefahr für die Sicherheit der Bevölkerung?"

Doch die Windkraft boomt, und auch in der unmittelbaren Umgebung der 17 deutschen Wetterradarstationen wachsen immer mehr Türme in den Himmel. Auch weil viele alte Windkraftanlagen inzwischen "repowert" werden, also durch höhere, leistungsfähige Turmbauten ersetzt werden, ragen Rotoren immer öfter in den Radarstrahl des Wetterdienstes hinein. Die Folge: Falsche Unwetter werden vorgegaukelt oder echte verborgen.

So erscheinen die rotierenden Propeller auf dem Monitor in der DWD-Zentrale meist als starke Hagelfront. "Sehr hohe empfangene Signalstärken werden als drohende Unwetter bewertet", heißt es beim DWD: "Dieser Fall gilt für die Echos durch Hagel genauso wie bei Echos von Fernsehtürmen und Windenergieanlagen."

Theoretisch könnten die Radartechniker natürlich wissen, wo Windkraftanlagen stehen, und die Auswertung des Radarbildes entsprechend anpassen. Doch so einfach ist es in der Praxis nicht.

Unwetter werden nicht erkannt

"Die Rotorblätter erzeugen durch ihre permanente Drehung eine Phasenverschiebung der reflektierten Radarwelle - den sogenannten Doppler-Effekt", so die Erklärung der Wetterdienstler: "Eine Windenergieanlage wird deshalb nicht als stationäres und damit filterbares Störecho erkannt." Vielmehr führten die Rotordrehungen dazu, "dass das Echo der Windenergieanlage fälschlicherweise als sehr ergiebiger Niederschlag interpretiert wird".
Die Rotordrehungen führen dazu, dass das Echo der Windenergieanlage fälschlicherweise als sehr ergiebiger Niederschlag interpretiert wird

Deutscher Wetterdienst
Eine weitere Beeinträchtigung ergebe sich "durch die Abschattung der Atmosphäre hinter einer Windenergieanlage". Bei vielen Windrädern auf einem Haufen könne dieser Effekt, "bis zur völligen Auslöschung von Signalen aus solchen Gebieten führen", warnt der Wetterdienst. "Die Folge: Unwetter werden nicht erkannt."

Dass das Radarbild durch "technische Maßnahmen" um all diese Effekte bereinigt werden könnte, wie es der Gutachter vor dem Trierer Gericht erklärte, hält man beim Deutschen Wetterdienst für eher unwahrscheinlich, wenn nicht sogar für ausgeschlossen. Die Effekte der Windräder könnten noch in mehr als 100 Kilometern Entfernung deutlich nachgewiesen werden, kritisiert der DWD: "Leider gibt es weltweit noch keine Lösung dieses Problems."

Windkraft oder Wetterwarnung

Damit "rauschen hier zwei Staatsziele aufeinander zu", beklagt DWD-Sprecher Kirsche: Der Ausbau erneuerbarer Energien sei ja "ein staatliches Ziel, das von Gesellschaft und Politik getragen wird". Doch der Deutsche Wetterdienst erfülle ebenfalls ein Staatsziel: "Er trägt mit seinen Warnungen vor gefährlichen Wettersituationen zur Daseinsvorsorge in Deutschland bei." So ist es im "Gesetz über den Deutschen Wetterdienst" festgelegt.

Nun scheint es allerdings so, als gäbe es nur ein Entweder-oder. Den technischen Konflikt zwischen Wetterradar und Windkraft "konnte bisher niemand lösen", betont Gerhard Adrian, Präsident des Deutschen Wetterdienstes: "Bleibt das so, muss sich die Gesellschaft entscheiden zwischen dem Schutz der Bevölkerung vor Wettergefahren und Windenergieanlagen im näheren Umfeld unserer Wetterradare."

Dabei sind die Wetterdienstler den Windkraftleuten bislang schon weit entgegen gekommen: Die von den Vereinten Nationen empfohlene Schutzzone von 20 Kilometern rund um Wetterradaranlagen hatte der DWD freiwillig auf 15 Kilometer reduziert, ausdrücklich "um die Energiewende zu unterstützen".

Innerhalb der 15-Kilometer-Zone waren die Experten des Wetterdienstes zudem stets bereit, mit sich reden zu lassen: Jeder Einzelfall einer beantragten Windturbine wurde untersucht. Zuweilen einigte man sich mit den Windkraftinvestoren auf niedrigere Turmhöhen, um das Radar nicht zu stören.

Nur innerhalb eines Fünf-Kilometer-Radius rund ums Radar blieben die Wetterdienstler hart und unterbanden jedweden Bauwunsch der Windbranche - was bislang auch vor Gerichten stets Bestand hatte.

Wenn jetzt aber das Urteil der Trierer Verwaltungsrichter einen Dammbruch bewirkt, könnten bald alle 17 Wetterradartürme von Windkraftanlagen umstellt werden, so die unausgesprochene Befürchtung beim DWD. "Schließlich haben Wetterdienst und Windkraftbetreiber gleiche Anforderungen an geeignete Standorte: Gesucht sind Flächen mit guter Horizontfreiheit und für die Windkraftbetreiber mit beständigem Wind." Bevorzugt würden also "von beiden Seiten die eher raren Berglagen".

Bedeutender Flächengewinn für die Windbranche

Des einen Leid, des anderen Freud: Die Schutzzonen rund um die 17 deutschen Wetterradare machen immerhin drei Prozent der Fläche der Bundesrepublik aus, auf der Windenergieanlagen bislang weitgehend tabu waren. Für die Windkraftbranche wäre es ein erfreulicher Flächengewinn, wenn die Schutzzonen gänzlich fallen würden. Denn gute Standorte für neue Windkraftanlagen werden langsam knapp.

Dazu trägt bei, dass sich einige Bundesländer und Regionen dem Bau von Windkraftanlagen in Wäldern und Naturschutzgebieten noch verweigern. Bayern schreibt zudem einen großen Abstand zur Wohnbebauung vor. Zudem müssen Windparkprojektierer zum Radar der Flugsicherung ebenfalls Mindestabstände einhalten.

Die Fläche, die nach all solchen Abzügen noch für den Bau von bis zu 200 Meter hohen Windkraftanlagen zur Verfügung steht, wird in Deutschland langsam überschaubar. Deshalb rücken die Windtürme dem Wetterradar inzwischen immer dichter auf die Pelle.

Beim Deutschen Wetterdienst hofft man, das Problem eines Tages doch noch irgendwie technisch lösen zu können. Man treibe "die technisch-wissenschaftliche Forschung bei der Wetterradartechnologie voran", heißt es. Doch solange eine Lösung des Problems aussteht, könne der Dienst "keinen Kompromiss eingehen, der die Warnung der Bevölkerung vor Wettergefahren gefährdet".

Damit ist es wahrscheinlich, dass sich wohl auch noch oberste Bundesrichter mit dem Konflikt zwischen Wetterwarnung und Windkraft werden beschäftigen müssen.