Asiaten paffen mit Hingabe ihr lokales, billiges Kraut. Westliche Markenhersteller wollen das ändern. Denn wachsendes Gesundheitsbewusstsein und Rauch- und Werbeverbote zu Hause treiben sie in die Schwellenländer. Der neue Markt ist riesig: Das Land mit den meisten Qualmern ist aber China.
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Peking / Neu Dehli - Lässig steht Kastorius Sinaga in der Plaza Indonesia, ein Zigarillo keck im Mundwinkel. „In Indonesien kann man überall rauchen“, beteuert er und schnippt Asche auf den blank gewienerten Boden von Jakartas edlem Einkaufszentrum. Auch aus dem Friseurladen dringt Qualm, und sogar bei Starbucks stehen Aschenbecher. Indonesien zählt zu den letzten Raucherparadiesen der Welt.

Sinaga hat die Volkssucht zum Geschäft gemacht: Sein mageres Gehalt als Politikprofessor bessert er mit einem Zigarrenladen für Jakartas Superreiche auf. Die Straßen der Hauptstadt sind gepflastert mit Tabakwerbung, Straßenhändler bieten an Ampeln Glimmstängel an, und der schwere, würzige Geruch der landestypischen Nelkenzigaretten hängt in Läden, Büros und Hotelfoyers.

Wachsendes Gesundheitsbewusstsein und Rauch- und Werbeverbote zu Hause treiben westliche Tabakkonzerne in Schwellenländer. Besonders attraktiv sind China und Indien mit ihrer riesigen, jungen Bevölkerung - und eben Indonesien. Jeder zweite der 220 Millionen Indonesier raucht. Das macht das Land zum Eldorado für Tabakkonzerne. Philip Morris war 2005 bereit, über fünf Mrd. Dollar auszugeben für den Kauf von Sampoerna - mit fast 20 Prozent Marktanteil die lokale Nummer zwei.

Das Land mit den meisten Qualmern ist aber China. 350 Millionen Chinesen rauchen, damit lebt rund ein Drittel aller Raucher weltweit im Reich der Mitte. Jiang Chengkang pafft in seinem Büro mit Hingabe Rauchkringel in die Luft. Jiang ist Chef des nach Stückzahlen größten Zigarettendrehers der Welt, der China National Tobacco Corp (CNTC), und sein Geschäft brummt. 2005 hat CNTC mit 510 000 Mitarbeitern knapp zwei Billionen Glimmstängel produziert.

Und noch etwas ist einzigartig: Jiang leitet in Personalunion Chinas staatliche Tabakbehörde gleich mit. Daher muss er weder inländische Anti-Raucher-Gruppen noch ausländische Konkurrenten fürchten. Er kontrolliert alles, was in China mit dem Rauchen zu tun hat - vom Tabakanbau über das Zigarettenpapier bis zu Marketing.

Seit Jahren versuchen Tabakfirmen wie BAT und Philip Morris vergeblich, mit Marken wie Marlboro oder West einen größeren Anteil vom Markt zu erobern. Doch ausländische Marken sind teure Importware, eine Produktion vor Ort ist nur mit CNTC als Partner möglich. Seine Tabakindustrie hat China fest im Griff. Der Staatsanteil liegt bei 98,6 Prozent. Und das wird sich wohl nicht so schnell ändern. Der Grund: CNTC ist der mit Abstand größte Steuerzahler. Umgerechnet rund 24 Mrd. Euro spülte das Zigarettenmonopol 2005 in Chinas Staatskasse, seit 2000 lag das Wachstum bei jährlich 17,5 Prozent. Da erklärt die Regierung schon mal, Rauchen sei gesund - es fördere Konzentration und Effektivität am Arbeitsplatz, könne Krankheiten wie Parkinson verhindern.

Der Wandel kommt nur langsam. Ex-Führer Deng Xiaoping paffte seine Lieblingszigaretten der Marke „Panda“ in aller Öffentlichkeit - das wäre heute undenkbar. Kein Politbüro-Mitglied ist bei öffentlichen Auftritten mehr mit Zigarette zu sehen. Auch im Reich der Qualmer wird Gesundheitsschutz wichtiger. Tabakwerbung wurde eingeschränkt, Gesundheitswarnungen auf den Schachteln sind Pflicht, Zigarettenautomaten sind verboten.

Andere asiatische Regierungen nabeln sich schneller ab von der ungesunden Steuerquelle: Zu den Vorreitern gehört Singapur, wo Rauchern mit exorbitanten Steuern und strengen Verboten die Sucht schwer gemacht wird. Auch Thailand wird von Anti-Raucher-Aktivisten gelobt; und das kleine Bhutan hat sich zum ersten völlig rauchfreien Staat der Welt erklärt: Dort sind Zigaretten verboten wie andere Drogen.

Auch Indien bemüht sich, den Tabakkonsum einzudämmen. Jeder vierte Inder ist nikotinabhängig. Allerdings konsumieren die meisten Kautabak oder die landestypischen „Bidis“ - billige, handgerollte Tabakblätter, von Kleinstproduzenten hergestellt. Westliche Marken sind teuer, insgesamt liegt der Anteil der Zigarettenraucher bei nur acht Prozent.

Doch das sind immerhin mehr als 80 Millionen Menschen. Diesen attraktiven Markt versuchen die Ausländer mit Beteiligungen an indischen Herstellern zu knacken - mit geringem Erfolg. Philip Morris kommt über seinen 36-Prozent-Anteil an der lokalen Nummer zwei Godfrey Phillips nicht hinaus, BAT ist daran gescheitert, eine Mehrheit am lokalen Marktführer ITC zu übernehmen, an dem die Briten 33 Prozent halten.

ITC, Nachfolger der kolonialen „Imperial Tobacco Company“, stellt zwei von drei indischen Zigaretten her und ist das drittprofitabelste Unternehmen des Landes. Doch der Anteil des Tabaks am Umsatz ist seit der Jahrtausendwende von über 80 auf unter 50 Prozent gefallen, ITC hat inzwischen Erfolg mit Hotels und Lebensmitteln.

Denn das Geschäft mit dem Rauch wird schwieriger. Eine Million Inder sterben jedes Jahr an den Folgen des Tabakkonsums, die Regierung geht deshalb schärfer gegen die Sucht vor. Tabakwerbung wurde verboten, Filme und Fernsehserien dürfen keine Rauchszenen mehr enthalten, in öffentlichen Gebäuden herrscht Rauchverbot, und Zigarettenpackungen werden bald wie in Europa und den USA riesige Gesundheitswarnungen tragen müssen. Das Gesundheitsministerium will den Qualm auch aus Bars und Restaurants verbannen - wenn das zum Trend in Asien wird, werden sich Philip Morris und Co. wohl bald ein Beispiel an ITC nehmen müssen.