Horrorszenario Stromausfall: Deutschland ist auf einen dauerhaften Blackout nicht vorbereitet. Einer Studie zufolge drohen nach wenigen Tagen Todesopfer.

Szenario Stromausfall
© DPA/PA/EPAHorrorszenario Stromausfall: Droht Deutschland der Kollaps?
Deutschland ist auf einen großflächigen und lang andauernden Stromausfall nicht vorbereitet: Ein Kollaps der gesamten Gesellschaft wäre nicht zu verhindern, warnt das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in einem Bericht, der die dramatischen Folgen eines Blackouts für Deutschland analysiert.

Schon am Ende der ersten Woche müsste mit Todesopfern gerechnet werden, sagte Thomas Petermann, TAB-Vize und Mitautor der Studie, Welt Online. Allein die bundesweit 21.000 Intensivbetten seien bei einem Stromausfall gefährdet. Auch die 60.000 bis 80.000 Dialyse-Patienten könnten ohne Strom nicht ausreichend versorgt werden. Notstromaggregate sind in der Regel nur auf 24 bis 48 Stunden ausgelegt.

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte der Forschungsausschuss des Bundestags das TAB beauftragt, "Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften" am Beispiel eines Stromausfalls zu untersuchen. Die Folgen wären eine "nationale Katastrophe", sagte Petermann. Die bislang getroffenen Vorsorgemaßnahmen reichten nicht aus, die Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen zu versorgen.

Bei Blackout fällt Krisenkommunikation aus

Der tagelange Stromausfall im Münsterland im November 2005 war offensichtlich nur ein Vorgeschmack auf das, was geschehen kann, wenn gleich mehrere Bundesländer über einen längeren Zeitraum von der Elektrizitätsversorgung abgeschnitten sind. Terroristische Anschläge aber auch klimabedingte Extremwetterereignisse könnten Ursache für einen weiträumigen Stromausfall sein. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, wäre der Schaden dramatisch.

Das beginnt mit Schwierigkeiten bei der Krisenkommunikation. Handys können nicht mehr aufgeladen werden, das Fernsehen fällt aus. Batteriebetriebene Radios werden im Krisenfall zur wichtigsten Informationsquelle für die Bevölkerung.

"Die Folgen eines Stromausfalls treten abrupt auf und sind massiv", warnt der TAB-Bericht. Besonders betroffen ist der Straßenverkehr. Ohne Ampeln herrscht vor allem in den Städten Verkehrschaos. Tankstellen fallen aus, auch für die Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr wird der Treibstoff knapp. In den ersten 24 Stunden nimmt der Individualverkehr stark ab. Da die Flugsicherung ohne Strom für ihre Radarschirme nicht arbeiten kann, können keine Flugzeuge mehr landen oder starten.

Auch die Versorgung mit Trinkwasser ist vom Strom abhängig: Pumpen und Aufbereitungsanlagen arbeiten elektrisch, ebenso wie Kläranlagen. Ohne Strom kann die Bevölkerung kein Geld aus dem Bankautomaten ziehen. In den Kühltruhen der Supermärkte vergammeln die Lebensmittel. Weil in Gewächshäusern die Durchlüftung fehlt, verderben Obst und Gemüse. Als Fallbeispiel führt der TAB-Bericht Gefängnisse an: Bei Stromausfall haben sie erhebliche Probleme, die Häftlinge zu sichern und zu versorgen.

Kein Trinkwasser, keine Lebensmittel

Ohne Strom, so das Fazit der Studie, kann der Staat seine grundgesetzlich verankerte Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger nicht gerecht werden. Als Konsequenz aus diesen dramatischen Ergebnissen forderte Grünen-Energieexperte Hans-Josef Fell einen raschen Umstieg auf eine dezentrale Energieversorgung und den Ausbau "inselfähiger" Anlagen zur Stromgewinnung, die Sonne, Wind oder Biomasse als Energiequelle nutzen.

"Es muss alles getan werden, um einen Blackout zu verhindern", sagte Fell. Zugleich warnte er, die Studie in der aktuellen Debatte um die Energiewende als Argument für die längere Nutzung der Atomenergie heranzuziehen. Der Ausstieg müsse nur richtig organisiert werden.

Für mindestens zehn Tage sind nur noch vier der 17 deutschen Kernkraftwerke am Netz. Damit stehen drei Viertel der nuklearen Kraftwerkskapazitäten still. Das schürt in der Bevölkerung bereits die Angst vor einem Stromausfall an diesem Wochenende. Die Bundesnetzagentur aber beruhigt: "Wir halten die Situation für angespannt, aber noch beherrschbar."

Deutsche Atommeiler
© DPA/DAPD/PA/CHROMORANGEDa waren es nur noch vier: Die überwiegende Mehrheit der deutschen Atommeiler ist bereits abgeschaltet. Ab Samstag sind nur noch Brokdorf (o.M.), Grundremmingen B (3.v.l.), Isar (3.v.o.M.) und Neckarwestheim 2 (u.l.) am Netz.