Zwei spanische Gurkenlieferanten stehen im Zentrum einer europaweiten Untersuchung wegen des gefährlichen Darmkeims Ehec. Jetzt haben Behörden die Betriebe geschlossen - doch auch Gemüsehändler aus den Niederlanden und Dänemark stehen unter Verdacht.


EHEC-Quelle in Spanien?
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Berlin - Die Zahl der Neuerkrankungen nimmt weiter zu: Bei dem gefährlichen Durchfallerreger Ehec ist keine Entwarnung in Sicht. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Infektionsquelle noch aktiv ist, meldete das Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin.
  • Bisher sind in Deutschland mindestens sechs Menschen an den Folgen einer Ehec-Infektion gestorben.
  • Mehrere Menschen schweben weiter in Lebensgefahr.
  • Zudem erkrankten am Freitag binnen eines Tages bundesweit 60 Patienten an der schweren Komplikation Hus - so viele wie sonst nur binnen eines Jahres. Das hämolytisch-urämische Syndrom ist die schwerste Komplikation bei einer Ehec-Infektion, giftige Stoffwechselprodukte des Bakteriums können zu Nierenschäden führen.
Spanische Behörden haben nun offenbar Konsequenzen gezogen: Sie schlossen vorübergehend zwei Betriebe in Almería und Málaga im Süden des Landes. Sie sollen für die Verbreitung der mit den gefährlichen Ehec-Keimen befallenen Gurken in Deutschland verantwortlich sein, teilte die EU-Kommission mit. Die Namen der Betriebe nannte die Kommission nicht. Es wurden demnach Boden-, Wasser- und Produktproben genommen. Die Untersuchungen dauern an. Zudem wird eine weitere mögliche Quelle untersucht: Gurken aus den Niederlanden oder aus Dänemark.

Die spanischen Behörden dementierten die Angaben der EU am Samstagvormittag: In den Betrieben sei lediglich eine gewisse Menge von Gurken sichergestellt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Andalusien mit. Die Produktion sei aber nicht gestoppt worden.

Das Hamburger Hygiene-Institut hatte den Durchfallerreger bei vier Salatgurken vom Hamburger Großmarkt nachgewiesen. Drei seien spanischen, eine niederländischen Ursprungs, hieß es zunächst. Die Niederlande wiesen die Berichte über eine angeblich aus Holland stammende infizierte Gurke allerdings als unzutreffend zurück. "Wir haben bislang keinerlei derartige Erkenntnisse", sagte Marian Bestelink, die Sprecherin der zuständigen Behörde für Warenprüfung (VWA). Entsprechende Berichte gingen "möglicherweise darauf zurück, dass einer der betroffenen Gemüsebauern in Spanien, von wo wohl infizierte Gurken nach Deutschland geliefert wurden, Niederländer ist."

Von einer Epidemie will das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin noch nicht sprechen. Der Ausbruch sei dafür zu regional und dauere nicht lange genug an, sagte eine Sprecherin. Bislang wurden, binnen etwa einer Woche, insgesamt 1000 Fälle registriert - 276 davon bestätigt, der Rest sind Verdachtsfälle. Normalerweise werden in Deutschland im gesamten Jahr etwa 900 Infektionen mit den Bakterien gemeldet.

Erstmals bei dem aktuellen Ausbruch starb ein Mann an den Folgen einer Ehec-Infektion, bei den fünf weiteren Todesopfern handelt es sich um Frauen. Bei dem tot in seiner Hamburger Wohnung gefundenen 38-Jährigen wurde eine erste Probe positiv auf Ehec getestet. Der Mann war leblos von der Feuerwehr entdeckt worden, nachdem sein Arbeitgeber ihn als vermisst gemeldet hatte. In einem Bremer Krankenhaus starb eine über 70 Jahre alte Frau aus Cuxhaven. Zudem ließ sich der Tod einer 41-Jährigen auf Ehec-Bakterien zurückführen; sie stammte ebenfalls aus Cuxhaven.

Spanier protestieren gegen deutsche Info-Politik

Die Veröffentlichungen der deutsche Behörden stoßen in Spanien und den Niederlanden auf heftige Kritik: Man habe bei der Europäischen Union eine Beschwerde gegen die deutschen Berichte eingelegt, teilte das Madrider Agrarministerium mit. Deutschland habe gegen EU-Regeln verstoßen, sagte der Staatssekretär Josep Puxeu. Die Behörden hätten zuerst die Presse unterrichtet und nicht - wie vorgeschrieben - die Instanzen der EU. Dadurch drohten der spanischen Landwirtschaft große Verluste.

Auch deutsche Bauern und der Lebensmittelhandel kritisieren das staatliche Krisenmanagement: Die Zusammenarbeit zwischen den Lebensmittel-Überwachungsbehörden der Länder, dem Bundeslandwirtschaftsministerium und der Wirtschaft habe "nicht optimal" funktioniert, sagte ein Sprecher des Handelsverbandes BVL der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Obwohl wir in der Lebensmittelkette das letzte Glied vor dem Verbraucher sind und deshalb hohe Verantwortung tragen, haben wir vom Ehec-Darmkeim erst aus den Medien erfahren", sagte der Sprecher. Der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie (BVE), Jürgen Abraham, sagte der Zeitung, er befürchte einen wirtschaftlichen Schaden von 15 bis 40 Millionen Euro, falls die Quelle für den Ehec-Erreger nicht bald klar identifiziert sei.