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© AFP/NASA ModisAschewolke über Nordafrika: Wer war der Übeltäter?
Verwirrung bei Geoforschern: Ein Vulkanausbruch sorgt für Flugverbote in Ostafrika - doch Wissenschaftler haben den falschen Berg verantwortlich gemacht. Jetzt geben sie ihren Fehler zu. Die Rauchzeichen künden vom Auseinanderbrechen Afrikas, im geologischen Eiltempo entsteht ein neuer Ozean.

Seit Sonntagabend schwebt eine Aschewolke über Ostafrika. Sie treibt aus Eritrea nach Westen - und beeinträchtigt den Flugverkehr; in Äthiopien und Eritrea mussten Flüge umgeleitet oder gestrichen werden. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton bekam die Auswirkungen zu spüren, sie reiste vorzeitig aus Äthiopien ab. Der Ascheschleier ist die Folge eines großen Vulkanausbruchs: Die Aschesäule stieg stolze 15 Kilometer hoch, so viel Kraft haben nicht viele Eruptionen. Mittlerweile hat sich der Ausbruch aber abgeschwächt.

Das Vulkanbeobachtungszentrum VAAC im südfranzösischen Toulouse, das den Flugraum Nordafrikas überwacht, hatte den Vulkan Dubbi für den Ausbruch verantwortlich gemacht. Doch eine genauere Auswertung der Satellitenbilder ergab nun: Nicht der Dubbi, sondern der Vulkan Nabro ist explodiert - für Geologen ist das eine Sensation.

Der 2200 Meter hohe Nabro war seit Menschengedenken nicht mehr ausgebrochen, er schlief seit mindestens 10.000 Jahren. Doch in den letzten Tagen war es in der abgelegenen Region unruhig geworden, Erdbeben hatten Ende letzter Woche den Wüstenboden geschüttelt. Nun zeigt sich: Es war aufsteigendes Magma, das sich durch den Untergrund zwängte und ihn zittern ließ. Am Sonntagabend brach es sich den Weg an die Oberfläche, begleitet von einem Beben der Stärke 5,7.

Die Experten schwenken um

Bald hüllte sich die Region in dichten Aschenebel. Und so war aus der Luft nicht zu erkennen, welcher Vulkan verantwortlich war. Am Boden gibt es dort nur wenige Messstationen, mit deren Hilfe der Ausbruch analysiert werden konnte. Bewohner der Städte Afdera, Mekele und Semera hatten zwar Explosionen gehört - doch von welchem Vulkan, blieb zunächst unklar.

Den Nabro schlossen die Experten der VAAC zunächst aus, denn der Vulkan galt als erloschen. Und so tippten die Forscher auf den Dubbi, der etwas weiter nördlich liegt. Auch sein Ausbruch wäre eine Überraschung gewesen, schließlich schläft er seit 150 Jahren. 1861 war der Dubbi zuletzt explodiert, noch in 300 Kilometer Entfernung fiel dichter Ascheregen. Lavaflüsse schwemmten 22 Kilometer weit ins Land, zerstörten zwei Dörfer; mehr als 100 Menschen starben.

Dass es nun der Nabro war, ist eine gute Nachricht für die Anwohner. Während das Umland des Dubbi besiedelt ist, liegt der Nabro in der Einöde. Auch wissenschaftlich hat den Vulkan offenbar niemand auf der Liste. Erst im Laufe des Montags meldeten sich erste Experten zu Wort, dass der Nabro und nicht der Dubbi ausgebrochen sein könnte. Nachrichtenagenturen wurden vorsichtig, sie schrieben nun allgemein vom "Vulkanausbruch in Eritrea". Inzwischen ist auch das Vulkanbeobachtungszentrum VAAC umgeschwenkt: Aus dem Ausbruch des Dubbi wurde der Ausbruch des Nabro.

Damit bekommen Wissenschaftler Auftrieb, die Anzeichen dafür gefunden haben wollten, dass der Nabro doch auch in der jüngeren Vergangenheit ausgebrochen war. Basaltgesteine südwestlich des Vulkans zeigten, dass der Nabro womöglich weiterhin zu Ausbrüchen fähig sei, schrieben Pierre Wiart und Clive Oppenheimer von der University of Cambridge in Großbritannien in einer Studie vor sieben Jahren. Bei dem Basalt handelte es sich vermutlich um erstarrte Lava, die sich aus einer Spalte südlich des Nabro-Kraters ergossen haben könnte.

Der Wüstenboden reißt auf

Das Basalt-Gestein sei weniger verwittert als der Boden der Umgebung - das beweise sein junges Alter, schrieben die Forscher. Eine exakte Datierung des Ausbruchs legten Wiart und Oppenheimer allerdings nicht vor. Doch nun scheint sich zu bewahrheiten, dass die Basaltlava ein Warnschuss für die aktuelle große Eruption gewesen ist.

Der Vulkanausbruch und die Erdbeben zeigen, dass Nordostafrika im Umbruch ist. Im geologischen Eiltempo beginnt der ganze Kontinent zu zerbrechen, es entsteht ein neuer Ozean. 2005 begann ein neuer Aktivitätsschub, als in der Afar-Senke plötzlich auf 60 Kilometer Länge der Wüstenboden aufriss. Erst im November wurden Wissenschaftler Zeugen verstärkter Aktivität: Der berühmte Vulkan Erta Ale war ausgebrochen. Zwar hatte stets Lava im Krater des Erta Ale geblubbert - doch ausgebrochen war der Vulkan seit Jahrzehnten nicht.

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© University of Leeds/Tim WrightForscher begutachten sich öffnende Erdspalten in der Afar-Senke: Sobald Zugang zum Roten Meer besteht, wird die Senke volllaufen.
In Nordostafrika ist nichts mehr, wie es war. Der Wüstenboden bebt und bricht, Vulkane brodeln; das Meer dringt vor - Afrika beginnt, entzweizubrechen. Ein erster Riss ist in den vergangenen Jahrmillionen entstanden, ihn füllen das Rote Meer und der Golf von Aden. Nun öffnet sich auch die Erde von Äthiopien bis in den Süden nach Mosambik. Zahlreiche Vulkane säumen den Ostafrikanischen Grabenbruch. In einigen Millionen Jahren wird ein Ozean die Kluft füllen.

Das Meer dringt vor

Auch die Art des Magmas in der Region lässt die Wissenschaftler staunen: Es ist von jener Sorte, die sonst nur in der Tiefsee an Mittelozeanischen Rücken vorkommt. Charakteristisch ist sein geringer Anteil an Kieselsäure. Das Magma des Erta Ale ist von seiner Chemie her das eines Tiefseevulkans. Die Region ähnelt immer mehr einem Meeresboden, auf dem nur das Wasser fehlt.

Im Norden in der Danakilsenke kann der Vorstoß des Meeres schon bald passieren: Dort blockieren lediglich 25 Meter flache Hügel die Fluten des Roten Meeres. Das Land dahinter hat sich bereits Dutzende Meter abgesenkt. Weiße Salzkrusten auf dem Sandboden zeugen von einstigen Vorstößen des Ozeans. Doch Lava hatte dem Meer bald wieder den Zugang abgeschnitten.

Seit sechs Jahren hat sich die Ozeanentstehung in Nordostafrika beschleunigt. Bislang maßen Forscher in Nordostafrika ein paar Millimeter Dehnung des Bodens pro Jahr. Doch nun öffnet sich die Erde meterweise. Die Erdplatten driften auseinander.

Verantwortlich für die Spaltung Afrikas seien aber vor allem Vulkanausbrüche, schreiben Ian Bastow von der University of Bristol und Derek Keir von der University of Leeds im Fachmagazin Nature Geoscience. Wie Schweißbrenner spalteten die Eruptionen den afrikanischen Kontinent. Der Ausbruch des Nabro ist nun ein weiteres Rauchzeichen von der größten Baustelle des Planeten Erde.