In Brasilien ist die Zahl der Kinder mit einer Schädelfehlbildung um das Zwanzigfache gestiegen. Als Ursache der Mikrozephalie-Fälle ist das Zika-Virus ausgemacht worden.© Felipe Dana/AP/dpaAngelica Pereira steht mit ihrer Tochter Luiza auf dem Arm vor ihrem Haus in Santa Cruz do Capibaribe.
In den ersten Wochen ihrer Schwangerschaft fiel Angelica Pereira ein Mückenstich auf. Erst schien er wie alle anderen, dann kam ein Hautausschlag dazu. Es folgten Kopfschmerzen, Fieber und brennende Augen. Die Symptome verschwanden nach einigen Tagen. Doch die Mücke übertrug das Zika-Virus, und Pereira ist sich sicher, dass der Erreger Schuld ist an der schweren Schädigung ihrer Tochter.
Luiza kam im Oktober mit einem viel zu kleinen Kopf zur Welt. Mikrozephalie heißt diese Fehlbildung. Bei Luiza hat sie nicht nur die Gehirnentwicklung beeinträchtigt, sondern auch zu Lähmungen geführt. "Ich konnte nur noch daran denken, welche Kämpfe mein Baby ausfechten muss und welche Diskriminierungen es ertragen muss", sagt die junge Näherin aus Santa Cruz do Capibaribe im Nordosten Brasiliens.
In ihrem Heimatland häufen sich die Fälle von Mikrozephalie seit einigen Monaten. Mehr als 2.700 Babys wurden in diesem Jahr in Brasilien mit der Schädelfehlbildung geboren. 2014 waren es weniger als 150. Woran liegt das?
Die Behörden sehen Zika-Virus als UrsacheAls Ursachen für Mikrozephalie kommen verschiedene Infektionen während der Schwangerschaft ebenso infrage wie eine Belastung mit giftigen Stoffen oder genetische Abnormalitäten. Doch das sprunghafte Ansteigen der Fälle lässt für die brasilianischen Behörden keine andere Erklärung zu als das Zika-Virus.
Mit dem von Stechmücken übertragenen Virus wurden laut brasilianischen Schätzungen seit Mai Hunderttausende Menschen im Land infiziert, möglicherweise sogar weit über eine Million. Das Zika-Virus wurde vor rund 40 Jahren erstmals in Uganda beim Menschen gefunden. In Amerika fiel es erst vor knapp zwei Jahren auf. Seitdem hat es sich weit über Süd- und Mittelamerika verbreitet. Lange galt der Erreger als weniger gefährlicher Bruder der Fieberviren Dengue und Chikungunya, die ebenfalls von der Aedes-Mücke übertragen werden.
Dass das Virus aber schwere Spätfolgen haben könnte, fiel Medizinern und Behörden spätestens im vergangenen Jahr auf. Damals wurden aus Französisch-Polynesien inmitten eines Zika-Ausbruchs 17 Fälle von Fehlbildungen bei ungeborenen Kindern und Neugeborenen gemeldet. Das berichtete das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, kurz ECDC. Das ECDC hat einen ausführlichen
Bericht zum Zusammenhang von Zika-Infektionen und Mikrozephalie verfasst und Handlungsempfehlungen für Mediziner herausgegeben.
Im November fanden brasilianische Forscher dann das Zika-Genom im Fruchtwasser zweier Frauen, bei deren Babys im Ultraschall Mikrozephalie festgestellt worden war. Außerdem wurde das Zika-Virus im Hirngewebe eines verstorbenen Neugeborenen mit Mikrozephalie entdeckt.
"Wir sehen uns am Beginn einer Epidemie in einem Land mit 200.000 bis 300.000 Geburten pro Jahr", sagt Rodrigo Stabeli, Vizepräsident des Forschungsinstituts Fiocruz in Rio de Janeiro. "Das lässt ermessen, welch große Sorgen dies uns macht." Das Ausmaß lasse sich noch kaum fassen. "Es ist ein Virus, über das wir nicht viel wissen", sagt Stabeli. Einige Ärzte und Hebammen warnen inzwischen schon davor, während der Regenzeit schwanger zu werden. Denn dann sind besonders viele der gefährlichen Mücken unterwegs. Zu ihnen gehört auch Helga Monaco vom Samaritano-Krankenhaus in São Paulo. "Sämtliche Frauen, die in der Klinik oder in meiner Praxis zu mir kommen und schwanger sind oder es werden wollen, haben Angst, fast Panik", sagt sie.
Brasilien will die Mücken ausrottenWährend internationale Gesundheitsexperten noch betonen, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Zika-Epidemie und den zahlreichen Mikrozephalie-Fällen in Brasilien noch nicht erwiesen sei und weitere Untersuchungen folgen müssten, will Brasilien nicht warten. "Es gibt keinen Zweifel, dass der Großteil der Mikrozephalie-Fälle in Verbindung zum Zika-Virus steht", sagt Claudio Maierovitch, der Direktor der brasilianischen Gesundheitsschutzbehörde.
Da es keine Impfung gibt und die Infektion nur symptomatisch behandelt werden kann, versucht das Gesundheitsministerium, die Überträger zu bekämpfen: Die Mücken sollen ausgerottet werden. Um die Brutgründe der Moskitos auszutrocknen, hat die Regierung die Bevölkerung aufgerufen, Wasser nicht in offenen Behältern wie Tanks und Eimern aufzubewahren. Fast 270.000 Helfer sollen im Auftrag des Ministeriums von Haus zu Haus ziehen, von Farm zu Farm und von Fabrik zu Fabrik. Sie sollen Rückzugsorte für die Aedes-Mücken aufspüren und über die Risiken einer Zika-Infektion aufklären.
Adriana Gómez Licón, AP
deutsche Fassung: Silvia Vogt, AP
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