Nanoroboter könnten künftig Reparaturen im Körper erledigen oder Krankheitserreger bekämpfen
Nanoroboter
Nanoroboter
Wien - Man konnte sie bereits in Science-Fiction-Filmen bestaunen: Ein Schwerverletzter wird in die Krankenstation eingeliefert und schnellstens in eine fremdartige, hellbeleuchtete Maschine gelegt. Mechanische Arme erscheinen. Scannend und tastend beginnen sie ihr Werk. Schon bald darauf geht es dem Patienten besser. Robotertechnik statt ärztlicher Handgriffe, sieht so die Zukunft der Medizin aus?

Vermutlich ja. Die Automatisierung verbucht zurzeit vor allem in der Chirurgie bemerkenswerte Fortschritte. Experten des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums zum Beispiel erproben den Einsatz von robotergesteuerten Wasserstrahlen. Die dazu erforderlichen Geräte werden laparoskopisch, durch minimale Öffnungen, eingeführt. Der genau dosierte Druck der Wasserstrahlen eignet sich bestens zur Entfernung von krankhaftem Weichteilgewebe, ohne dabei Blutgefäße zu beschädigen.

Es gibt allerdings noch viel spektakulärere Projekte. 2011 schickten Forscher der Harvard Medical School in Boston, USA, erstmalig eine ganze Flotte Roboter auf Zerstörungsmission. Die Geräte ähnelten sechseckigen Fässern, jedes von ihnen hatte einen Durchmesser von lediglich 35 Nanometern. Zum Vergleich: Ein Wassermolekül ist etwa einen Nanometer lang. Das Einsatzgebiet der winzigen Maschinen war eine Zellkultur, in der sich Leukämiezellen und gesunde Leukozyten mischten. In ihrem Inneren trugen die Nanoroboter Antikörperfragmente mit wachstumshemmender Wirkung. Durch Unterbrechung des Teilungszyklus sollten die Leukämiezellen zur Apoptose, also zur Selbstzerstörung, angeregt werden.

Roboter mit tödlicher Fracht

Der Plan ging auf. Nach 72 Stunden war rund die Hälfte der Blutkrebszellen in den apoptotischen Zustand übergegangen. Die Nanoroboter hatten ihre tödliche Fracht präzise an deren Oberfläche abgesetzt. Bis dahin blieben die Fässchen durch zwei Spezialschlösser an der Vorderseite verriegelt. Sobald die Zwergmaschinen jedoch ihr Ziel erreichten, öffneten sich die Verschlüsse. Die Roboter klappten sich wie Muscheln auf und drückten die Teilantikörper direkt auf die Zellmembran. Den Rest erledigte die Biochemie. Gesunde Leukozyten blieben unversehrt. Auf sie reagierten die Nanoroboter nicht.

Wie konnte dieses Kunststück gelingen, und woraus lassen sich derart leistungsfähige Kleinstgeräte konstruieren? Des Rätsels Lösung trägt jedes Lebewesen in sich: DNA, Desoxyribonukleinsäure. Die Erbgutsubstanz ist im Prinzip nichts anderes als ein Polymer und hat somit ähnliche Eigenschaften wie viele Kunststoffe. Bei Erhitzung lässt sie sich sogar schmelzen. Abgesehen davon ist DNA überaus stabil - wenn sie nicht von speziellen Enzymen angegriffen wird.

Die Moleküle selbst bestehen aus kettenförmig angeordneten Bausteinen mit sogenannten Basen. Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin, in beliebiger Reihenfolge und Länge. In der Natur liegt DNA normalerweise als Doppelstrang vor. Adenin paart sich dabei immer mit Thymin, Guanin mit Cytosin. Dank dieser Affinität gehen komplementäre Abschnitte bei Gelegenheit sofort Bindungen ein. Neue, komplexe Strukturen entstehen. Es ist ein automatischer und vorhersagbarer Prozess, vorausgesetzt, man kennt die Basenabfolge. Und die lässt sich mittlerweile sogar künstlich festlegen.

Die Idee, Desoxyribonukleinsäure als Werkstoff zu benutzen, kam Forschern bereits in den Achtzigern. Der große Durchbruch fand allerdings erst 2006 statt. Damals präsentierte der US-Bioingenieur Paul Rothemund sein Verfahren zur Herstellung von flachen Strukturen aus einzelnen DNA-Strängen. Rothemund nutzte dazu kurze, zusätzliche DNA-Fragmente als Klammer. Letztere falteten die langkettigen Moleküle an exakt im Voraus berechneten Positionen, die DNA-Origami-Technik ward geboren.

Flache Plättchen können selbstverständlich auch als Bauteile für dreidimensionale Gebilde dienen, man muss sie nur an den richtigen Stellen zusammennieten. Nichts anderes taten die Harvard-Experten beim Konstruieren ihrer Leukämiezellen bekämpfenden Nanoroboter.

Aggressive Abwehr

Die Entwicklungen schreiten fort. Einem italienischen Team gelang 2014 der Bau eines nur 14 Nanometer schmalen Kapselroboters mit aufklappbarer Ladeluke. Schon träumen manche Mediziner von Heerscharen unterschiedlicher Nanoroboter. Überall im Körper sollen sie Reparaturarbeiten erledigen und Krankheitserreger bekämpfen können. Bis es allerdings so weit ist, sind noch einige Hürden zu überwinden. Die winzigen Helferlein mögen in Zellkulturen ganz gut zurechtkommen, unter Realbedingungen haben sie bisher keine Chance. Zu aggressiv ist die körpereigene Abwehr mit ihren zerstörerischen Enzymen. So leicht lässt sich die Natur eben doch nicht ins Handwerk pfuschen.

(deswa)