Das chronisch überbevölkerte antike Rom hatte immer wieder mit verheerenden Epidemien zu kämpfen. Die tausenden Toten bestattete man auf pragmatische Art und Weise.

antikes Rom
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Der Aufstieg vom Stadtstaat zur Hauptstadt eines Weltreichs ließ Rom aus den Fugen geraten. Von der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. bis zur Hochphase des Kaiserreichs im 2. Jahrhundert n. Chr. wuchs die Bevölkerung von 250 000 auf 750 000 oder gar eine Million Einwohner an. Diese Entwicklung hatte aber ihren Preis: Überbevölkerung und Platznot zwang die Ärmeren dazu, auf engstem Raum zusammenzuleben. Diese Bedingungen begünstigten die Verbreitung von Krankheiten und dürften zumindest teilweise erklären, wieso die Stadt so häufig von Epidemien heimgesucht wurde.
Auf einen Blick
Stapelweise Leichen
  1. Mehrere Epidemien suchten Rom im Lauf der Antike heim. Eine von ihnen, die so genannte Antoninische Pest, soll tausende Menschen pro Tag das Leben gekostet haben.
  2. Eine solche Zahl von Toten ließ sich nicht mehr in Einzelgräbern bestatten. Die Katakombe von Sankt Petrus und Marcellinus zeigt, dass die Leichen stattdessen in Gemeinschaftsanlagen gestapelt wurden. Trotz Massengrab gab es Bestattungsriten: Man bestrich die Leichen mit Gips, streute Bernstein und Harze darüber und gab Vornehmen wertvolle Gegenstände mit.
Dass dem so war, überlieferten etliche Chronisten. So soll eine Epidemie im Jahr 189 laut dem griechischen Autor Cassius Dio täglich mehr als 8000 Menschen das Leben gekostet haben. Zwar ist diese Angabe heute umstritten, doch sie zeigt die Größenordnung der Sterblichkeit während solcher Phasen. Experten schätzen, dass sie bei dieser als Antoninische Pest - benannt nach dem Herrscherhaus der Antoniner - bekannten Seuche zwischen 7 und 33 Prozent der Stadtbevölkerung lag.

Wie viel Leid und Trauer ein solches Massensterben verursacht haben mag, wie die Bürger Roms damit umgingen, was die Obrigkeit dagegen unternahm - über all das wissen wir nur wenig. Ebenso unsicher ist, wie man versuchte, der Leichen Herr zu werden. Die wenigen schriftlichen Zeugnisse stammen zumeist aus republikanischer Zeit. Ihnen zufolge warf man viele Tote in den Tiber, andere entsorgte man in dem Graben, der die so genannte Servianische Stadtmauer umgab.

Ausgrabungen an der Servianischen Stadtmauer

Ausgrabungen auf dem Esquilin, einem der sieben Hügel Roms, förderten Ende des 19. Jahrhunderts einen Teil der Verteidigungsanlage zu Tage. Die Mauer säumte tatsächlich ein gewaltiger Graben von gut 30 Meter Breite und etwa 9 Meter Tiefe, der auf einer Länge von mehr als 30 Metern frei gelegt wurde. Er war bis zum Rand mit menschlichen Skeletten gefüllt. Die Archäologen schätzten, dass etwa 24 000 Leichen dort "beigesetzt" worden waren. Ob es sich dabei hauptsächlich um Seuchenopfer handelte und zu welcher Zeit die Menschen starben, ist nicht bekannt.

Katakombengrab im antiken Rom
© Denis Gliksman, Inrap; mit frdl. Gen. von Dominique Castex Katakombengrab im antiken Rom
Die Katakombe von Sankt Patrus und Marcellinus beherbergt Berge von Skeletten. Die Ergebnisse der archäologischen Untersuchung zeigen, dass es sich bei ihnen wahrscheinlich um die Opfer einer Seuche handelt.
Diese Nutzung des Grabens wurde reguliert - möglicherweise aus hygienischen Gründen oder weil der Platz darin knapp wurde - und unter Augustus im 1. Jahrhundert v. Chr. ganz verboten. Aus der nun folgenden Kaiserzeit gibt es kaum verwertbare Berichte über den Umgang mit massenhaft anfallenden Toten. Wohin ließ beispielsweise Kaiser Commodus (161-192) die von Cassius Dio erwähnten Opfer der Antoninischen Pest bringen? Die antike Überlieferung schweigt sich hierzu aus, und lange konnten auch Archäologen keine befriedigende Antwort auf diese Frage geben. Neue Anhaltspunkte liefern Grabungskampagnen in einer Katakombe etwa drei Kilometer südöstlich des antiken Stadtkerns. Der Legende nach wurden im 3. Jahrhundert dort die Märtyrer Marcellinus und Petrus beigesetzt, weshalb die Gewölbe später christliches Gemeinschaftsgrab wurden.

Die auch "Friedhof zu den zwei Lorbeeren" genannte unterirdische Anlage - eine von 60 in Rom und Umgebung - besteht aus einem ganzen Netz von Grablegen, verteilt auf gut 4,5 Kilometer Galerien und drei Stockwerke. Zwischen dem Ende des 3. und dem Beginn des 5. Jahrhunderts wurden dort 20 000 bis 25 000 Menschen bestattet.

Bestattung im Gewölbe

Nachdem ein Teil des mittleren Sektors eingebrochen war, konnten Archäologen 2004 einen bis dahin unzugänglichen Bereich untersuchen, der sich deutlich von den anderen unterschied. Während Gänge sonst in rechten Winkeln zueinander aus dem Gestein geschlagen worden waren, mit Einzelgräbern ("loculi") in ihren Wänden, gibt es dort etliche miteinander verbundene Räume unterschiedlicher Größe. Vor allem entdeckten italienische Archäologen in einigen davon die Gebeine zahlreicher Individuen - es waren Kollektivgräber. Sie konnten außerdem nachweisen, dass man dort vollständige Körper bestattet hatte.

Von 2005 bis 2010 folgten weitere Kampagnen im Rahmen eines gemeinsamen Projekts verschiedener Institutionen wie dem Centre national de la recherche scientifique (CNRS), der Maison des Sciences et de l'Homme d'Aquitaine, der Päpstlichen Kommission für Sakrale Archäologie, dem Institut national de recherches archéologiques préventives (INRAP) und der École Francaise de Rome.

Die Forscher untersuchten zwei kleinere Räume gänzlich, zwei größere teilweise. Sie legten die Skelette von insgesamt etwa 500 Individuen frei, die in mehreren Lagen aufeinandergestapelt waren. Ein Fresko aus dem Hochmittelalter im Gang zu einer der Kammern zeigt militärisch gekleidete Personen neben den Märtyrern Petrus und Marcellinus. Die dort Beigesetzten hätten gemäß der christlichen Bildsprache der Zeit also Opfer von Christenverfolgungen gewesen sein können. Da jedoch keines der Skelette Spuren von Gewalt aufwies, kommt diese Erklärung nicht in Frage. Datierungen anhand diverser Kleinfunde und Münzen sowie mit Radiokohlenstoffanalysen von Knochen- und Geweberesten bestätigten, dass die Kammern bereits Ende des 1. bis Anfang des 3. Jahrhunderts als Grablege dienten, also noch vor dem Martyrium der Genannten.

Gemeinschaftlich zur letzten Ruhe

Die Bestattung einer großen Zahl von Toten am gleichen Ort lässt vermuten, sie seien einer Seuche zum Opfer gefallen - sofern man sie tatsächlich etwa zur gleichen Zeit bestattet hat. Doch laut einer 3-D-Rekonstruktion des Gesamtvolumens der Körper vor der Verwesung hätte das verfügbare Volumen der Grabkammern für eine gleichzeitige Deponierung aller Toten auf keinen Fall gereicht (siehe Bild).

3-D-Rekonstruktion des Katakombengrabs Rom
© Géraldine Sachau-Carcel, Université Bordeaux; mit frdl. Gen. von Dominique Castex 3-D-Rekonstruktion des Katakombengrabs
Wenn man die Körper der Toten in einer der Kammern digital rekonstruiert, zeigt sich, dass sie nicht alle auf einmal dort abgelegt worden sein können: Das Gesamtvolumen wäre zu groß (rechts).
Trotz des eher mäßigen Erhaltungszustands der Gebeine ließ sich andererseits zeigen, dass die Skelette von direkt neben- und übereinander gestapelten Personen jeweils im anatomischen Verbund lagen, das heißt: Die Anordnung der Knochen war erhalten geblieben. Wären diese Toten aber zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten in den Kammern abgelegt worden, hätten die jüngeren die bereits stark verwesten älteren Leichen beeinträchtigt.

Löst man den Blick von Einzelskeletten und betrachtet sie als Bestandteil archäologischer Schichten, fällt auf, dass die meisten Individuen in ihrer jeweiligen Schicht systematisch angeordnet worden waren: auf dem Rücken liegend, Seite an Seite; kleine Kinder in den Lücken zwischen Erwachsene - ein Platz sparendes Schema. Einige Schichten waren zudem nach unten durchgebogen, wobei die Schädel und die Knochen der unteren Gliedmaßen über denen des Rumpfs lagen. Wahrscheinlich sackten die offenbar gemeinsam verwesenden Körper in die Form der darunter liegenden Schicht bereits zersetzter Kadaver.

Auch wenn nicht alle 500 Menschen Opfer ein und desselben Ereignisses geworden waren, gab es also zweifellos Massenbestattungen, und die Kammern dienten als Notfallgrablege für Krisenzeiten. 2013 lieferte eine chemische Analyse des Tuffsteins zusätzliche Anhaltspunkte: Weil bei der Verwesung organische Flüssigkeiten entstehen, die das Gestein in der Umgebung des Kadavers verändern, ließen sich drei Massenbegräbnisse nachweisen und weitere nicht ausschließen.

Wer waren die Toten?

Epidemien sind derzeit die wahrscheinlichste Erklärung des Befunds. Die Antoninische Pest, die manche Medizinhistoriker den Pocken zuschreiben, würde zur Datierung passen. Allerdings konnte bislang keine DNA eines entsprechenden Pathogens identifziert werden. Zudem spricht die erwähnte 3-D-Rekonstruktion dafür, dass die Bestatteten mehreren aufeinander folgenden Seuchen zum Opfer fielen oder dem Zusammentreffen von Seuchen und anderen katastrophalen Ereignissen.

Offenbar genossen zumindest einige der Toten eine hohe gesellschaftliche Stellung, denn zu den Kleinfunden gehörte zum Beispiel ein Paar goldener Ohrringe und ein Ring aus Gagat. Viele Leichname waren in Leinen eingewickelt worden, und manche dieser Stoffe waren von feiner Machart, wiesen bisweilen sogar eingewebte Goldfäden auf.

Zuvor hatte man etliche Tote chemischen Analysen nach von Kopf bis Fuß mit Gips bedeckt. In dessen Resten sowie auf den Skeletten entdeckten die Forscher auch feine rötliche Partikel, die sich als Bernstein von der Ostseeküste herausstellten, sowie Rückstände von Sandarach und Weihrauch. Ersterer galt als Schutz gegen Krankheiten, unterstreicht also die Seuchenthese. Auch die beiden Harze passen dazu: Die hippokratische Tradition der antiken Medizin vertrat nämlich die Ansicht, dass übel riechende Luft gefährlich sei, da sie so genannte Miasmen transportiere. Gegen diese versuchte man sich zu schützen, indem man die Luft im Gegenzug mit Wohlgerüchen sättigte.

Knochenfund Rom
© Denis Gliksman, Inrap; mit frdl. Gen. von Dominique Castex Knochenfund
Hier wurden mehrere Leichname gleichzeitig abgelegt, wie der Erhalt des anatomischen Verbunds der Knochen zeigt.
Diese für Rom ungewöhnliche Bestattungspraxis könnte die Sitte einer aus einem anderen Kulturkreis zugezogenen Bevölkerungsgruppe gewesen oder von dieser inspiriert worden sein. Das würde den Gips verständlich machen: In vielen antiken Gräbern in Tunesien und Algerien hat man ein helles, gipsähnliches Material auf den Körpern von Bestatteten gefunden. Diese Praxis könnte sich während der Kaiserzeit durch Migration im römischen Reich verbreitet haben.

Dementsprechend findet man ähnliche Beispiele auch in mehreren europäischen Ländern. Biochemische Untersuchungen an 130 Skeletten der Katakombe zeigten 2015, dass sich die Ernährung dieser Personen zwar nicht von der anderer Rombewohner unterschied - Getreide, Fleisch und Fisch - , ein Viertel von ihnen aber tatsächlich Migranten gewesen waren, davon einige aus Afrika, Arabien und Kleinasien.

Am Vorabend der Spätantike

Dass die Gruft von Marcellinus und Petrus kein Einzelfall war, bewies der italienische Archäologe Giuseppe Wilpert: In der Katakombe von Sankt Calixt legte er eine ähnlich organisierte Abfolge aus mehreren Schichten aufgehäufter menschlicher Skelette frei, die in die gleiche Zeitspanne datiert wurde. Beide Massengräber unterstreichen die Überlieferung des Cassius Dio, der von 8000 Toten pro Tag in Folge der Antoninischen Pest schrieb.

Gut 50 Jahre später ergriffen Soldatenkaiser die Macht, wurden aber der inneren und äußeren Konflikte nicht Herr. Hatte das Massensterben so tiefe Wunden in Rom hinterlassen, dass es das Reich destabilisierte? Diese These gilt inzwischen zwar als überholt, doch sollte tatsächlich ein Drittel der Stadtbevölkerung der Seuche zum Opfer gefallen sein, wie manche Experten schätzen, mag sie wesentlich zu den Transformationsprozessen beigetragen haben, die das Imperium schließlich Ende des 3. Jahrhunderts in ein neues Zeitalter führten: die Spätantike.