Garching/ Deutschland - Die Ergebnisse einer neuen Studie werfen ein neues Licht auf die Aktivität der massereichen Schwarzen Löcher in den Zentren von Galaxien während der letzten 11 Milliarden Jahre und offenbart eine wissenschaftliche Überraschung: Kollisionen von Galaxien, wie bislang angenommen, sind nicht die Ursache für die Aktivierung der kosmischem Monster - auch nicht im Gedränge des frühen Universums.
Lichtschwache Galaxien
© CFHT/IAP/Terapix/CNRS/ESOBlick in das COSMOS-Feld mit zahlreichen lichtschwachen Galaxien.

"Im Herzen der meisten, wenn nicht sogar aller großen Galaxien lauert ein supermassereiches Schwarzes Loch mit einer Masse, die Millionen oder sogar Milliarden Mal größer ist als die unserer Sonne", erläutert die Pressemitteilung der Europäischen Südsternwarte (ESO.org). "Bei vielen Galaxien, auch bei unserer Milchstraße, ist das Schwarze Loch in einem ruhigen Zustand. In anderen Fällen, die im frühen Universum besonders häufig auftreten, verschlingt das 'Monster' im Zentrum der Galaxie größere Mengen Materie, welche dann beim Sturz in das Schwarze Loch intensive Strahlung aussendet. So wird aus einem Schwarzen Loch ein so genannter aktiver Galaxienkern (englisch Active Galactic Nucleus, abgekürzt AGN)."

Wie jedoch das Material, das die Aktivität auslöst und so gewaltige Ausbrüche in den Zentren der Galaxien verursacht, in die Nähe des Schwarzen Lochs gerät ist noch ungeklärt. Bislang vermuteten viele Astronomen, dass die Galaxienkerne aktiviert werden, wenn die regulären Bahnen der Materie in Galaxien durch eine Verschmelzung oder einen Beinahe-Zusammenstoß zweier Galaxien gestört werden, und damit neue Materie in Richtung des Schwarzen Loches fällt.

Allerdings, das belegt die nun vorgestellte Untersuchung der Astronomen um Viola Allevato vom "Max-Planck-Institut für Plasmaphysik" und dem "Exzellenzcluster Universe" in Garching, trifft diese Erklärung auf viele aktive Galaxien nicht zu.

Zusammen mit einem aus Mitgliedern der "COSMOS-Kollaboration" bestehenden, internationalen Wissenschaftlerteam, hat Allevatos Team mehr als 600 aktive Galaxien untersucht, die sich im sogenannten COSMOS-Feld (s. Abb.) befinden, einem besonders gut untersuchten Gebiet des Himmels. Genau wie sie erwartet hatten, stellten die Wissenschaftler fest, dass die meisten aktiven Galaxien während der vergangenen 11 Milliarden Jahre mäßig hell leuchteten, während extrem leuchtkräftige aktive Galaxienkerne eher selten waren.

Zur Überraschung der Astronomen zeigte sich aber auch, dass die überwiegende Mehrheit dieser häufigeren und weniger hellen aktiven Galaxienkerne nicht durch Galaxienverschmelzungen aktiviert wurden. Die Ergebnisse der Studie, die auf Daten des Very Large Telescope der ESO und des Röntgensatelliten XMM-Newton der europäischen Weltraumagentur ESA beruht, wurden in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal veröffentlicht.

"Ein aktiver Galaxienkern verrät sich durch Röntgenstrahlung, die aus der Umgebung des Schwarzen Loches stammt und vom ESA-Satelliten XMM-Newton nachgewiesen werden kann. Die auf diese Weise herausgefilterten Galaxien wurden anschließend mit dem Very Large Telescope der ESO beobachtet, um ihre Entfernung zu bestimmen." Die Kombination beider Beobachtungsverfahren ermöglichte es dem Team, eine dreidimensionale Karte der Positionen der aktiven Galaxien zu erstellen.

“Es hat über fünf Jahre gedauert, aber dafür haben wir jetzt eine der größten und vollständigsten Bestandsaufnahmen von aktiven Galaxien am Röntgenhimmel” erklärt Marcella Brusa, eine der Autorinnen der Studie.

Anhand der Karte untersuchten die Wissenschaftler die Verteilung der aktiven Galaxien und verglichen diese mit bisherigen theoretischen Vorhersagen. Ebenso waren sie in der Lage festzustellen, wie sich diese Verteilung über den Zeitraum von vor etwa 11 Milliarden Jahren bis in die Gegenwart veränderte.

"Dabei zeigte sich, dass die meisten aktiven Kerne in großen, massereichen Galaxien zu finden sind, die große Mengen an Dunkler Materie enthalten. Das war eine Überraschung und steht im Widerspruch zu theoretischen Vorhersagen - wenn die Mehrzahl der aktiven Kerne durch Kollisionen und Verschmelzungen von Galaxien entstünden, wäre zu erwarten, dass sie sich bevorzugt in Galaxien mittlerer Masse (mit etwa einer Billion Sonnenmassen) befinden." Stattdessen fand das Team heraus, dass sich die meisten aktiven Kerne in Galaxien befinden, deren Masse rund zwanzigmal größer war als von der Theorie der Galaxienverschmelzungen vorhergesagt.

“Diese Ergebnisse eröffnen uns einen völlig neuen Blick darauf, wie supermassereiche Schwarze Löcher ihre Mahlzeit beginnen“ erläutert Viola Allevato. “Offenbar werden Schwarze Löcher in den meisten Fällen durch Vorgänge innerhalb der Galaxie selbst gefüttert, zum Beispiel durch Scheibeninstabilitäten oder durch die rasche Bildung vieler neuer Sterne, nicht aber durch Kollisionen mit anderen Galaxien.“

Alexis Finoguenov, der die Arbeit betreut hat, schließt: “Sogar in der fernen Vergangenheit, vor fast 11 Milliarden Jahren, waren Kollisionen zwischen Galaxien nur in wenigen Prozent der Fälle der Auslöser für die Aktivität der mittelhellen Galaxienkerne. Die Ergebnisse sind umso überraschender, da zu dieser Zeit die Galaxien viel näher zusammen standen Galaxienverschmelzungen daher häufiger gewesen sein dürften als in der jüngeren Vergangenheit.”

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