Opposition und Datenschützer im Land sind besorgt wegen des Anstiegs richterlich genehmigter Abhöraktionen.
© dpaBrandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD).
Potsdam - Brandenburgs Polizei und Staatsanwaltschaften hören zur Verbrechnensbekämpfung immer häufiger Telefone ab. Das geht aus einer den PNN vorliegenden aktuellen Antwort von Innenminister Dietmar Woidke (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage der CDU hervor. Danach wurden im Jahr 2010 bereits 667 Handy- und Festnetzanschlüsse überwacht. Das sind fast ein Drittel mehr als 2009, wo es in Brandenburg 537 „Lauschangriffe“ auf Telefone gegeben hatte, um Kriminellen auf die Spur zu kommen. Und der Trend geht weiter ungebrochen aufwärts: In diesem Jahr wurden bis Juni 411 Anschlüsse abgehört, sodass 2011 eine Rekordmarke droht. Opposition und Datenschützer sehen das durchaus kritisch, zumal die Sensibilität für diese Problematik nach dem jüngsten Abhör-Skandal bei der sächsischen Polizei wieder gewachsen ist, die im Zuge einer Demonstration fast eine Million Anschlüsse überwacht hatte.
„Wir müssen aufpassen, dass Telefonüberachungen in Brandenburg nicht ausufern“, warnt nun der CDU-Justizpolitiker Danny Eichelbaum, der die Anfrage an die Landesregierung gestellt hatte. Zwar seien die Überwachungen in Ermittlungsverfahren bei schweren Straftaten mit richterlichen Genehmigungen zulässig. „Aber das darf nicht zum Regelinstrument werden, sondern muss Ausnahme bleiben“, sagte Eichelbaum. So müssten sogenannte Funkzellenabfragen mit der Folge der massenhaften Speicherung von Personendaten, wie sie in Sachsen praktiziert worden sind, beschränkt werden. Und die Zahlen in Brandenburg seien schon auffällig in die Höhe geklettert. 667 Überwachungen im Jahr 2010 stünden 405 in Thüringen gegenüber. Zudem mahnte Eichelbaum eine „bessere Unterrichtung“ des Landtages an.
Auch Brandenburgs Landesdatenschutzbehörde beobachtet den Trend aufmerksam. Die Überwachungen seien zur Bekämpfung schwerer Straftaten zwar zulässig, sagte Sprecher Sven Müller. „Doch aus Sicht des Datenschutzes sollte man mit diesem Instrument so sparsam wie möglich umgehen, weil immer auch Unbeteiligte betroffen sind“. Man sehe „den Trend der Zunahme durchaus mit Besorgnis, weil Nichtbeteiligte betroffen sind.“ Zudem geht es nicht allein um einen Eingriff in Grundrechte, wie die FDP-Vizefraktionschefin und Justizexpertin Linda Teuteberg sagt: Es gehe auch um eine Flut von Daten, die dann aufwendig ausgewertet werden müssen - was auch für Ermittlungen nicht unbedingt erfolgsversprechender sei. „Man muss fragen, ob es zielführend ist oder man vielleicht den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, es weniger aufwendige Instrumente gibt.“
Brandenburgs Innenministerium sieht dagegen keine Gefahr von Auswüchsen. „Von einem Ausufern kann keine Rede sein“, sagte ein Sprecher. „Man braucht dieses Mittel.“ So sei der hohe Anteil von Überwachungen wegen Drogendelikten - jede zweite Abhöraktion fällt darunter - schon damit erklärbar, dass es sich oft um Bandenkriminalität handle, Täter oft mehrere Handys benutzten. In diesem Jahr gab es aber auch 13 „Lauschangriffe“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, offenbar auf die vom Innenministerium dann verbotenen rechtsextremen „Freien Kräfte Teltow-Fläming.“
Dennoch weist Brandenburgs Kriminal- und Abhör-Statistik Auffälligkeiten auf. So macht Drogenkriminalität das Gros der Telefonüberwachungen aus, mit 233 überwachten Anschlüssen im Jahr 2009, 325 Überwachungen 2010 und bereits 243 Lauschangriffen in den ersten sechs Monaten 2011. Laut Statitik nutzen die Fahnder schneller die Telefonüberwachung als die Drogenkriminalität steigt: Im gleichen Zeitraum von 2009 bis 2010, in dem die Abhör-Aktivitäten gegen Dealer um ein Drittel zunahmen, wuchs die Drogenkrimalität leicht um 9 Prozent auf 5077 Fälle. Im Vorjahr gab es 49 Abhöraktionen wegen Mordes, 37 wegen schweren Raubes, 27 wegen Totschlags, 19 wegen Brandstiftung und 9 wegen Bestechlichkeit.
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