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Der türkische Vize-Premierminister Numan Kurtulmus und weitere türkische Spitzenbeamte wittern die Handschrift ausländischer Geheimdienste hinter dem Nachtklub-Anschlag vom Neujahrstag. RT Deutsch befragte den Anti-Terrorexperten Abdullah Agar zu den Hintergründen. Laut ihm sprechen zahlreiche Indizien für die Beteilung eines geheimdienstlichen Apparats.

Teile der türkischen Regierung wollen offenbar die Handschrift ausländischer Geheimdienste hinter dem jüngsten Terror in der größten Stadt des Landes ausgemacht haben.

Das Neujahrsmassaker auf einen Istanbuler Nachtclub, zu dem sich mittlerweile die Terrormiliz "Islamischer Staat" bekannt hat, war "viel zu professionell" ausgeführt. Die Möglichkeit könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass der Terrorakt von "ausländischen Geheimdiensten" unterstützt wurde. Dies sagte der stellvertretende Premierminister der Türkei, Numan Kurtulmus, am Mittwoch in einem Interview.


Kommentar: Es ist hinlänglich bekannt, dass westliche Geheimdienste - allen voran die CIA - ISIS unterstützen und sogar an der Erschaffung dieser Terrororganisation beteiligt waren:

Nachdem türkische Behörden bekanntgegeben hatten, dass die Identität des Silvester-Angreifers ausfindig gemacht werden konnte, hat der stellvertretende Premierminister nun in einem Interview mit der Tageszeitung Hürriyet die Beteiligung externer Geheimdienste an dem terroristischen Angriff in Betracht gezogen. Bei dem Anschlag starben 33 Personen, 68 Zivilisten wurden verletzt.
Ich bin der Meinung, dass es für den Täter unmöglich ist, einen solchen Angriff ohne Unterstützung durchzuführen. Es sieht aus wie eine Aktion von einem Geheimdienst. All diesen Dingen wird gegenwärtig nachgegangen", sagte Kurtulmus, ohne zu spekulieren, welcher Geheimdienst dahinterstecken könnte.
Der stellvertretende Premierminister äußerte sich besorgt darüber, dass mit Unterstützung ausländischer Geheimdienste auch andere potenzielle Angreifer den türkischen Sicherheitsradaren ausweichen könnten. "Da sie offenbar von Organisationen mit geheimdienstlichen Fähigkeiten unterstützt werden, können sie Terrorakte auf eine Art und Weise ausführen, die den Trägern der staatlichen Sicherheitsverwaltung noch als gleichsam undenkbar erscheinen mögen", gab Kurtulmus zu bedenken.


Mitte letzer Woche erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, dass es die Behörden geschafft haben, den mutmaßlichen Terroristen des "Islamischen Staates", der Dutzende Menschen im Istanbuler Nachtklub Reina getötet hatte, zu identifizieren.

Um "laufende Operationen zur Ergreifung des Täters nicht zu behindern", so Cavusoglu, wird die Identität des Attentäters der Presse gegenüber noch nicht enthüllt. "Das Haus des Verdächtigen wurde inzwischen von der Polizei durchsucht", sagte der Minister und fügte hinzu, dass das Verhalten des Terroristen außerordentlich "professionell" gewesen wäre.

RT Deutsch sprach mit Abdullah Agar, einem pensionierten Kommandeur der türkischer Sondereinsatzkräfte, im Volksmund "Bordo Bereliler" genannt, über seine Interpretation der jüngsten Terrorwelle in der Türkei. Agar, der als Hauptmann von 1989 bis 2002 Kommando-Teams angeführt hatte, sagte hinsichtlich der Überlegungen in Richtung einer Kommandoaktion ausländischer Geheimdienste:
Ich teile die Aussage, dass es sich bei den Ereignissen höchstwahrscheinlich nicht um eine eigenständig zu betrachtende Tat gehandelt hat. Für die Beteiligung eines geheimdienstlichen Apparats sprechen zahlreiche Argumente.
Auf die Frage, welche Argumente es sein könnten, die für die Annahme sprechen, ein fremder Geheimdienst wäre in das Geschehen involviert gewesen, erklärte der Antiterrorexperte:
Als erstes fällt auf, wenn man sich mit der Attentatsmethodik des "Islamischen Staates" beschäftigt, dass die Terrormiliz auf sogenannte "Istischadi"-Angriffe setzt, also Selbstaufopferungen. Diese münden in der Regel in Bombenanschläge, bei denen der Angreifer selbst ums Leben kommt. Das war bei dem letzten Angriff nicht der Fall. Warum wollte der islamistische Attentäter flüchten, wenn auf ihn doch die 72 Jungfrauen im Paradies warten? Der Terrorist war in exzellenter Weise über die örtlichen Verhältnisse des Nachtklubs informiert. Dabei haben wir uns auch die Frage gestellt, wieso der Angreifer auf fast keiner der vielen Kameras zu sehen war? Das ist kaum nachvollziehbar. Wie es ausschaut, war er vielmehr fokussiert, bedacht und ging absolut gezielt vor. Er trieb die Leute zusammen, dann tötete er sie. Der Attentäter benutzte eine Kalaschnikow für die urbane Kriegsführung, wie sie gerne von Spezialeinheiten verwendet wird. Seine Magazine waren zusammengebunden und er warf Blendgranaten, die es auf dem freien Markt auch nicht so ohne Weiteres gibt.

RT Deutsch fragte nach, wieso Geheimdienste den türkischen Staat auf diese Weise angreifen sollten. Agar meint dazu:
Die Türkei ist seit langem kein angenehmer Partner mehr für einige Akteure, die sich vor allem im Westen wiederfinden. Ankara verfolgt unter der AKP-Regierung einen unabhängigen außenpolitischen Kurs, das ist aber wegen der wirtschaftlichen Entwicklung und der geostrategischen Lage der Türkei ein Problem, weil Ankara diese nicht mehr für machtpolitische Interessen anderer dienstbar macht. Die Türkei priorisiert eigene Interessen, deswegen ist sie auch bereit, mit Russland zusammenzuarbeiten, wenn es ihren Interessen entgegenkommt. Das Vorgehen gegen die Türkei erfolgte in mehreren Phasen: Es fing an mit urbanen Kriegen im Südosten der Türkei. Ein Putsch auf Regierungsebene konnte im vergangenen Juli verhindert werden. Jetzt bezeugen wir regelrechte Terrorwellen in westlichen Städten der Türkei.
Auf die Frage hin, wo der Weg der Türkei angesichts dieser Entwicklung gehen könnte, sagte der Sicherheitsanalyst:
Von Asien geht für die Türkei gegenwärtig weniger Gefahr aus. Sie wird weniger von Staaten wie Russland oder China kritisiert. Von der EU und den USA fühlten sich Ankara und das türkische Volk im Zuge des vereitelten Putsches 2015 jedoch alleine gelassen. Es kam kaum Unterstützung, oft nicht einmal moralische. Dagegen wurde vehement vor den diktatorischen Tendenzen des Präsidenten gewarnt. Im Falle Russlands begegnet man einander stattdessen auf Augenhöhe. Es wird deshalb eine stärkere eurasische Ausrichtung der Türkei geben.
Inzwischen wollen türkische Medien den Codenamen des Angreifers in IS-Kreisen als "Ebu Muhammed Horasani" identifiziert haben. Erste Polizeiberichte weisen darauf hin, dass der Dschihadist aus Usbekistan oder Kirgistan stammte. Andere Berichte vermuten, dass der Täter ein Uigure aus China sein könnte.

Hürriyet berichtete des Weiteren, der Angreifer sei am 20. November mit Frau und Kindern in Istanbul eingereist. Nach Angaben der Ehefrau, die keine Ahnung von den IS-Sympathien ihres Mannes gehabt haben will, hätten sie in der Türkei nach Arbeit gesucht. Daraufhin ging der mutmaßliche Täter in die türkische Hauptstadt Ankara und ließ sich am 22. November in Konya nieder.

Dort soll der Angreifer Kontakt zu Mitgliedern einer IS-Terrorzelle aufgenommen und eine Wohnung angemietet haben. In der gleichen Stadt traf sich der Zentralasiate mit einem IS-Emir - zu Deutsch: "Anführer" - namens "Yusuf Hoca", der das Neujahrsmassaker angeordnet haben soll.

"Ebu Muhammed Horasani" soll es gelungen sein, vom Nachtklub zu entkommen, indem er sich zwischen die Leichen seiner Opfer legte und im Anschluss ein Taxi benutzte, um unerkannt vom Anschlagsort zu flüchten.

Am Mittwoch nahmen türkische Sicherheitskräfte über 40 Personen aus der Provinz Izmir im Zusammenhang mit dem Anschlag auf Reina fest, berichtete die Nachrichtenagentur Dogan. Unter den Verhafteten befanden sich auch 20 Kinder, 9 Männer und elf Frauen. Die meisten von ihnen kommen aus dem Uiguren-Gebiet in China - im türkischen Sprachgebrauch "Ost-Turkestan" -, der russischen Republik Dagestan und Kirgisistan. Am Dienstag nahm die Polizei zwei Ausländer am Istanbuler Atatürk-Flughafen fest, möglicherweise ebenfalls im Zusammenhang mit den Reina-Ermittlungen.