In London herrscht weiter Ausnahmezustand. Die mittlerweile drei Tage andauernden Krawalle haben nun das erste Todesopfer gefordert. Polizeiangaben zufolge wurde ein 26-jähriger Mann erschossen in einem Auto aufgefunden.

Ausnahmezustand in Großbritannien: Bei den seit drei Tagen andauernden Krawallen in London und anderen Städten hat es ein erstes Todesopfer gegeben. Ein 26 Jahre alter Mann wurde erschossen in einem Auto gefunden, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Premierminister David Cameron kündigte einen massiven Polizeieinsatz an, um gegen die Randalierer vorzugehen. Allein in London sollten am (heutigen) Abend 16 000 Polizisten im Einsatz sein und damit drei Mal so viele wie am Montagabend.

Aus Polizeikreisen verlautete, auch der Einsatz von Gummigeschossen werde erwogen. Die Verwendung der Kunststoffmunition sei eine mögliche Taktik, sagte Polizeioffizier Stephen Kavanagh. Bislang hat die britische Polizei bei Unruhen noch nie Gummigeschosse eingesetzt.

Die Polizei werde Verstärkung aus dem ganzen Land erhalten, alle Urlaubstage für die Beamten seien gestrichen wurden, sagte Cameron. Bisher wurden allein in London 525 Menschen festgenommen, weitere 35 Festnahmen wurden aus Birmingham gemeldet. Gegen mehr als 100 mutmaßliche Randalierer in London wurde Anklage erhoben, wie Polizeioffizier Simon Foy sagte. Unter den Beschuldigten sei auch ein elfjähriges Kind.

Die Londoner Polizei erklärte, 14 Menschen seien verletzt worden, darunter ein etwa 60-jähriger Mann, der lebensgefährliche Verletzungen erlitten habe. Die seit Samstag andauernden Ausschreitungen sind die schwersten Krawalle seit der Londoner Rassenunruhen in den 1980er Jahren.

Ausschreitungen greifen auf weitere Städte über

„Die Gewalt ist einfach unentschuldbar. Das Leben von ganz normalen Leuten ist durch dieses rücksichtslose Vorgehen auf den Kopf gestellt worden“, sagte Polizeioffizierin Christine Jones. Die Unruhen griffen in der Nacht zum Dienstag auf drei weitere Städte über. Zudem wurden in der Hauptstadt die dritte Nacht in Folge Häuser und Autos in Brand gesteckt, Läden aufgebrochen und Beamte mit Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen. Laut Polizei kam es an mindestens fünf weiteren Orten zu Ausschreitungen, darunter in Liverpool und Bristol.

Cameron ruft Parlament aus Sommerpause zurück

Die Polizei forderte Eltern in der Hauptstadt auf, ihre Kinder in der Nacht auf (den morgigen) Mittwoch zu Hause zu behalten. Pläne, die Streitkräfte zur Beilegung der Ausschreitungen hinzuzuziehen, gebe es bislang nicht.

In London nahm die Polizei drei Menschen unter dem Verdacht auf versuchten Polizistenmord fest. Ein Beamter war am frühen Dienstagmorgen in Brent im Norden der Hauptstadt angefahren worden und musste in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Insgesamt wurden in London bislang 44 Polizisten verletzt.

Angesichts der schweren Krawalle brach Cameron seinen Urlaub in Italien ab und rief das Parlament aus der Sommerpause zurück. Am Donnerstag sollen die Abgeordneten zusammentreten und über die Krise beraten. Auch Innenministerin Theresa May und der Londoner Bürgermeister Boris Johnson kehrten vorzeitig aus dem Urlaub zurück.

Premier spricht von widerwärtigen Szenen

Cameron verurteilte am Dienstag die Gewalt und beschrieb die Bilder aus den Straßen als widerwärtig. Es habe Plünderungen gegeben, Raub, Gewalt gegen Polizisten und sogar gegen Feuerwehrleute, die Brände hätten löschen wollen. „Die Leute sollten keine Zweifel daran hegen, dass wir alles tun werden, um die Ordnung auf den Straßen Großbritanniens wiederherzustellen und sie für gesetzestreue Bürger wieder sicher zu machen“, sagte der Premier.

Viele der zumeist kleinen Gruppen von Jugendlichen nutzen SMS, Instant Messenger und Twitter, um ihre Angriffe zu koordinieren. Einen politischen Hintergrund schienen die Krawalle nicht zu haben, obwohl einige Beteiligte nach eigener Aussage gegen das Sparprogramm der Regierung protestieren wollten.

gxs/dapd