Die tödlichen Schüsse auf US-Soldaten auf dem Frankfurter Flughafen sind wohl der erste vollendete islamistische Anschlag auf deutschem Boden. Die Tat wurde nach bisherigen Erkenntnissen von einem 21-Jährigen alleine verübt.
© dpaDer Angeklagte im „Kofferbomber“-Prozess, Youssef El Hajdib, im Oberlandesgericht in Düsseldorf (Archivfoto vom 09.12.2008).
Experten fürchten, dass nun besondere Gefahr von islamistischen Einzeltätern droht.
Gibt es eine neue Terrorlage in Deutschland?Die Todesschüsse am Frankfurter Flughafen stehen nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für eine neue Dimension des islamistischen Terrorismus. GdP-Bundesvorsitzender Bernhard Witthaut: „Wenn sich bisherige Hinweise bestätigen, hat erstmalig ein islamistischer Terroranschlag auf deutschem Boden nicht verhindert werden können und Todesopfer gefordert.“
Wird nun die Polizeipräsenz wieder erhöht?Nein, sagt der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). „Nach dem jetzigen Erkenntnisstand liegen (...) keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine bundesweite, flächendeckende Erhöhung der polizeilichen Präsenz anzuordnen wäre.“ Die erhöhte Sicherheitsstufe war erst Anfang Februar wieder aufgehoben worden. Die Behörden sind aber alarmiert. Denn eine Tat wie Frankfurt könnte mögliche militante Islamisten zu Nachahmungstaten ermuntern. Dass der Täter scheinbar genau wusste, wann der Bus mit den US-Soldaten im öffentlich zugänglichen Bereich vor dem Terminal 2 ankommt, zeigt, dass die Attacke geplant war. Angeblich soll die Pistole geklemmt haben, nur deshalb scheint es nicht zu mehr Toten gekommen zu sein.
Warum hatten die Behörden den jungen Deutsch-Kosovaren nicht im Visier?„Das größte Problem ist der radikalisierte Einzeltäter, der kaum zu entdecken ist“, sagt der Terrorismusforscher Rolf Tophoven. 2006 etwa verhinderten nur defekte Zünder den wohl schwersten Anschlag der jüngeren deutschen Geschichte. Zwei Libanesen hatten am Kölner Hauptbahnhof Sprengsätze in zwei Regionalzügen deponiert, sie wollten Rache für die auch in Deutschland veröffentlichten dänischen Karikaturen des Propheten Mohammed nehmen. Tophoven betont, dass sich ihre Radikalisierung ähnlich wie wohl beim Attentäter von Frankfurt „im stillen Kämmerlein“ vollzogen habe. Dagegen falle eine Terror-Zelle wie die rechtzeitig enttarnte Sauerland-Gruppe durch Kommunikation und Bewegungen einfach leichter auf.
Sind Einzeltäter die größere Terrorgefahr für den Westen?Das ist schwer zu sagen. Der bisherige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte im November betont: Es gebe verstärkte Hinweise, wonach die Terrororganisation Al-Kaida plane, Anschläge in den USA, in Europa und auch in Deutschland zu begehen. Zudem gab es versuchte Attacken mit Paketbomben. Diese abstrakte Gefahr bleibt bestehen. Daneben häufen sich aber Angriffe einzelner Attentäter: Im Dezember 2010 sprengte sich ein Mann in Stockholm in die Luft, es gab aber keine weiteren Todesopfer. Im November 2009 richtete ein muslimischer US-Offizier auf dem US-Militärstützpunkt Fort Hood in Texas ein Blutbad an: Er erschoss 13 Menschen und verletzte 42.
Welche Ziele sind besonders gefährdet?Terrorismusexperte Tophoven betont, Szenarien wie ein Sturmangriff dutzender Terroristen auf den Berliner Reichstag seien wegen der massiven Sicherheitspräsenz unrealistisch. Die Frankfurter Attacke zeigt, dass Attentäter eher weiche, kaum zu schützende öffentliche Ziele wählen, wie zuletzt auch bei dem Terroranschlag am Moskauer Flughafen oder eben deutsche Regionalzüge und Bahnhöfe.
Wie wichtig ist das Internet für die Terrorszene?Islamisten verbreiten ihre Propaganda weltweit über das Netz. In Foren und Chatrooms tauschen sich Gleichgesinnte aus. Auch der 21-jährige Frankfurter Todesschütze soll auf einschlägigen Seiten Spuren hinterlassen haben - die Behörden hatten ihn aber wohl nicht auf dem Radar. Die Islamisten-Szene arbeitet professionell. Al-Kaida oder die Taliban haben eigene „Pressestellen“, die Bekenner- und Propaganda-Videos produzieren. Die deutschen Behörden beobachten das Internet und werten die meist in Arabisch und anderen Fremdsprachen verfassten Beiträge aus.
dpa
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