Nach einem ständigen Anstieg der durchschnittlichen IQ-Testergebnisse kommt es seit gut 20 Jahren zu Rückgängen. Doch woran liegt das?
Schädel
Nach der Einführung der ersten Intelligenztests haben sich die Ergebnisse in der westlichen Welt lange und kontinuierlich verbessert - vermutlich wegen Fortschritten bei der Ernährung und der Bildung. Das nennt man in der Forschung seit den 1990er-Jahren den Flynn-Effekt nach dem neuseeländischen Politologen James Flynn, der diesen Effekt 1984 erstmals für die USA beschrieb.

Doch ungefähr seit den 1990er-Jahren scheint es in verschiedenen Ländern der westlichen Welt Anzeichen zu geben, dass es mit dem IQ im Schnitt wieder leicht abwärts geht. Es ist die Rede von - hochgerechnet - sieben bis zehn IQ-Punkten pro Jahrhundert, wie das britische Wissenschaftsblatt New Scientist berichtet. Die Ergebnisse sind nicht unumstritten, um es mit der Stilfigur der doppelten Verneinung vorsichtig zu formulieren, wurden aber bereits in einigen Ländern bestätigt.

Erklärungen für den vermuteten Rückgang

Diesen vermutlichen IQ-Verfall erklären einige Forscher damit, dass Frauen mit einem hohen IQ tendenziell weniger Kinder haben. Andere weisen darauf hin, dass sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Tests zur Messung des IQ leicht verändert hätten und dass der Rückgang dadurch bedingt sei.

Dieser zweiten These gingen Forscher um Robin Morris (Kings College London) im Fachblatt Intelligence nach und analysierten für ihre Studie zunächst rund 1.750 verschiedene Intelligenztests seit dem Jahr 1972, und zwar im Speziellen nach zwei Testteilen: jenen, die das Kurzzeitgedächtnis, und jene, die das Arbeitsgedächtnis messen. (Letzteres ist komplexer als das Kurzzeitgedächtnis und befähigt zur Manipulation der Erinnerungen, um es salopp zu formulieren. Außerdem sind damit andere Hirnteile befasst.)

Dabei zeigte sich, dass sich das Kurzzeitgedächtnis analog zum Flynn-Effekt verbesserte, während die Testergebnisse in Sachen Arbeitsgedächtnis abnahmen.

Ältere Testteilnehmer könnten die Lösung sein

Parallel dazu machten die Forscher aber noch eine zweite Entdeckung: Es wurden in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Menschen IQ-Tests unterzogen, die bereits über 60 Jahre alt waren. Da es bekannt ist, dass ältere Personen an einem nachlassenden Arbeitsgedächtnis leiden (während das Kurzzeitgedächtnis annähernd konstant bleibt), könnte das die Erklärung für die rückläufigen Testergebnisse sein.